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Verweigertes Menschenrecht auf Trinkwasser

Westliche Regierungen, westliche Unternehmen und Staaten der Dritten Welt rauben indigenen Völker das lebensnotwendige Naß

Das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser, unverzichtbar für das Überleben des Menschen, gerät zunehmend in Gefahr. Die Möglichkeit, Wasser durch Staudämme zu kanalisieren und damit im Erstfall anderen Nutzern vorzuenthalten, ist längst zu einem Machtfaktor geworden. Die GfbV zeigt in diesem Dossier die katastrophalen Folgen dieses Mechanismus für ethnische und religiöse Minderheiten oder Ureinwohnervölker (Indigene Völker) auf, die durch ökologisch und wirtschaftlich oft fragwürdige Staudammprojekte vertrieben werden. Vertreibung bedeutet für sie in der Regel den Untergang als eigenständige ethnische Gruppe durch Verlust von Land, Lebensweise und Kultur.

INDEX
Großstaudämme verletzen Menschenrechte | Krieg um Wasser im Sudan | Deutsche Hermes-Bürgschaft für Großstaudamm in Indien | Indiens Ureinwohner wehren sich gegen Narmada Staudämme | Keine Hermes-Bürgschaft für Staudamm in Kurdistan | Zwangsumsiedlung für Staudammbau in Burma | Ureinwohner sollen Bakun-Staudamm in Malaysia weichen

Großstaudämme verletzen Menschenrechte .: oben :.

Zwangsumsiedlungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sind beim Bau von Großstaudämmen alltäglich. Für viele Ureinwohner und Angehörige ethnischer Minderheiten bedeutet die überflutung ihres Landes nicht nur den Verlust ihrer Häuser, sondern die Zerstörung ihrer traditionellen Lebensweise, ihrer Kultur und Identität. 45.000 Staudämme wurden in den letzten 50 Jahren weltweit errichtet. Mindestens 30 Millionen Ureinwohner wurden für ihren Bau vertrieben. Meist wurden die Folgen der Großprojekte für die Urbevölkerung bei der Planung der Projekte nicht berücksichtigt.

Die Betroffenen wurden enteignet, Entschädigungszahlungen verweigert. Doch selbst wenn Schadensersatz geleistet wird, kann dies den Verlust der traditionellen Lebensweise und die Vernichtung bedeutender Kulturgüter der Urbevölkerung nicht ersetzen. Im November 2000 veröffentlichte die auf Initiative von Weltbank und Umweltschutzorganisationen entstandene Weltstaudamm-Kommission einen bahnbrechenden Bericht, in dem die ökologischen und sozialen Folgen des Baus von Großstaudämmen umfassend dokumentiert und zahlreiche tiefgreifende Reformen bei der Planung und Umsetzung von Bewässerungs- und Energieprojekten angemahnt werden. So müsse der konkrete Energiebedarf zunächst von unabhängigen Experten ermittelt werden, empfahl die Kommission.

Zu häufig würden Staudämme überdimensioniert geplant, da es an realistischen Bedarfsanalysen fehle. Auch müsse zunächst in Absprache mit der betroffenen Bevölkerung geklärt werden, ob es nicht im konkreten Fall Alternativen zum Bau eines Großstaudammes gebe, die Umwelt und Menschen weniger beeinträchtigten. Der Bau sollte erst beschlossen werden, wenn alle Betroffenen ihre Zustimmung erteilt hätten. Auch sollten die Behörden die Vergabe der Baugenehmigung zeitlich begrenzen und darauf dringen, dass sich der Bauträger dazu verpflichtet, konkrete soziale und ökologische Vorgaben zu erfüllen.

In zweieinhalbjähriger Arbeit hatte die Kommission, der 12 unabhängige Experten von Nichtregierungsorganisationen, Staudammindustrie und Regierungen angehörten, zahllose Staudammprojekte analysiert. Zwar sichern Staudämme heute 10 Prozent der Nahrungsproduktion und 20 Prozent der Energiegewinnung in der Welt, gravierend sind jedoch die von ihnen verursachten Eingriffe in das Leben der Menschen, die ihnen weichen müssen.

