Das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser, unverzichtbar für das Überleben des Menschen, gerät zunehmend in Gefahr. Die Möglichkeit, Wasser durch Staudämme zu kanalisieren und damit im Erstfall anderen Nutzern vorzuenthalten, ist längst zu einem Machtfaktor geworden. Die GfbV zeigt in diesem Dossier die katastrophalen Folgen dieses Mechanismus für ethnische und religiöse Minderheiten oder Ureinwohnervölker (Indigene Völker) auf, die durch ökologisch und wirtschaftlich oft fragwürdige Staudammprojekte vertrieben werden. Vertreibung bedeutet für sie in der Regel den Untergang als eigenständige ethnische Gruppe durch Verlust von Land, Lebensweise und Kultur.
Zwangsumsiedlungen und andere schwerwiegende
Menschenrechtsverletzungen sind beim Bau von
Großstaudämmen alltäglich. Für viele
Ureinwohner und Angehörige ethnischer Minderheiten bedeutet
die überflutung ihres Landes nicht nur den Verlust ihrer
Häuser, sondern die Zerstörung ihrer traditionellen
Lebensweise, ihrer Kultur und Identität. 45.000
Staudämme wurden in den letzten 50 Jahren weltweit
errichtet. Mindestens 30 Millionen Ureinwohner wurden für
ihren Bau vertrieben. Meist wurden die Folgen der
Großprojekte für die Urbevölkerung bei der
Planung der Projekte nicht berücksichtigt.
Die Betroffenen wurden enteignet, Entschädigungszahlungen
verweigert. Doch selbst wenn Schadensersatz geleistet wird, kann
dies den Verlust der traditionellen Lebensweise und die
Vernichtung bedeutender Kulturgüter der Urbevölkerung
nicht ersetzen. Im November 2000 veröffentlichte die auf
Initiative von Weltbank und Umweltschutzorganisationen
entstandene Weltstaudamm-Kommission einen bahnbrechenden Bericht,
in dem die ökologischen und sozialen Folgen des Baus von
Großstaudämmen umfassend dokumentiert und zahlreiche
tiefgreifende Reformen bei der Planung und Umsetzung von
Bewässerungs- und Energieprojekten angemahnt werden. So
müsse der konkrete Energiebedarf zunächst von
unabhängigen Experten ermittelt werden, empfahl die
Kommission.
Zu häufig würden Staudämme überdimensioniert
geplant, da es an realistischen Bedarfsanalysen fehle. Auch
müsse zunächst in Absprache mit der betroffenen
Bevölkerung geklärt werden, ob es nicht im konkreten
Fall Alternativen zum Bau eines Großstaudammes gebe, die
Umwelt und Menschen weniger beeinträchtigten. Der Bau sollte
erst beschlossen werden, wenn alle Betroffenen ihre Zustimmung
erteilt hätten. Auch sollten die Behörden die Vergabe
der Baugenehmigung zeitlich begrenzen und darauf dringen, dass
sich der Bauträger dazu verpflichtet, konkrete soziale und
ökologische Vorgaben zu erfüllen.
In zweieinhalbjähriger Arbeit hatte die Kommission, der 12
unabhängige Experten von Nichtregierungsorganisationen,
Staudammindustrie und Regierungen angehörten, zahllose
Staudammprojekte analysiert. Zwar sichern Staudämme heute 10
Prozent der Nahrungsproduktion und 20 Prozent der
Energiegewinnung in der Welt, gravierend sind jedoch die von
ihnen verursachten Eingriffe in das Leben der Menschen, die ihnen
weichen müssen.
Deutsche Unternehmen wie Siemens und Lahmeyer (und weitere
europäische Unternehmen) sind am Bau von
Großstaudämmen in aller Welt beteiligt. Auch sie
beteiligten sich u.a. finanziell an der Arbeit der
Weltstaudamm-Kommission. Entscheidend für den Erfolg der
Kommission wird sein, ob Industrie und Regierungen die
detaillierten Empfehlungen des Expertenteams aufgreifen. Die
deutsche Bundesregierung ging mit schlechtem Beispiel voran, als
sie bei der Reform der sogenannten Hermes-Bürgschaften im
Mai 2001 die kompetenten Empfehlungen der Weltstaudamm-Kommission
komplett ignorierte und die Arbeit des Expertenteams gar nicht
erst erwähnte. Dabei hatte auch die Bundesregierung die
Arbeit der Kommission kofinanziert.
