Bozen, Göttingen, Wien, 30. Dezember 2003
Lieber Herr Wiesenthal,
am morgigen Mittwoch sind die Mitarbeiter der Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) in Gedanken bei Ihnen und
wir alle gratulieren Ihnen zum 95. Geburtstag.
Sie haben die Arbeit unserer Menschenrechtsorganisation fast drei
Jahrzehnte lang begleitet und großherzig unterstützt.
Um nur zwei Ihrer für uns so hilfreichen und wegweisenden
Initiativen für die Menschenrechte bedrohter ethnischer und
religiöser Minderheiten herauszuheben, denke ich an Ihre
Schirmherrschaft - gemeinsam mit der indischen
Ministerpräsidentin Indira Ghandi - über unseren
Kongress für Sinti und Roma 1981 in Göttingen. Dieser
Kongress und die folgende Menschenrechtsarbeit wurden weltweit
zur Kenntnis genommen, setzten die Anerkennung der
Selbstbezeichnung Sinti und Roma durch und bewegten damals den
Bundespräsidenten und den Bundeskanzler zur Anerkennung
dieses Genozids der Nationalsozialisten sowie zu einer
offiziellen Entschuldigung gegenüber den
Überlebenden.
Ebenso konsequent haben Sie sich für die bosnischen Muslime
eingesetzt, als sie Opfer von Genozid und Aggression ihrer beiden
Nachbarländer wurden. Gern haben wir damals - 1993 - an
Ihrer Bosnien- Konferenz in New York teilgenommen. Dankbar waren
wir erneut für Ihre Schirmherrschaft über unseren
Internationalen Genozid-Kongress 1995 in Bonn. Dieser Kongress
mit 150 Fachleuten aus vier Kontinenten hat erstmalig einen
umfassenden Einblick in die Verbrechensgeschichte des
Bosnienkrieges gegeben. Das sind nur zwei von vielen Ihrer
Hilfestellungen, die Sie unserer Menschenrechtsarbeit
gewährten.
Viele Menschen in Deutschland werden heute an Sie denken, weil
Sie Ihre jahrzehntelange Arbeit für Gerechtigkeit, aber auch
für Versöhnung dankbar erinnern.
Mit Dank und ganz herzlichen Grüßen, Ihr
Tilman Zülch, im Namen aller Mitarbeiter der
Gesellschaft für bedrohte Völker, des internationalen
Vorstandes und der Sektionen in Bosnien-Herzegowina, Luxemburg,
Österreich, Südtirol/Italien, der Schweiz und
Deutschland.