Deutsche Unternehmen wie Siemens und Lahmeyer (und weitere europäische Unternehmen) sind am Bau von Großstaudämmen in aller Welt beteiligt. Auch sie beteiligten sich u.a. finanziell an der Arbeit der Weltstaudamm-Kommission. Entscheidend für den Erfolg der Kommission wird sein, ob Industrie und Regierungen die detaillierten Empfehlungen des Expertenteams aufgreifen. Die deutsche Bundesregierung ging mit schlechtem Beispiel voran, als sie bei der Reform der sogenannten Hermes-Bürgschaften im Mai 2001 die kompetenten Empfehlungen der Weltstaudamm-Kommission komplett ignorierte und die Arbeit des Expertenteams gar nicht erst erwähnte. Dabei hatte auch die Bundesregierung die Arbeit der Kommission kofinanziert.

Krieg um Wasser im Sudan .: oben :.

Im Sudan wird schon heute Krieg um Wasser geführt. Rund 2,9 Millionen Südsudanesen sind seit 1955 Hunger, Krieg und schwersten Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen. Neben zahlreichen politischen, ethnischen, religiösen und wirtschaftlichen Ursachen liegt diesem Krieg auch ein Machtkampf um die Kontrolle der Ölfelder und des Nilwassers zugrunde. Dass er bereits seit 33 Jahren andauert, ist unter anderem auf die Einflussnahme des Nachbarstaates Ägypten zurückzuführen.

Ägypten will sich einen möglichst großen Anteil am Nilwasser sichern. Deshalb hat es kein Interesse an einem Frieden im Sudan, der es dem Land ermöglichen würde, durch Staudämme und Bewässerungsanlagen mehr Nilwasser zu verbrauchen als derzeit. Mehr denn je ist das Wüstenland Ägypten, dessen Bevölkerung kontinuierlich wächst, auf das Wasser des Nils angewiesen, der aus dem Sudan und aus Äthiopien ins Land strömt.

Äthiopien plant zwölf Bewässerungsprojekte, die mehr als sechs Milliarden Kubikmeter Wasser verbrauchen werden. Einen Nutzungsvertrag mit den Nachbarn hat es nicht abgeschlossen. Dies sorgte in Ägypten bereits für große Unruhe. Als dann aber auch die sudanesische Regierung am 2. November 2001 den Bau eines 4,5 Milliarden DM teuren Staudamms ankündigte, der mit Unterstützung der arabischen Emirate in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Khartum gebaut werden soll, herrschte in Kairo helle Aufregung.

Dieser Merowe - Staudamm soll vor allem der Energieerzeugung und der Bewässerung der Felder dienen. Als Ägypten und der Sudan noch unter gemeinsamer britischer Kolonialverwaltung standen, schlossen sie 1929 einen Vertrag, der dem Sudan das Recht auf jährlich vier Milliarden Kubikmeter und Ägypten das Recht auf 48 Milliarden Kubikmeter Nilwasser zuteilte. Ein Anschlussabkommen erhöhte 1959 die Quote für den Sudan auf 18,5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr und für Ägypten auf 55,5 Milliarden Kubikmeter. Ägypten müsste jedoch weitere 22 Milliarden Kubikmeter abschöpfen können, um den stetg wacsendn Bedarf der Landwirtschaft und der immer größeren Zahl von Bürgern zu decken.

Der Sudan fordert dagegen eine Korrektur der ungleichen Wasserverteilung zu seinen Gunsten. Vom Jonglei-Kanal im Südsudan hatten sich in den 1980er Jahren die Regierungen beider Staaten eine Entspannung ihres jeweiligen Wassernotstands versprochen. Der 380 Kilometer lange Kanal sollte den Fluss Bahr El Jebel mit dem Weißen Nil verbinden und dabei ein riesiges Sumpfgebiet trockenlegen, den Sudd. Die Bauarbeiten liegen jedoch seit Wiederaufflammen des Krieges im Südsudan 1983 auf Eis. Die meisten Südsudanesen lehnen den Kanalbau ab, da die Trockenlegung des Sudd unabsehbare ökologische Folgen hätte und in erster -Linie dem Norden des Sudan zugute käme. Der Völkermord im Südsudan wird durch den Kampf um die Wasserader Nil verlängert. Ägypten weigert sich beharrlich, den Südsudanesen ein Recht auf Selbstbestimmung einzuräumen. Zu groß ist in Kairo die Angst, ein autonomer Südsudan könnte noch mehr Nilwasser abzweigen, bevor der Fluss Ägypten erreicht. Ein durch Krieg zerrissener Sudan erscheint der ägyptischen Führung allemal sympathischer als ein gestärkter und befriedeter Nachbarstaat, der ein Ende der diskriminierenden Wasserverteilung durchsetzen könnte. So entwickelt Ägypten immer neue "Friedensinitiativen", deren Zweck vor allem darin besteht, Zeit zu gewinnen und den status quo im Südsudan aufrechtzuerhalten.

