Bozen, Göttingen, 12. September 2007
Die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) hat am Mittwoch (12.09.) während
des "Transatlantischen Dialogs in Erfurt" mit einer Mahnwache vor
dem Augustinerkloster um Unterstützung für den seit 31
Jahren unschuldig inhaftierten schwer kranken indianischen
Bürgerrechtler Leonard Peltier gebeten.
"Wir möchten an das traurige Schicksal dieses Indianers
erinnern, der mit großer Sicherheit längst in Freiheit
wäre, wenn das FBI den Gerichten tatsächlich von Anfang
an alle Beweismittel vorgelegt hätte", begründete die
GfbV ihre Aktion. "Deshalb unterstützen wir die Klage der
Anwälte Peltiers auf Freigabe aller noch immer
zurückgehaltenen Ermittlungsakten. Er ist für viele der
Nelson Mandela der indianischen Bürgerrechtsbewegung. An die
Teilnehmer des Transatlantischen Dialoges appellieren wir, sich
im Namen der Menschlichkeit bei der US-Regierung für die
umgehende Freilassung des Bürgerrechtlers
einzusetzen."
Peltier, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbringen
musste, wird am 12. September 63 Jahre alt. Nach einer
Schießerei zwischen Angehörigen des American Indian
Movement (AIM) und FBI Agenten im Pine Ridge Reservat der Oglala
Lakota -Indianer im US-Bundesstaat Süd Dakota floh Peltier,
einer der Führer des AIM, 1975 nach Kanada. Bei der
Schießerei starben zwei FBI-Agenten. Peltier wurde 1976
verhaftet, aufgrund einer Falschaussage in die USA abgeschoben
und dort 1977 zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt.
Doch die tödlichen Schüsse stammten ballistischen
Untersuchungen zufolge nicht aus seiner Waffe. Eine vermeintliche
Augenzeugin widerrief ihre Aussage, da sie unter Druck des FBI
entstanden war.
Viele Prominente wie Harry Belafonte, Marlon Brando, Nelson
Mandela oder Robert Redford setzten sich ebenso für ihn ein,
wie Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des
Europaparlamentes. Trotzdem wurde das Verfahren bis heute nicht
neu aufgerollt. Richter Gerald Heaney, der in zwei
Berufungsverfahren den Vorsitz führte, bat den damaligen
US-Präsidenten Clinton schriftlich, das Urteil gegen Peltier
aufzuheben. Doch Clinton beugte sich dem Druck des FBI und strich
den Namen des Bürgerrechtlers kurz vor der Amtsübergabe
an George Bush im Januar 2001 wieder von der Liste der
Begnadigungen.
Peltier ist seit einem Schlaganfall, den er im Gefängnis
erlitten hat, auf einem Auge fast erblindet. Er ist an Diabetes
erkrankt, und es besteht der Verdacht auf eine lebensbedrohliche
Krebserkrankung. Wer Peltier unterstützen möchte, kann
sich am Appell der GfbV an Vertreter des
US-Repräsentantenhauses sowie des US-Senates beteiligen oder
dem Bürgerrechtler persönlich schreiben.
Zur Person: Leonard Peltier
Leonard Peltier ist Anishinabe und Dakota/Lakota. Am 12.
September 1944 wurde er in Grand Forks in Nord Dakota/USA
geboren. Während seiner inzwischen 31jährigen Haftzeit
wurde der Verfechter indianischer Menschenrechte zu einem
anerkannten Maler und Schriftsteller. 1986 erlitt er einen
Schlaganfall. Auf dem linken Auge hat er danach 80% der Sehkraft
verloren. Er ist an Diabetes erkrankt, leidet unter hohem
Blutdruck. Nun ist er nach Informationen der Gesellschaft
für bedrohte Völker auch an Krebs erkrankt. Seine
Gefühle in der Haft beschrieb er einmal - frei
übersetzt - so: "Zeit abzusitzen lässt eine irrsinnige
Dunkelheit meiner eigenen Vorstellungskraft entstehen. …
Zeit ist ein Kannibale, der das Fleisch Deiner Jahre verschlingt,
Tag um Tag, Bissen um Bissen." 1999 erschien unter dem Titel
"Prison Writings: My Life is my Sundance" ein autobiografisches
Buch Peltiers, das im selben Jahr unter dem Titel "Mein Leben ist
mein Sonnentanz. Gefängnisaufzeichnungen US-Häftling
Nr. 89637-132" im Verlag Zweitausendeins erschien. Peltier, der
bereits als Amerikas Mandela bezeichnet wurde, wird von der
Gesellschaft für bedrohte Völker, von Amnesty
International und anderen Menschenrechtsorganisationen als
politischer Gefangener betrachtet.