Im Sudan wird schon heute Krieg um Wasser geführt. Rund
2,9 Millionen Südsudanesen sind seit 1955 Hunger, Krieg und
schwersten Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen. Neben
zahlreichen politischen, ethnischen, religiösen und
wirtschaftlichen Ursachen liegt diesem Krieg auch ein Machtkampf
um die Kontrolle der Ölfelder und des Nilwassers zugrunde.
Dass er bereits seit 33 Jahren andauert, ist unter anderem auf
die Einflussnahme des Nachbarstaates Ägypten
zurückzuführen.
Ägypten will sich einen möglichst großen Anteil
am Nilwasser sichern. Deshalb hat es kein Interesse an einem
Frieden im Sudan, der es dem Land ermöglichen würde,
durch Staudämme und Bewässerungsanlagen mehr Nilwasser
zu verbrauchen als derzeit. Mehr denn je ist das Wüstenland
Ägypten, dessen Bevölkerung kontinuierlich wächst,
auf das Wasser des Nils angewiesen, der aus dem Sudan und aus
Äthiopien ins Land strömt.
Äthiopien plant zwölf Bewässerungsprojekte, die
mehr als sechs Milliarden Kubikmeter Wasser verbrauchen werden.
Einen Nutzungsvertrag mit den Nachbarn hat es nicht
abgeschlossen. Dies sorgte in Ägypten bereits für
große Unruhe. Als dann aber auch die sudanesische Regierung
am 2. November 2001 den Bau eines 4,5 Milliarden DM teuren
Staudamms ankündigte, der mit Unterstützung der
arabischen Emirate in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt
Khartum gebaut werden soll, herrschte in Kairo helle
Aufregung.
Dieser Merowe - Staudamm soll vor allem der Energieerzeugung und
der Bewässerung der Felder dienen. Als Ägypten und der
Sudan noch unter gemeinsamer britischer Kolonialverwaltung
standen, schlossen sie 1929 einen Vertrag, der dem Sudan das
Recht auf jährlich vier Milliarden Kubikmeter und
Ägypten das Recht auf 48 Milliarden Kubikmeter Nilwasser
zuteilte. Ein Anschlussabkommen erhöhte 1959 die Quote
für den Sudan auf 18,5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr
und für Ägypten auf 55,5 Milliarden Kubikmeter.
Ägypten müsste jedoch weitere 22 Milliarden Kubikmeter
abschöpfen können, um den stetg wacsendn Bedarf der
Landwirtschaft und der immer größeren Zahl von
Bürgern zu decken.
Der Sudan fordert dagegen eine Korrektur der ungleichen
Wasserverteilung zu seinen Gunsten. Vom Jonglei-Kanal im
Südsudan hatten sich in den 1980er Jahren die Regierungen
beider Staaten eine Entspannung ihres jeweiligen Wassernotstands
versprochen. Der 380 Kilometer lange Kanal sollte den Fluss Bahr
El Jebel mit dem Weißen Nil verbinden und dabei ein
riesiges Sumpfgebiet trockenlegen, den Sudd. Die Bauarbeiten
liegen jedoch seit Wiederaufflammen des Krieges im Südsudan
1983 auf Eis. Die meisten Südsudanesen lehnen den Kanalbau
ab, da die Trockenlegung des Sudd unabsehbare ökologische
Folgen hätte und in erster -Linie dem Norden des Sudan
zugute käme. Der Völkermord im Südsudan wird durch
den Kampf um die Wasserader Nil verlängert. Ägypten
weigert sich beharrlich, den Südsudanesen ein Recht auf
Selbstbestimmung einzuräumen. Zu groß ist in Kairo die
Angst, ein autonomer Südsudan könnte noch mehr
Nilwasser abzweigen, bevor der Fluss Ägypten erreicht. Ein
durch Krieg zerrissener Sudan erscheint der ägyptischen
Führung allemal sympathischer als ein gestärkter und
befriedeter Nachbarstaat, der ein Ende der diskriminierenden
Wasserverteilung durchsetzen könnte. So entwickelt
Ägypten immer neue "Friedensinitiativen", deren Zweck vor
allem darin besteht, Zeit zu gewinnen und den status quo im
Südsudan aufrechtzuerhalten.