Der Streit um das Nil-Wasser wird inzwischen auch von europäischen Staaten immer ernster genommen. So lud das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die zuständigen Minister der Nil-Anrainerstaaten zu einem Besuch Deutschlands ein, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Rhein kennen zu lernen. Doch während man sich in Europa um den Aufbau von Vertrauen zwischen den Konfliktparteien bemüht, geht das Sterben im Südsudan weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit weiter.

Deutsche Hermes-Bürgschaft für Großstaudamm in Indien .: oben :.

Mit einem besonderen Gastgeschenk wartete Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, als er am 29. Oktober 2001 zu einem Besuch in Indien eintraf. Um Indiens wachsender Kritik an der Unterstützung des Erzrivalen Pakistan in der globalen Antiterror-Koalition zu begegnen, hatte sich der Kanzler höchstpersönlich für die Gewährung einer von Siemens beantragten Hermes-Bürgschaft für den Tehri-Staudamm eingesetzt. Dabei ist das Projekt gemessen an den selbstgestellten Ansprüche der rot-grünen Regierung an ökologische und soziale Standards für die Vergabe von Hermesbürgschaften keineswegs förderungswürdig. Indiens Regierung sieht sich durch die Bürgschaft bestärkt, nun auch den Bau weiterer Staudämme am Narmada-Fluss voranzutreiben, für den Hunderttausende Adivasi-Ureinwohner vertrieben werden.

Vor 25 Jahren wurde bereits mit der Planung des Tehri-Staudammes, der vor allem der Energiegewinnung durch Wasserkraft dienen soll, begonnen. Inzwischen ist die Staumauer im Tal des Bhagirathi-Flusses im indischen Himalaja zur Hälfte fertiggestellt. Mit 260 Metern Höhe soll es der fünfthöchste Staudamm der Erde werden. Für das gigantische Projekt müssen rund 100.000 Menschen umgesiedelt werden. In wenigen Tagen soll die Stadt Tehri geflutet werden, die mit ihren alten Gebäuden kulturhistorisch bedeutend ist. Zehntausend Bewohner Tehris harren trotz der unmittelbar bevorstehenden Flutung noch immer in ihren Häusern aus, da die Behörden ihnen keine neuen Wohnungen zugewiesen haben. Mit der Stadt werden auch 27.000 Hektar fruchtbares Ackerland und 107 Dörfer in den Fluten versinken. Den Menschen, die ihre Häuser nicht freiwillig verlassen wollen, droht die Zwangsumsiedlung. Verbittert kritisieren viele von ihnen, dass die von den Behörden versprochene finanzielle Entschädigung im korrupten Verwaltungsapparat versickert. Fast täglich protestieren die von der Zwangsräumung bedrohten Dorfbewohner friedlich gegen das Megaprojekt.

Ende März 2001 besetzten sie den Bauplatz und wurden durch Polizeikräfte geräumt. Mehr als 80 Demonstranten wurden verhaftet. Auch die Wiederbesetzung des Geländes am 24. April wurde mit brutaler Polizeigewalt beendet. Weitere 50 Demonstranten wurden festgenommen, ein Versammlungsverbot für Gruppen mit mehr als vier Personen wurde verhängt. Proteste hagelte es nicht nur von den Umsiedlern. Schon 1996 begann der bekannte indische Menschenrechtler Sunderlal Bahuguna mit einem unbefristeten Hungerstreik. Um den Träger des Alternativen Nobelpreises und Weggefährten Mahatma Gandhis nach 74 Tagen zur Aufgabe des Fastens zu bewegen, sagte die Regierung damals eine umfassende Überprüfung des Projekts zu, und trieb es weiterhin rücksichtslos voran.

