Sollte die Türkei in
die Kurdengebiete im Norden Iraks einmarschieren, wäre dies
neben der weiteren Unterdrückung dieser Minderheit auch ein
Griff nach den wertvollen Öl- und Wasserreserven der Region.
Darauf weist die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) mit Nachdruck hin. Denn seit die türkische Regierung
im Jahr 1982 den Bau des Ilisu-Staudamms am Tigris in
Türkisch-Kurdistan beschlossen hat, liegt sie im Clinch mit
Syrien und dem Irak. Beide Staaten befürchten nämlich,
dass dadurch zuviel Wasser am Oberlauf des Stromes abgezapft wird
und sie danach auf dem Trocknen sitzen werden.
Der
Ilisu-Staudamm wird im Rahmen des Südostanatolien-Projektes
(Güney Anadolu Projesi, GAP) gebaut und in frühestens
acht Jahren fertig sein. Die Staumauer wird 1.820 Meter lang und
135 Meter hoch werden. Ein 313 Quadratkilometer großes
Gebiet, in dem unter anderem weite Teile der archäologisch
und kulturhistorisch außerordentlich bedeutsamen kurdischen
Stadt Hasankeyf liegen, soll überflutet werden. 101
Städte und Dörfer werden teilweise, 82 weitere
vollkommen im Stausee verschwinden. Bereits geräumt wurden
88 Dörfer und Städte, in denen 15.581 Menschen lebten.
Die enteigneten und umgesiedelten kurdischen Kleinbauern warten
noch immer auf eine angemessene Entschädigung. 43.733
Menschen leben in den übrigen 95 Siedlungen, die noch nicht
zerstört wurden. Damit sind 60.000 Kurden unmittelbar von
dem Großprojekt betroffen. Einmütig lehnen die Kurden
das Mega-Vorhaben ab. Zu wach ist die Erinnerung an die
Zerstörung von 3.428 kurdischen Dörfern durch
türkische Sicherheitskräfte in den 90er Jahren.
Es besteht
die konkrete Gefahr, dass die Türkei den derzeit tobenden
Krieg im Irak dazu benutzt, das autonome Kurdistan im Norden den
Landes zu erobern. Damit könnte die Schaffung einer
möglichen Autonomie der kurdischen Gebiete verhindert
werden. Gleichzeitig würde das Staudammprojekt dem
unmittelbaren Zugriff des Irak, dessen Grenzen derzeit kaum 70
Kilometer entfernt sind, entzogen.
Mit dem Bau des Staudammes gerät aber auch das
Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser, unverzichtbar für
das Überleben des Menschen am Unterlauf des Tigris,
zunehmend in Gefahr. Dessen sollten sich auch die Firmen bewusst
sein, die am Projekt beteiligt sind. Zwar ist der britische
Baukonzern "Balfour Beatty" vor zwei Jahren ausgestiegen,
weiterhin dabei ist jedoch die "Sulzer Hydro", ein Schweizer
Konzern, der weltweit im Bau von Staudämmen engagiert ist.
Die "Sulzer Hydro" ist ihrerseits eine Tochterfirma der
österreichischen "Voest Alpine Technologie AG", die am
gesamten GAP-Projekt massiv beteiligt ist.
Die GfbV fordert den Ausstieg dieser Firmen aus dem Projekt und
dessen völlige Einstellung. Denn letztendlich müssten
die Tausenden von Kurden, die in diesem Gebiet leben, die
Unkosten dafür tragen - ganz zu schweigen von den negativen
ökologischen Auswirkungen, die der Staudamm mit sich bringen
würde.
Siehe auch Dokumentation: Verweigertes Menschenrecht auf Trinkwasser: Westliche Regierungen, westliche Unternehmen und Staaten der Dritten Welt rauben indigenen Völker das lebensnotwendige Naß