Der Streit um das Nil-Wasser wird inzwischen auch von
europäischen Staaten immer ernster genommen. So lud das
deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit die zuständigen Minister der
Nil-Anrainerstaaten zu einem Besuch Deutschlands ein, um die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Rhein kennen zu
lernen. Doch während man sich in Europa um den Aufbau von
Vertrauen zwischen den Konfliktparteien bemüht, geht das
Sterben im Südsudan weitgehend unbeachtet von der
Weltöffentlichkeit weiter.
Mit einem besonderen Gastgeschenk wartete Bundeskanzler
Gerhard Schröder auf, als er am 29. Oktober 2001 zu einem
Besuch in Indien eintraf. Um Indiens wachsender Kritik an der
Unterstützung des Erzrivalen Pakistan in der globalen
Antiterror-Koalition zu begegnen, hatte sich der Kanzler
höchstpersönlich für die Gewährung einer von
Siemens beantragten Hermes-Bürgschaft für den
Tehri-Staudamm eingesetzt. Dabei ist das Projekt gemessen an den
selbstgestellten Ansprüche der rot-grünen Regierung an
ökologische und soziale Standards für die Vergabe von
Hermesbürgschaften keineswegs förderungswürdig.
Indiens Regierung sieht sich durch die Bürgschaft
bestärkt, nun auch den Bau weiterer Staudämme am
Narmada-Fluss voranzutreiben, für den Hunderttausende
Adivasi-Ureinwohner vertrieben werden.
Vor 25 Jahren wurde bereits mit der Planung des Tehri-Staudammes,
der vor allem der Energiegewinnung durch Wasserkraft dienen soll,
begonnen. Inzwischen ist die Staumauer im Tal des
Bhagirathi-Flusses im indischen Himalaja zur Hälfte
fertiggestellt. Mit 260 Metern Höhe soll es der
fünfthöchste Staudamm der Erde werden. Für das
gigantische Projekt müssen rund 100.000 Menschen umgesiedelt
werden. In wenigen Tagen soll die Stadt Tehri geflutet werden,
die mit ihren alten Gebäuden kulturhistorisch bedeutend ist.
Zehntausend Bewohner Tehris harren trotz der unmittelbar
bevorstehenden Flutung noch immer in ihren Häusern aus, da
die Behörden ihnen keine neuen Wohnungen zugewiesen haben.
Mit der Stadt werden auch 27.000 Hektar fruchtbares Ackerland und
107 Dörfer in den Fluten versinken. Den Menschen, die ihre
Häuser nicht freiwillig verlassen wollen, droht die
Zwangsumsiedlung. Verbittert kritisieren viele von ihnen, dass
die von den Behörden versprochene finanzielle
Entschädigung im korrupten Verwaltungsapparat versickert.
Fast täglich protestieren die von der Zwangsräumung
bedrohten Dorfbewohner friedlich gegen das Megaprojekt.
Ende März 2001 besetzten sie den Bauplatz und wurden durch
Polizeikräfte geräumt. Mehr als 80 Demonstranten wurden
verhaftet. Auch die Wiederbesetzung des Geländes am 24.
April wurde mit brutaler Polizeigewalt beendet. Weitere 50
Demonstranten wurden festgenommen, ein Versammlungsverbot
für Gruppen mit mehr als vier Personen wurde verhängt.
Proteste hagelte es nicht nur von den Umsiedlern. Schon 1996
begann der bekannte indische Menschenrechtler Sunderlal Bahuguna
mit einem unbefristeten Hungerstreik. Um den Träger des
Alternativen Nobelpreises und Weggefährten Mahatma Gandhis
nach 74 Tagen zur Aufgabe des Fastens zu bewegen, sagte die
Regierung damals eine umfassende Überprüfung des
Projekts zu, und trieb es weiterhin rücksichtslos
voran.