Der Staudamm-Bau verstößt nicht nur gegen grundlegende Menschenrechte, weil Bewohner der Flussregion willkürlich vertrieben werden. Auch die Sicherheit des Dammes und sein wirtschaftlicher Nutzen werden von Kritikern bezweifelt. So wird das Projekt in einer Erdbebenregion errichtet. Kritiker rechnen damit, dass die Staumauer einem Erdbeben der Stärke 8 auf der Richter-Skala, das in dieser Region nicht selten ist, nicht standhalten wird. Ein Bruch der Staumauer könnte den Tod von bis zu zehn Millionen Menschen verursachen. Bei allen Berechnungen wurde zudem von zu hohen Niederschlagswerten ausgegangen und die katastrophalen Folgen von Sedimentablagerungen in dem Staubecken wurden unterschätzt. Trotz dieser menschenrechtlichen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Bedenken wird der Bau des Tehri-Staudammes mit Hermes-Bürgschaften von der deutschen Bundesregierung abgesichert. Dabei hatte die rot-grüne Bundesregierung bei ihrer Machtübernahme eine Reform der massiv kritisierten Hermes-Bürgschaften angekündigt. Doch das Ergebnis des Reformprozesses ist kläglich.

Indiens Ureinwohner wehren sich gegen Narmada Staudämme .: oben :.

Mit immer massiveren Methoden versuchen Indiens Behörden die Kritiker der umstrittenen Staudammprojekte am Narmada Fluss in Zentralindien mundtot zu machen. So wurde jüngst in einem Memorandum ein Verbot der Bewegung "Rettet die Narmada" gefordert. Der bekannten indischen Schriftstellerin und Narmada-Kritikerin Arundhati Roy wurde wegen Teilnahme an einer unerlaubten Demonstration der Prozess gemacht, und ausländische Unterstützer der friedlichen Protestbewegung werden des Landes verwiesen. Doch die zunehmende Repression wird die Proteste nicht stoppen können, denn kaum ein Thema weckt unter Indiens Adivasi - Urbevölkerung und Umweltschützern so viele Emotionen. Gigantisch sind die Pläne der indischen Regierung: Am Narmada Fluss sollen 30 große, 135 mittelgroße und 3.000 kleine Staudämme gebaut werden, um Energie zu gewinnen und Felder zu bewässern. Sechs größere Dämme wurden trotz der Proteste der Bevölkerung schon fertiggestellt.

Seit 1985 leistet die Bewegung "Rettet die Narmada" Widerstand gegen das Megaprojekt. Mit Fastenaktionen, Sitzblockaden, Petitionen, Gerichtsverfahren und zahllosen öffentlichen Protesten engagiert sich die Bewegung mit Erfolg gegen das Megaprojekt. So zogen sich ausländische Unternehmen aufgrund der Proteste, mangelhafter Umweltschutzbestimmungen und finanzieller Verluste als Investoren zurück. Exportkredite westlicher Staaten wurden verweigert. Doch die Vertreibung von mehr als 100.000 Adivasi konnte die Protestbewegung nicht verhindern. In Indien gibt es bereits mehr als 4.000 große Staudämme. Mindestens 30 Millionen Menschen wurden für ihren Bau in den letzten 50 Jahren umgesiedelt, 40% der Zwangsumgesiedelten waren Adivasi (Ureinwohner). Weniger als die Hälfte aller Vertriebenen bekam für die Wiederansiedlung Hilfe vom indischen Staat.

Die von Experten in aller Welt geforderte Beteiligung der betroffenen Bevölkerung an der Planung von Großprojekten ist in Indien noch immer ein Fremdwort. Den Betroffenen wird sogar jede Information über die nächsten Bauabschnitte bewusst vorenthalten. Besonders umstritten sind der Sardar Sarovar und der Maheswar Staudamm. 245 Dörfer und 37.700 Hektar Land werden für den Sardar Sarovar Staudamm geflutet. 200.000 Menschen - unter ihnen 110.000 Ureinwohner werden vertrieben, weil ihre Heimat in dem 214 Kilometer langen Stausee verschwinden soll. Mit den Bauarbeiten wurde schon 1987 begonnen. 1995 stoppte der Oberste Gerichtshof vorübergehend das Projekt, doch seit dem 18. Oktober 2000 darf wieder gebaut werden. Der kleinere Maheshwar Staudamm ist der erste von privaten Investoren auf eigene Rechnung errichtete Staudamm in Indien. 5.700 Hektar Land und 61 Dörfer soll der Stausee überfluten. Mit dem Bau des Dammes wurde 1996 begonnen. 40.000 Kleinbauern und Fischer sollen umgesiedelt werden. Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen seien zu befürchten, hieß es kritisch in einem im Juni 2000 veröffentlichten Gutachten des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Siemens und die Hypo Vereinsbank zogen daraufhin ihren Antrag auf eine Hermes Bürgschaft im August 2000 zurück. Doch Siemens will auch weiterhin Turbinen für den umstrittenen Staudamm liefern.

