Bozen, Göttingen, 7. Januar 2005
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Freitag an die indischen Behörden appelliert, möglichst
bald eine Rückkehr des Ureinwohner-Volkes der
Groß-Andamaner auf ihre von der Flutwelle verwüstete
Insel zu ermöglichen. Die 43 überlebenden
Groß-Andamaner, eine der kleinsten ethnischen Gruppen, die
es weltweit gibt, waren in den vergangenen Tagen von der
indischen Armee in die Andamanen-Hauptstadt Port Blair gebracht
worden, nachdem ihr Dorf auf der Insel Strait Island während
der Naturkatastrophe stark beschädigt worden war. "Wenn die
Groß-Andamaner endgültig zu Almosen-Empfängern
der Behörden werden, droht diesem bedrohten Volk der
Untergang", warnte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius.
Die kleine Gruppe der Groß-Andamaner gehört zu den
fünf besonders zurückgezogen lebenden indigenen
Völkern auf den Andamanen und Nikobaren. Vor der Einrichtung
einer Strafkolonie auf den Andamanen Mitte des 19.Jahrhunderts
war diese Negrito-Gruppe mit 5.000 Menschen das größte
Ureinwohner-Volk auf der Inselgruppe. Sie lebten in den
Wäldern, die die britische Kolonialverwaltung systematisch
roden ließ. Auch der größte Teil des Wildes
wurde vernichtet, das für die Ureinwohner von
lebenswichtiger Bedeutung war. Gezielt wurden die
Groß-Andamaner während der Kolonialzeit gejagt,
"eingefangen" und in der Hauptstadt Port Blair unter Hausarrest
gestellt. 150 Kinder wurden so in Gefangenschaft geboren, doch
keines wurde älter als zwei Jahre. Von indischen Siedlern
eingeschleppte Krankheiten trugen mit zur Vernichtung der meisten
Ureinwohner bei. Im Jahr 1970 ordnete die indische Regierung an,
die überlebenden 30 Groß-Andamaner auf der Insel
Strait Island anzusiedeln.
Die Groß-Andamaner leben heute nicht mehr als Nomaden,
sondern sind in einem Dorf auf Strait Island ansässig. Seit
1970 hat ihre Zahl langsam wieder zugenommen. Eine Plantage mit
Kokos-Palmen sowie Jagd und Fischfang sowie Sachleistungen der
indischen Behörden sicherten bislang ihr Überleben.
"Nun droht ihnen nach dieser Umsiedlung noch mehr
Abhängigkeit von staatlicher Hilfe und ein Niedergang ihrer
Identität und Kultur", warnte Delius.