Der Staudamm-Bau verstößt nicht nur gegen grundlegende
Menschenrechte, weil Bewohner der Flussregion willkürlich
vertrieben werden. Auch die Sicherheit des Dammes und sein
wirtschaftlicher Nutzen werden von Kritikern bezweifelt. So wird
das Projekt in einer Erdbebenregion errichtet. Kritiker rechnen
damit, dass die Staumauer einem Erdbeben der Stärke 8 auf
der Richter-Skala, das in dieser Region nicht selten ist, nicht
standhalten wird. Ein Bruch der Staumauer könnte den Tod von
bis zu zehn Millionen Menschen verursachen. Bei allen
Berechnungen wurde zudem von zu hohen Niederschlagswerten
ausgegangen und die katastrophalen Folgen von
Sedimentablagerungen in dem Staubecken wurden unterschätzt.
Trotz dieser menschenrechtlichen, sozialen, ökologischen und
wirtschaftlichen Bedenken wird der Bau des Tehri-Staudammes mit
Hermes-Bürgschaften von der deutschen Bundesregierung
abgesichert. Dabei hatte die rot-grüne Bundesregierung bei
ihrer Machtübernahme eine Reform der massiv kritisierten
Hermes-Bürgschaften angekündigt. Doch das Ergebnis des
Reformprozesses ist kläglich.
Mit immer massiveren Methoden versuchen Indiens Behörden
die Kritiker der umstrittenen Staudammprojekte am Narmada Fluss
in Zentralindien mundtot zu machen. So wurde jüngst in einem
Memorandum ein Verbot der Bewegung "Rettet die Narmada"
gefordert. Der bekannten indischen Schriftstellerin und
Narmada-Kritikerin Arundhati Roy wurde wegen Teilnahme an einer
unerlaubten Demonstration der Prozess gemacht, und
ausländische Unterstützer der friedlichen
Protestbewegung werden des Landes verwiesen. Doch die zunehmende
Repression wird die Proteste nicht stoppen können, denn kaum
ein Thema weckt unter Indiens Adivasi - Urbevölkerung und
Umweltschützern so viele Emotionen. Gigantisch sind die
Pläne der indischen Regierung: Am Narmada Fluss sollen 30
große, 135 mittelgroße und 3.000 kleine
Staudämme gebaut werden, um Energie zu gewinnen und Felder
zu bewässern. Sechs größere Dämme wurden
trotz der Proteste der Bevölkerung schon
fertiggestellt.
Seit 1985 leistet die Bewegung "Rettet die Narmada" Widerstand
gegen das Megaprojekt. Mit Fastenaktionen, Sitzblockaden,
Petitionen, Gerichtsverfahren und zahllosen öffentlichen
Protesten engagiert sich die Bewegung mit Erfolg gegen das
Megaprojekt. So zogen sich ausländische Unternehmen aufgrund
der Proteste, mangelhafter Umweltschutzbestimmungen und
finanzieller Verluste als Investoren zurück. Exportkredite
westlicher Staaten wurden verweigert. Doch die Vertreibung von
mehr als 100.000 Adivasi konnte die Protestbewegung nicht
verhindern. In Indien gibt es bereits mehr als 4.000 große
Staudämme. Mindestens 30 Millionen Menschen wurden für
ihren Bau in den letzten 50 Jahren umgesiedelt, 40% der
Zwangsumgesiedelten waren Adivasi (Ureinwohner). Weniger als die
Hälfte aller Vertriebenen bekam für die
Wiederansiedlung Hilfe vom indischen Staat.