Keine Hermes-Bürgschaft für Staudamm in Kurdistan .: oben :.

HasankeyfAls der britische Baukonzern Balfour Beatty sich am 13. November 2001 aus dem Ilisu Staudammprojekt in Türkisch - Kurdistan zurückzog, feierten Umweltschützer und Menschenrechtler dies als großen Durchbruch. Der seit 1954 geplante Staudamm ist Teil des riesigen Südostanatolien-Projektes (Güney Anadolu Projesi, GAP), in dessen Rahmen Dutzende Staudämme an den Flüssen Euphrat und Tigris zur Bewässerung und Energiegewinnung gebaut werden sollen. Mit einem Auftragsvolumen von mehr als 630 Millionen DM gehörte das britische Unternehmen zu den großen Partnern der türkischen Investoren. Seit Jahren gibt es in Großbritannien Streit um die Vergabe von Exportkrediten für das umstrittene Projekt.

HasankeyfNachdem eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Juli 2001 zu verheerenden Ergebnissen geführt hatte, kam Balfour Beatty mit seinem Rückzug einer Ablehnung der Exportkredite durch die britische Regierung zuvor. Auch die italienische Ingenieurfirma Impreglio zog sich im November 2001 aus dem Projekt zurück. Bereits im September 2000 hatte der schwedische Konzern Skanska seine Mitarbeit aufgekündigt. Nun sind es vor allem noch türkische Firmen, die den Bau weiter vorantreiben. Die türkische Regierung verspricht sich aufgrund ihres Engagements in der Antiterror-Koalition nun ein Entgegenkommen westlicher Staaten bei der Vergabe von Exportgarantien.

Hoffnungen setzt sie dabei auch auf eine Hermes-Bürgschaft der Bundesregierung in Berlin. Angesichts massiver Menschenrechtsverletzungen, schwerwiegender ökologischer und sicherheitspolitischer Bedenken, der drohenden Zerstörung von Kulturgütern unschätzbaren Wertes und der mangelnden Beteiligung der betroffenen kurdischen Bevölkerung an der Planung des Projekts wäre die Gewährung einer Hermes-Bürgschaft jedoch unverantwortlich. Beantragt wurde sie von der Sulzer Hydro in Ravensburg, der deutschen Niederlassung des gleichnamigen Schweizer Konzerns, der weltweit im Bau von Staudämmen engagiert ist. Seit 1997 ist das Schweizer Unternehmen der maßgebliche Auftragnehmer für die Bauarbeiten am Ilisu-Damm.

HasankeyfDie Sulzer Hydro ihrerseits ist eine Tochterfirma der österreichischen Voest Alpine Technologie AG, die im gesamten GAP-Projekt sehr stark engagiert ist. Der Ilisu-Staudamm wird am Tigris gebaut und in frühestens acht Jahren fertig sein. Die Staumauer wird 1.820 Meter lang und 135 Meter hoch werden. Ein 313 Quadratkilometer großes Gebiet, in dem unter anderem weite Teile der archäologisch und kulturhistorisch außerordentlich bedeutsamen kurdischen Stadt Hasankeyf liegen, soll überflutet werden. 101 Städte und Dörfer werden teilweise, 82 weitere vollkommen im Stausee verschwinden. Bereits geräumt wurden 88 Dörfer und Städte, in denen 15.581 Menschen lebten. Die enteigneten und umgesiedelten kurdischen Kleinbauern warten noch immer auf eine angemessene Entschädigung. 43.733 Menschen leben in den übrigen 95 Siedlungen, die noch nicht zerstört wurden. Somit sind 60.000 Kurden unmittelbar von dem Großprojekt betroffen. Einmütig lehnen die Kurden das Mega-Vorhaben ab.

