Bozen, Göttingen, 31. März 2006
Als "erschreckendes Beispiel dafür, wie Menschenrechte
Militärinteressen untergeordnet werden", hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag die
Entscheidung britischer Behörden bezeichnet, vertriebenen
Ureinwohnern für nur einen Tag die Rückkehr auf die
Chagos-Inseln zu gestatten. Die britische Kolonialregierung hatte
die Urbevölkerung 1966 vertrieben, um dort gemeinsam mit den
USA den Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia einzurichten. Der
Chagos-Archipel umfasst sechs Atolle mit mehr als 600 kleinen
Inseln.
"Es ist skandalös, dass der EU-Staat Großbritannien
die 2.000 Ureinwohner mit allen Mitteln an einer dauerhaften
Rückkehr in ihre Heimat hindert, obwohl das Höchste
Gericht in London im November 2000 die Vertreibung der
Tschagosianer für illegal erklärt hat", kritisierte die
GfbV am Freitag. Nach dem Willen der Behörden des British
Indian Ocean Territory (BIOT) dürfen 100 Ureinwohner nach
mehrjährigen Verhandlungen in der kommenden Woche aus
humanitären Gründen je einen Tag auf drei der Inseln
verbringen. Es werde wahrscheinlich ihr letzter Besuch auf den
Inseln sein, auf denen sie geboren wurden und auf denen ihre
Vorfahren seit dem 18.Jahrhundert lebten. Die Tschagosianer
wehren sich seit mehr als zwanzig Jahren vor britischen Gerichten
gegen ihre Vertreibung, obwohl sie und die Regierung des
benachbarten Inselstaates Mauritius mit 14,5 Millionen Pfund von
Großbritannien entschädigt wurden. Auf Mauritius leben
inzwischen die meisten der Vertriebenen.
Eine dauerhafte Rückkehr müsse nicht automatisch die
Schließung der Militär-Basis Diego Garcia bedeuten, da
der Luftwaffenstützpunkt mehr als einhundert Kilometer von
den Chagos-Inseln entfernt sei und sie seine Sicherheit nicht
gefährdeten, argumentieren die Ureinwohner. Doch London
lehnt jede dauerhafte Rückkehr kategorisch ab. Heute sind in
Diego Garcia vor allem US-Militärs stationiert. Der
Stützpunkt hat nicht nur zentrale Bedeutung bei der
Überwachung der Seewege im Indischen Ozean, sondern auch
für den US-Militäreinsatz im Irak und in Afghanistan.
Im August 2003 wurde bekannt, dass die USA auf Diego Garcia ein
Gefangenenlager nach dem Vorbild von Guantanamo Bay unterhielten
und dort mutmaßlich El-Kaida-Terroristen festhielten.