Die von Experten in aller Welt geforderte Beteiligung der
betroffenen Bevölkerung an der Planung von
Großprojekten ist in Indien noch immer ein Fremdwort. Den
Betroffenen wird sogar jede Information über die
nächsten Bauabschnitte bewusst vorenthalten. Besonders
umstritten sind der Sardar Sarovar und der Maheswar Staudamm. 245
Dörfer und 37.700 Hektar Land werden für den Sardar
Sarovar Staudamm geflutet. 200.000 Menschen - unter ihnen 110.000
Ureinwohner werden vertrieben, weil ihre Heimat in dem 214
Kilometer langen Stausee verschwinden soll. Mit den Bauarbeiten
wurde schon 1987 begonnen. 1995 stoppte der Oberste Gerichtshof
vorübergehend das Projekt, doch seit dem 18. Oktober 2000
darf wieder gebaut werden. Der kleinere Maheshwar Staudamm ist
der erste von privaten Investoren auf eigene Rechnung errichtete
Staudamm in Indien. 5.700 Hektar Land und 61 Dörfer soll der
Stausee überfluten. Mit dem Bau des Dammes wurde 1996
begonnen. 40.000 Kleinbauern und Fischer sollen umgesiedelt
werden. Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen seien zu
befürchten, hieß es kritisch in einem im Juni 2000
veröffentlichten Gutachten des deutschen Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Siemens und die Hypo
Vereinsbank zogen daraufhin ihren Antrag auf eine Hermes
Bürgschaft im August 2000 zurück. Doch Siemens will
auch weiterhin Turbinen für den umstrittenen Staudamm
liefern.
Als der britische Baukonzern Balfour Beatty sich
am 13. November 2001 aus dem Ilisu Staudammprojekt in
Türkisch - Kurdistan zurückzog, feierten
Umweltschützer und Menschenrechtler dies als großen
Durchbruch. Der seit 1954 geplante Staudamm ist Teil des riesigen
Südostanatolien-Projektes (Güney Anadolu Projesi, GAP),
in dessen Rahmen Dutzende Staudämme an den Flüssen
Euphrat und Tigris zur Bewässerung und Energiegewinnung
gebaut werden sollen. Mit einem Auftragsvolumen von mehr als 630
Millionen DM gehörte das britische Unternehmen zu den
großen Partnern der türkischen Investoren. Seit Jahren
gibt es in Großbritannien Streit um die Vergabe von
Exportkrediten für das umstrittene Projekt.
Nachdem eine
Umweltverträglichkeitsprüfung im Juli 2001 zu
verheerenden Ergebnissen geführt hatte, kam Balfour Beatty
mit seinem Rückzug einer Ablehnung der Exportkredite durch
die britische Regierung zuvor. Auch die italienische
Ingenieurfirma Impreglio zog sich im November 2001 aus dem
Projekt zurück. Bereits im September 2000 hatte der
schwedische Konzern Skanska seine Mitarbeit aufgekündigt.
Nun sind es vor allem noch türkische Firmen, die den Bau
weiter vorantreiben. Die türkische Regierung verspricht sich
aufgrund ihres Engagements in der Antiterror-Koalition nun ein
Entgegenkommen westlicher Staaten bei der Vergabe von
Exportgarantien.
Hoffnungen setzt sie dabei auch auf eine Hermes-Bürgschaft
der Bundesregierung in Berlin. Angesichts massiver
Menschenrechtsverletzungen, schwerwiegender ökologischer und
sicherheitspolitischer Bedenken, der drohenden Zerstörung
von Kulturgütern unschätzbaren Wertes und der
mangelnden Beteiligung der betroffenen kurdischen
Bevölkerung an der Planung des Projekts wäre die
Gewährung einer Hermes-Bürgschaft jedoch
unverantwortlich. Beantragt wurde sie von der Sulzer Hydro in
Ravensburg, der deutschen Niederlassung des gleichnamigen
Schweizer Konzerns, der weltweit im Bau von Staudämmen
engagiert ist. Seit 1997 ist das Schweizer Unternehmen der
maßgebliche Auftragnehmer für die Bauarbeiten am
Ilisu-Damm.
Die Sulzer Hydro ihrerseits ist eine Tochterfirma
der österreichischen Voest Alpine Technologie AG, die im
gesamten GAP-Projekt sehr stark engagiert ist. Der Ilisu-Staudamm
wird am Tigris gebaut und in frühestens acht Jahren fertig
sein. Die Staumauer wird 1.820 Meter lang und 135 Meter hoch
werden. Ein 313 Quadratkilometer großes Gebiet, in dem
unter anderem weite Teile der archäologisch und
kulturhistorisch außerordentlich bedeutsamen kurdischen
Stadt Hasankeyf liegen, soll überflutet werden. 101
Städte und Dörfer werden teilweise, 82 weitere
vollkommen im Stausee verschwinden. Bereits geräumt wurden
88 Dörfer und Städte, in denen 15.581 Menschen lebten.
Die enteigneten und umgesiedelten kurdischen Kleinbauern warten
noch immer auf eine angemessene Entschädigung. 43.733
Menschen leben in den übrigen 95 Siedlungen, die noch nicht
zerstört wurden. Somit sind 60.000 Kurden unmittelbar von
dem Großprojekt betroffen. Einmütig lehnen die Kurden
das Mega-Vorhaben ab.