Zu wach ist die Erinnerung an die Zerstörung von 3.428 kurdischen Dörfern durch türkische Sicherheitskräfte in den 1990er Jahren. Im Zuge der Bekämpfung der terroristischen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) hatten Armee und Polizei eine Politik der verbrannten Erde in den ländlichen Gebieten Kurdistans betrieben. Bis heute weigern sich die Behörden, den Wiederaufbau der systematisch zerstörten Dörfer in die Wege zu leiten. Angesichts dieser Vertreibungsverbrechen und der massiven Menschenrechtsverletzungen misstrauen die Kurden den vollmundigen Versprechungen der türkischen Behörden, nun alle Maßnahmen in enger Absprache mit den Betroffenen zu planen und durchzuführen. Das Misstrauen ist nur allzu berechtigt. Seit die Regierung 1982 den Bau des Ilisu-Staudamms beschlossen hat, lässt sie die Betroffenen im Unklaren über Ausmaß und Fortgang der Arbeiten. Nur aufgrund des Druckes der Exportkreditversicherungen wird nun wenigstens an einem Umsiedlungsplan gearbeitet. Auch die sicherheitspolitischen Risiken sind gravierend. Die Regierungen Syriens und des Irak, deren Grenzen nur 65 Kilometer entfernt sind, haben bereits ihren entschiedenen Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt. Beide Staaten befürchten, dass die Türkei zuviel Wasser am Oberlauf der Flüsse Euphrat und Tigris abzapfen wird und sowohl die Quantität als auch die Qualität des Wasserzuflusses in ihre Länder leiden werden.

So droht der Staudamm neue Konflikte in einem äußerst sensiblen Gebiet des Nahem Ostens herauf zu beschwören. Dies kann der internationalen Staatengemeinschaft nicht gleichgültig sein. Ein Krieg um Wasser würde die Bemühungen um Frieden in der umkämpften Region weiter beeinträchtigen. Bislang weigert sich die Türkei, die Konvention der Vereinten Nationen über die Nutzung nicht-schiffbarer grenzüberschreitender Gewässer zu unterzeichnen, die ausführliche Konsultationen bei allen Baumaßnahmen vorsieht, von denen Nachbarstaaten betroffen sind. Unabsehbar sind die ökologischen Folgen des Projekts. So ist unklar, ob die Betreiber aufgrund der zu erwartenden starken Sedimentablagerungen im Stausee eine Mindestdurchflussmenge an Wasser garantieren können. Schon nach einigen Jahren dürften diese auch den Umfang der geplanten Energieproduktion beeinträchtigen. Noch ist ungewiss, ob die oberhalb und unterhalb des Damms geplanten Kläranlagen auch tatsächlich gebaut werden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so bleibt fraglich, ob sie in ihrer Kapazität ausreichen werden, um das Flusswasser für die Verbraucher unterhalb der Dämme, die ohnehin mit deutlich weniger Wasseraufkommen rechnen müssen, zu reinigen.

Zwangsumsiedlung für Staudammbau in Burma .: oben :.

Für den Energieexport nach Thailand will Burmas Militärregierung einen Großstaudamm bauen, für den Tausende Angehörige der Shan umgesiedelt werden sollen. Der Tasang Staudamm soll am Fluss Salween im zentralen Shan Bundesstaat entstehen. Teile des Gebietes sind bereits entvölkert. Systematisch hat die Militärdiktatur weite Teile des Shan Staates "geräumt", um die Freiheitsbewegung der Shan zu bekämpfen und Platz zu schaffen für die Entwicklung neuer Wirtschaftszonen. Mehr als 100.000 Menschen wurden bereits zwangsumgesiedelt. Seit die Regierung des Vielvölkerstaates Burma 1948 den Aufbau eines föderalen Systems ablehnte, herrscht nicht nur in der Heimat der Shan sondern auch in vielen anderen Nationalitäten-Regionen Burmas Krieg. Noch ist der Tasang Damm im Planungsstadium. Mehr als sechs Milliarden DM soll der Bau der 188 Meter hohen Staumauer und des 640 Quadratkilometer großen Stausees kosten. Tausende Shan sollen für das Megaprojekt noch zwangsumgesiedelt werden.

Bereits 1991 führten japanische Konsultingfirmen erste Machbarkeitsstudien durch. Interesse an einer Einfuhr von Energie aus dem Nachbarland zeigt bereits die Greater Mekong Subregion Power Co. Ltd. (GMS) aus Thailand. Ein Finanzierungsplan und eine Umweltverträglichkeitsstudie wurden in Auftrag gegeben. Das Militärregime hatte sich bereits 1989 mit dem späteren thailändischen Innenminister General Chavalit auf den Bau von mehreren Staudämmen zur Energiegewinnung verständigt. Doch die betroffene Bevölkerung wurde in keiner Weise in die Planung miteinbezogen. Der Bau des Staudammes hätte katastrophale Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung. Den gewaltigen Wassermassen müssten nicht nur Wälder, fruchtbare Böden und Rückzugsgebiete für Tiere weichen, sondern auch Tausende Shan, die an den Ufern des Salween von traditioneller Landwirtschaft, Jagd, Fischfang und dem Sammeln von Nahrung leben. Die Menschen würden ihre wichtigste Kommunikationsmöglichkeit einbüßen, wenn die Wasserstraße nicht mehr durchgängig befahrbar wäre.