Leonard Peltier war 1975 im Pine Ridge Reservat der Oglala Lakota
in Süd Dakota/USA, als dort im Zuge eine Schießerei
zwei FBI-Agenten und ein junger Indianer zu Tode kamen.
Ausgelöst durch die Besetzung des Ortes Wounded Knee durch
Angehörige des American Indian Movement (AIM) 1973 herrschte
dort eine Atmosphäre von Angst und Gewalt. Peltier
gehörte zu den Führern der Bewegung. Mit Hilfe einer
bewaffneten Schlägertruppe, den Goon Squads, versuchte der
damalige Stammesratsvorsitzende von Pine Ridge, die AIM-Leute aus
dem Reservat zu drängen. Traditionelle Lakota, die in
Opposition zum ihm waren, wurden massiv unter Druck gesetzt, mehr
als 60 bei den Auseinandersetzungen mit den Goon Squads
getötet. Im Juni 1975 kam es dann zu der schicksalhaften
Auseinandersetzung auf dem Gelände der Familie Jumping Bull,
bei der die beiden Agenten aus nächster Nähe erschossen
wurden.
Obwohl nach Angaben des FBI mehr als 40 Indianer an der
Schießerei beteiligt waren, wurden nur die drei
AIM-Mitglieder Bob Robideau, Dino Butler und Leonard Peltier vor
Gericht gestellt. Robideau und Butler wurden freigesprochen, ihre
Beteiligung an dem Schusswechsel als Notwehr gewertet, die
angesichts der damaligen Atmosphäre der Angst gerechtfertigt
gewesen sei. Peltier wurde separat angeklagt und vor ein anderes
Gericht gestellt. Die vermeintliche Augenzeugin Myrtle Poor Bear
widerrief ihre Peltier belastende Aussage als vom FBI erzwungen,
durfte dies in dem Prozess jedoch nicht aussagen. Drei weitere
Zeugen der Anklage zogen später ihre Aussagen als unter
Druck des FBI gemacht zurück. Der Staatsanwalt behauptete,
die Verteidigung habe alle Ermittlungsakten des FBI erhalten.
Tatsächlich prozessieren die Verteidiger um deren restlose
Freigabe bis heute. Ein FBI-Ballistiker brachte in seiner Aussage
eine Geschosshülse, die neben den Leichen gefunden worden
war, in Verbindung mit der Waffe Peltiers. Dabei wurde das
ballistische Gutachten unterschlagen, demzufolge das Geschoss
nicht aus Peltiers Waffe abgefeuert worden war. Die Geschworenen,
denen dies alles nicht bekannt war, verurteilten Peltier zu zwei
aufeinander folgenden lebenslangen Haftstrafen, von denen er die
erste vor sechs Jahren verbüßt hat.
Trotz eingestandener Verfahrensfehler und obwohl die
US-Behörden zugeben, dass sie nicht wissen, wer vor mehr als
30 Jahren die tödlichen Schüsse abgegeben hat, sind
alle Versuche der Anwälte Peltiers, ein neues Verfahren zu
erwirken, bislang gescheitert. Angesichts seiner langen Haftzeit
und der allseits konstatierten guten Führung hätte er
ohnehin schon lange vorzeitig entlassen werden müssen. Die
zuständige Kommission besteht als Voraussetzung aber auf
einem Schuldeingeständnis - für eine Tat, die er nicht
begangen hat.
Protestaktion
FBI muss sämtliche Peltier-Akten
herausgeben!
E-mail an: webmail@feinstein.senate.gov,
John.Conyers@mail.house.gov
Please instruct the FBI to release the files of the
Leonard Peltier case
Dear Senator Dianne Feinstein,
Dear Representative John Conyers,
I appeal to you, to hold congressional hearings on the handling
of Mr. Peltier's FOIA requests. The FBI should be required to
divulge the exact number of documents maintained on Mr. Peltier
and the Field Offices that maintain these records. More
importantly, these documents must be released.
Previously released documents showed repeated instances of FBI
misconduct and forced the government prosecutor to admit that the
government does not know who shot the two FBI agents. The
remaining files may contain evidence that may exculpate Mr.
Peltier. For these reasons, the remaining documents must be
immediately released to the public.
Thank you for you consideration.
Yours Sincerely