Zu wach ist die Erinnerung an die Zerstörung von 3.428
kurdischen Dörfern durch türkische
Sicherheitskräfte in den 1990er Jahren. Im Zuge der
Bekämpfung der terroristischen Kurdischen Arbeiterpartei
(PKK) hatten Armee und Polizei eine Politik der verbrannten Erde
in den ländlichen Gebieten Kurdistans betrieben. Bis heute
weigern sich die Behörden, den Wiederaufbau der systematisch
zerstörten Dörfer in die Wege zu leiten. Angesichts
dieser Vertreibungsverbrechen und der massiven
Menschenrechtsverletzungen misstrauen die Kurden den vollmundigen
Versprechungen der türkischen Behörden, nun alle
Maßnahmen in enger Absprache mit den Betroffenen zu planen
und durchzuführen. Das Misstrauen ist nur allzu berechtigt.
Seit die Regierung 1982 den Bau des Ilisu-Staudamms beschlossen
hat, lässt sie die Betroffenen im Unklaren über
Ausmaß und Fortgang der Arbeiten. Nur aufgrund des Druckes
der Exportkreditversicherungen wird nun wenigstens an einem
Umsiedlungsplan gearbeitet. Auch die sicherheitspolitischen
Risiken sind gravierend. Die Regierungen Syriens und des Irak,
deren Grenzen nur 65 Kilometer entfernt sind, haben bereits ihren
entschiedenen Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt.
Beide Staaten befürchten, dass die Türkei zuviel Wasser
am Oberlauf der Flüsse Euphrat und Tigris abzapfen wird und
sowohl die Quantität als auch die Qualität des
Wasserzuflusses in ihre Länder leiden werden.
So droht der Staudamm neue Konflikte in einem äußerst
sensiblen Gebiet des Nahem Ostens herauf zu beschwören. Dies
kann der internationalen Staatengemeinschaft nicht
gleichgültig sein. Ein Krieg um Wasser würde die
Bemühungen um Frieden in der umkämpften Region weiter
beeinträchtigen. Bislang weigert sich die Türkei, die
Konvention der Vereinten Nationen über die Nutzung
nicht-schiffbarer grenzüberschreitender Gewässer zu
unterzeichnen, die ausführliche Konsultationen bei allen
Baumaßnahmen vorsieht, von denen Nachbarstaaten betroffen
sind. Unabsehbar sind die ökologischen Folgen des Projekts.
So ist unklar, ob die Betreiber aufgrund der zu erwartenden
starken Sedimentablagerungen im Stausee eine
Mindestdurchflussmenge an Wasser garantieren können. Schon
nach einigen Jahren dürften diese auch den Umfang der
geplanten Energieproduktion beeinträchtigen. Noch ist
ungewiss, ob die oberhalb und unterhalb des Damms geplanten
Kläranlagen auch tatsächlich gebaut werden. Selbst wenn
dies der Fall sein sollte, so bleibt fraglich, ob sie in ihrer
Kapazität ausreichen werden, um das Flusswasser für die
Verbraucher unterhalb der Dämme, die ohnehin mit deutlich
weniger Wasseraufkommen rechnen müssen, zu reinigen.
Für den Energieexport nach Thailand will Burmas
Militärregierung einen Großstaudamm bauen, für
den Tausende Angehörige der Shan umgesiedelt werden sollen.