Nach allen Erfahrungen mit dem Militärregime müssen die Shan mit Zwangsarbeit, Enteignungen und Deportationen rechnen. Regierungen in aller Welt verhängten aufgrund des systematischen Einsatzes von Zwangsarbeit und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen Sanktionen gegen Burma. Das Muster für die Zwangsumsiedlungen ist in Burma immer gleich. Dem Dorfältesten wird eine schriftliche Ausweisungsverfügung überbracht. Darin wird die Bevölkerung aufgefordert, das Dorf zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verlassen und sich in eine neue Siedlung zu begeben, die meist in der Nähe eines Militärstützpunktes liegt.

Jeder Shan, der nach Ablauf des Ultimatums in seinem Heimatdorf angetroffen wird, wird festgenommen oder erschossen. Nahrungsmittel und das persönliche Eigentum der Vertriebenen, das nicht mitgenommen werden kann, werden beschlagnahmt oder vernichtet. Die Shan haben unter allen Völkern Burmas besonders hart unter den Gräueltaten der Militärjunta zu leiden. Der geplante Bau des Tasang Staudammes würde die jahrzehntelange Verfolgung nochmals eskalieren lassen.Wenn die internationale Staatengemeinschaft es mit ihren Sanktionen gegen das Pariah-Regime in Rangoon ernst meint, dann sollte sie jede Unterstützung dieser menschenverachtenden Politik unterlassen.

Ureinwohner sollen Bakun-Staudamm in Malaysia weichen .: oben :.

Rund 9.000 Ureinwohner im malaysischen Teil der Insel Borneo (Sarawak) wurden im September 1999 umgesiedelt. Ihre Dörfer sollen für den gigantischen Bakun Staudamm überflutet werden. Sie gehören den Völkern der Penan, Ukit, Kayan, Lahanan und Kenyah an. Die meisten von ihnen wurden 30 Kilometer vom künftigen Stausee entfernt wieder angesiedelt. Aber noch wehren sich mehrere hundert Bewohner ihre Langhäuser zu verlassen. Bereits Umgesiedelte klagen über unzureichende Entschädigungen und unzählige Probleme mit ihren neuen Häusern. Sie seien schlampig gebaut und zu überhöhten Preisen verkauft worden.

Viele Umsiedler seien inzwischen verschuldet, da die Entschädigungen nicht ausreichten, um die baufälligen Behausungen instand zu setzen. Auch würden aufgrund katastrophaler hygienischer Bedingungen immer mehr Menschen krank. Die Betreiber des Staudammprojektes und die Regierung hatten den Ureinwohnern ein besseres Leben und sichere Arbeitsplätze versprochen, doch die meisten sind inzwischen verarmt und entwurzelt. Pläne zum Bau des gigantischen Bakun-Staudamm gibt es bereits seit Anfang der 80er Jahre. 1,5 Millionen Hektar Urwald werden für den Bau der 205 Meter hohen Staumauer und des Staubeckens zerstört werden. Ein Gebiet von der Größe des Stadtstaates Singapur soll überflutet werden, um ein Kraftwerk zu speisen, das 2.400 Megawatt Strom für Sarawak produzieren soll. Ursprünglich sollte auch das Festland über Unterseekabel mit Strom versorgt werden. Darauf soll nun verzichtet werden.

Malaysische Umweltschützer und Menschenrechtler laufen seit Jahren Sturm gegen das Mega-Projekt, da es die Lebensgrundlage Zehntausender Ureinwohner zerstört und den ohnehin schon besorgniserregenden Kahlschlag in den Regenwäldern Sarawaks weiter verstärkt. Das Projekt sei größenwahnsinnig und den Bedürfnissen der Provinz nicht angepasst, kritisieren die Umweltschützer. Im übrigen sei die Bevölkerung nicht an der Planung des Projekts ausreichend beteiligt worden. Die Arbeiten an diesem ehrgeizigen 8,5 Milliarden DM teuren Projekt wurden schon mehrfach unterbrochen. Im Juni 1996 verfügte der Hohe Gerichtshof Malaysias auf Antrag einiger Ureinwohner einen Baustopp wegen Verletzung von Umweltschutzbestimmungen, der von der Berufungsinstanz jedoch wieder aufgehoben wurde. Am 4. September1997 gab Malaysias Premierminister erneut die Einstellung der Bauarbeiten bekannt. Grund war die Wirtschaftskrise in Südostasien. Doch die malaysische Regierung hält unbeirrt an dem Prestigeprojekt fest. Malaysias Energieminister Leo Moggie verkündete zuletzt im Februar 2001, der Bau des Staudammes werde nun doch fortgesetzt. Obwohl das Wasserkraftwerk nur noch Strom für Borneo produzieren soll, wollen die Betreiber an den gigantischen Ausmaßen des Staudammes festhalten.

