Bozen, Göttingen, 29. August 2008
Karte Georgien.
Blutige Minderheitenkonflikte wurden in verschiedenen Teilen
der Welt durch Proporzregelungen, Flüchtlingsrepatriierung,
Autonomiestatute aber auch von Fall zu Fall durch
Eigenstaatlichkeit entschärft oder auf Dauer gelöst.
Der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV), Tilman Zülch, appellierte heute an die
Bundesregierung, die lobenswerte und beispielhafte
Friedensinitiative von Außenminister Frank-Walter
Steinmeier fortzusetzen, der am 18. Juli dieses Jahres der
russischen Regierung einen "Drei-Stufenplan" vorgelegt hatte, der
auch die Rückkehr der georgischen Flüchtlinge nach
Abchasien vorsah.
Ausgelöst durch georgische Minderheitendiskriminierung und
instrumentalisiert durch Russland, hatten die
Unabhängigkeitsbewegungen der Abchasen und Südosseten
Fluchtbewegungen der Georgier in Gang gesetzt. 1989, kurz vor dem
Zerfall der UdSSR, lebten in Abchasien 525.000 Menschen, von
denen nur 93.000 Abchasen waren. Allein die Georgier machten
240.000 Einwohner aus. Andere Nationalitäten bildeten
Armenier mit 77.000, Griechen mit 15.000 und Russen 75.000.
Während des von Russland unterstützten Aufstandes der
Abchasien wurden 1992 die meisten Georgier vertrieben. In der
Hauptstadt Abchasien Suchumi sollen bei den ethnischen
Säuberungen bis zu 7.000 Georgier ermordet worden sein,
darunter die georgischen Mitglieder der Regionalregierung.
In Südossetien lebten 1989 99.000 Menschen, darunter 65.000
Osseten (66,2%), 29.000 Georgier (28,9%), 2.000 Russen (2,1%)
sowie 1.000 Armenier (1%), 400 Juden (0,4%) und 1.200 "Andere"
(1,2%). Während der bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen Südosseten und Georgiern 1991/92 und
schließlich nach dem Angriff georgischer Truppen im August
2008 wurden die meisten Georgier vertrieben oder sie
flüchteten. Der jüngsten georgischen
Militäroffensive sollen hunderte Einwohner der
südossetischen Hauptstadt Zchinwali zum Opfer gefallen sein.
Größere Teile der Stadt wurden zerstört.
Die GfbV schlägt vor, das zurzeit russische Nordossetien
mit dem völkerrechtlich zu Georgien gehörenden
Südossetien zu vereinigen und diese Eigenstaatlichkeit durch
Georgien und Russland garantieren zu lassen. Den nichtossetischen
Nationalitäten, einschließlich der georgischen
Rückkehrer, soll eine Proporzregelung nach Südtiroler
Modell die Gleichberechtigung in Administration und
Öffentlichem Leben garantieren. Abchasien sollte nach
Rückkehr seiner georgischen Mehrheit einen Autonomiestatus
innerhalb Georgiens erhalten. Die Rechte der Nationalitäten
sollten ebenfalls durch eine Proporzregelung garantiert werden.
Die Zahl der Vertriebenen Georgier wird heute auf etwa 250.000
geschätzt.