Der Tasang Staudamm soll am Fluss Salween im zentralen Shan
Bundesstaat entstehen. Teile des Gebietes sind bereits
entvölkert. Systematisch hat die Militärdiktatur weite
Teile des Shan Staates "geräumt", um die Freiheitsbewegung
der Shan zu bekämpfen und Platz zu schaffen für die
Entwicklung neuer Wirtschaftszonen. Mehr als 100.000 Menschen
wurden bereits zwangsumgesiedelt. Seit die Regierung des
Vielvölkerstaates Burma 1948 den Aufbau eines föderalen
Systems ablehnte, herrscht nicht nur in der Heimat der Shan
sondern auch in vielen anderen Nationalitäten-Regionen
Burmas Krieg. Noch ist der Tasang Damm im Planungsstadium. Mehr
als sechs Milliarden DM soll der Bau der 188 Meter hohen
Staumauer und des 640 Quadratkilometer großen Stausees
kosten. Tausende Shan sollen für das Megaprojekt noch
zwangsumgesiedelt werden.
Bereits 1991 führten japanische Konsultingfirmen erste
Machbarkeitsstudien durch. Interesse an einer Einfuhr von Energie
aus dem Nachbarland zeigt bereits die Greater Mekong Subregion
Power Co. Ltd. (GMS) aus Thailand. Ein Finanzierungsplan und eine
Umweltverträglichkeitsstudie wurden in Auftrag gegeben. Das
Militärregime hatte sich bereits 1989 mit dem späteren
thailändischen Innenminister General Chavalit auf den Bau
von mehreren Staudämmen zur Energiegewinnung
verständigt. Doch die betroffene Bevölkerung wurde in
keiner Weise in die Planung miteinbezogen. Der Bau des Staudammes
hätte katastrophale Folgen für die Umwelt und die
lokale Bevölkerung. Den gewaltigen Wassermassen müssten
nicht nur Wälder, fruchtbare Böden und
Rückzugsgebiete für Tiere weichen, sondern auch
Tausende Shan, die an den Ufern des Salween von traditioneller
Landwirtschaft, Jagd, Fischfang und dem Sammeln von Nahrung
leben. Die Menschen würden ihre wichtigste
Kommunikationsmöglichkeit einbüßen, wenn die
Wasserstraße nicht mehr durchgängig befahrbar
wäre.
Nach allen Erfahrungen mit dem Militärregime müssen die
Shan mit Zwangsarbeit, Enteignungen und Deportationen rechnen.
Regierungen in aller Welt verhängten aufgrund des
systematischen Einsatzes von Zwangsarbeit und anderen schweren
Menschenrechtsverletzungen Sanktionen gegen Burma. Das Muster
für die Zwangsumsiedlungen ist in Burma immer gleich. Dem
Dorfältesten wird eine schriftliche
Ausweisungsverfügung überbracht. Darin wird die
Bevölkerung aufgefordert, das Dorf zu einem bestimmten
Zeitpunkt zu verlassen und sich in eine neue Siedlung zu begeben,
die meist in der Nähe eines Militärstützpunktes
liegt.
Jeder Shan, der nach Ablauf des Ultimatums in seinem Heimatdorf
angetroffen wird, wird festgenommen oder erschossen.
Nahrungsmittel und das persönliche Eigentum der
Vertriebenen, das nicht mitgenommen werden kann, werden
beschlagnahmt oder vernichtet. Die Shan haben unter allen
Völkern Burmas besonders hart unter den Gräueltaten der
Militärjunta zu leiden. Der geplante Bau des Tasang
Staudammes würde die jahrzehntelange Verfolgung nochmals
eskalieren lassen.Wenn die internationale Staatengemeinschaft es
mit ihren Sanktionen gegen das Pariah-Regime in Rangoon ernst
meint, dann sollte sie jede Unterstützung dieser
menschenverachtenden Politik unterlassen.
Rund 9.000 Ureinwohner im malaysischen Teil der Insel Borneo
(Sarawak) wurden im September 1999 umgesiedelt. Ihre Dörfer
sollen für den gigantischen Bakun Staudamm überflutet
werden. Sie gehören den Völkern der Penan, Ukit, Kayan,
Lahanan und Kenyah an. Die meisten von ihnen wurden 30 Kilometer
vom künftigen Stausee entfernt wieder angesiedelt. Aber noch
wehren sich mehrere hundert Bewohner ihre Langhäuser zu
verlassen. Bereits Umgesiedelte klagen über unzureichende
Entschädigungen und unzählige Probleme mit ihren neuen
Häusern. Sie seien schlampig gebaut und zu
überhöhten Preisen verkauft worden.