Im Jahr 2007 soll der Bakun-Staudamm fertiggestellt sein. Doch Malaysias Regierung setzt nicht nur in Sarawak auf Großstaudämme. Auch in dem Bundesstaat Selangor auf dem malaysischen Festland entsteht zur Zeit ein solches Megaprojekt. Der Selangor - Damm soll die Wasserversorgung in dieser am dichtesten besiedelten Region des Landes verbessern. Engpässe sind jedoch hausgemacht, denn die bestehenden Wasserleitungen werden schlecht gewartet und sind an vielen Stellen undicht. Doch solche Argumente werden von der malaysischen Industrie ignoriert. Sie ist an immer neuen Großaufträgen interessiert, die kurzzeitige Beschäftigung für die krisengeschüttelte Baubranche versprechen. 300 Angehörige der Orang Asli-Ureinwohner müssen nun das Land ihrer Ahnen verlassen, weil es vom Stausee überflutet werden soll. Vergeblich kritisieren sie, dass das ihnen als Entschädigung zugesprochene Land sich nicht zum Anbau von Nahrung eignet. Die ihnen zugewiesenen Häuser seien baufällig, und ihnen drohe weitere Verarmung.


Siehe auch:
* www.gfbv.it:
Die Wächter der Wälder: "Unsere Zukunft ist eure Zukunft" (www.gfbv.it/3dossier/klima/indexklima.html)
- Land unter Wasser: Die Vinschger Erfahrungen mit dem "nationalen Interesse" >>>
- Dighe e genocidio: Il caso Vajont: una calamità artificiale >>>
- Wasser-Strom: Das Ende der Ölzeit >>>
- Eingedämmte Umwelt >>>
- Staudämme gegen die Wächter der Erde >>>
- Flüsse wieder renaturieren >>>
- Adivasi - indische Stammesvölker >>>
- Der Überlebenskampf der Adivasi >>>
- Staudämme am Narmada-Fluss >>>
- Indiens größtes Staudamm-Projekt >>>
- IWF und Weltbank >>>
- Die Richtlinie OD 4.20 >>>
- Lieber ertrinken als weggehen >>>
- Adivasi gegen den Staudamm >>>
- Neue Hoffnung auf Selbstbestimmung >>>

- Grandi dighe, diritti dei popoli e dell'ambiente: I casi di Yacyretà, Chioxy, Katse, ... >>>

* www:
ILISU
>>> - The Ilisu dam project (Foto, Link)
>>> - TURCHIA: Una diga contro Maometto
>>> - Web site of the Campaigne Ilisu (by Kurdish Human Rights Project, The CornerHouse, Friends of the Earth and Mark Thomas.)
>>> - The CornerHouse
>>> - Mark Thomas' Ilisu page
>>> - Kurdish Media
>>> - Save Hasankeyf
>>> - Friends of the Earth UK
>>> - Berne Declaration, Ilisu campaign, Switzerland
>>> - HERMES campaign, Germany
>>> - Friends of the Earth US
>>> - International Rivers Network
>>> - Environmental Defense, US
>>> - Export Credit campaign - ECA-Watch
>>> - Friends of the Earth, Sweden
>>> - Kurdistan Web
>>> - ERN European River Network "Ilisu campaign"
>>> - UK Export Credit Guarantee Department web-site
>>> - Kurdistan Web Database - Environment, Dams

>>> - Mammutkraftwerke (Ilisu, Bujagali-Staudamm in Uganda, Drei-Schluchten-Projekt in China)
>>> - Progetto PPP in Messico
>>> - Del diritto alla buona acqua (Fond. Franceschi)

Letzte Aktual.: 13.7.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/h2o/wasser.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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