Viele Umsiedler seien inzwischen verschuldet, da die
Entschädigungen nicht ausreichten, um die baufälligen
Behausungen instand zu setzen. Auch würden aufgrund
katastrophaler hygienischer Bedingungen immer mehr Menschen
krank. Die Betreiber des Staudammprojektes und die Regierung
hatten den Ureinwohnern ein besseres Leben und sichere
Arbeitsplätze versprochen, doch die meisten sind inzwischen
verarmt und entwurzelt. Pläne zum Bau des gigantischen
Bakun-Staudamm gibt es bereits seit Anfang der 80er Jahre. 1,5
Millionen Hektar Urwald werden für den Bau der 205 Meter
hohen Staumauer und des Staubeckens zerstört werden. Ein
Gebiet von der Größe des Stadtstaates Singapur soll
überflutet werden, um ein Kraftwerk zu speisen, das 2.400
Megawatt Strom für Sarawak produzieren soll.
Ursprünglich sollte auch das Festland über
Unterseekabel mit Strom versorgt werden. Darauf soll nun
verzichtet werden.
Malaysische Umweltschützer und Menschenrechtler laufen seit
Jahren Sturm gegen das Mega-Projekt, da es die Lebensgrundlage
Zehntausender Ureinwohner zerstört und den ohnehin schon
besorgniserregenden Kahlschlag in den Regenwäldern Sarawaks
weiter verstärkt. Das Projekt sei
größenwahnsinnig und den Bedürfnissen der Provinz
nicht angepasst, kritisieren die Umweltschützer. Im
übrigen sei die Bevölkerung nicht an der Planung des
Projekts ausreichend beteiligt worden. Die Arbeiten an diesem
ehrgeizigen 8,5 Milliarden DM teuren Projekt wurden schon
mehrfach unterbrochen. Im Juni 1996 verfügte der Hohe
Gerichtshof Malaysias auf Antrag einiger Ureinwohner einen
Baustopp wegen Verletzung von Umweltschutzbestimmungen, der von
der Berufungsinstanz jedoch wieder aufgehoben wurde. Am 4.
September1997 gab Malaysias Premierminister erneut die
Einstellung der Bauarbeiten bekannt. Grund war die
Wirtschaftskrise in Südostasien. Doch die malaysische
Regierung hält unbeirrt an dem Prestigeprojekt fest.
Malaysias Energieminister Leo Moggie verkündete zuletzt im
Februar 2001, der Bau des Staudammes werde nun doch fortgesetzt.
Obwohl das Wasserkraftwerk nur noch Strom für Borneo
produzieren soll, wollen die Betreiber an den gigantischen
Ausmaßen des Staudammes festhalten.
Im Jahr 2007 soll der Bakun-Staudamm fertiggestellt sein. Doch
Malaysias Regierung setzt nicht nur in Sarawak auf
Großstaudämme. Auch in dem Bundesstaat Selangor auf
dem malaysischen Festland entsteht zur Zeit ein solches
Megaprojekt. Der Selangor - Damm soll die Wasserversorgung in
dieser am dichtesten besiedelten Region des Landes verbessern.
Engpässe sind jedoch hausgemacht, denn die bestehenden
Wasserleitungen werden schlecht gewartet und sind an vielen
Stellen undicht. Doch solche Argumente werden von der
malaysischen Industrie ignoriert. Sie ist an immer neuen
Großaufträgen interessiert, die kurzzeitige
Beschäftigung für die krisengeschüttelte
Baubranche versprechen. 300 Angehörige der Orang
Asli-Ureinwohner müssen nun das Land ihrer Ahnen verlassen,
weil es vom Stausee überflutet werden soll. Vergeblich
kritisieren sie, dass das ihnen als Entschädigung
zugesprochene Land sich nicht zum Anbau von Nahrung eignet. Die
ihnen zugewiesenen Häuser seien baufällig, und ihnen
drohe weitere Verarmung.