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Mauretanien

Rückschlag für Anti-Sklaverei-Bewegung

Von Ulrich Delius

Bozen, Göttingen, Mai 2010

Haratin Mädchen. Foto: UN Photo / Jean Pierre Laffont. Haratin Mädchen. Foto: UN Photo / Jean Pierre Laffont.

Als Sidi Ould Cheikh Abdallahi im Jahr 2007 in Mauretanien in demokratischen Wahlen zum Staatspräsidenten gewählt wurde, feierten die Gegner der Sklaverei einen großen Durchbruch. Zwar wurde die Sklaverei in der Islamischen Republik offiziell schon 1980 abgeschafft, doch besteht sie auch heute noch vor allem in ländlichen Gebieten fort. Abdallahi wollte dies nicht länger hinnehmen und den schönen Worten Taten folgen lassen. So erließ er im August 2007 ein Anti-Sklaverei-Gesetz. Auch rehabilitierte er die Gegner der Sklaverei, die zuvor als "Vaterlandsverräter" und "Nestbeschmutzer" diffamiert worden waren. Boubacar Ould Messaoud, der Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "SOS Sklaven", war beispielsweise immer wieder festgenommen worden, nachdem er in Interviews mit ausländischen Medien über die Sklaverei informiert hatte. Messaoud durfte im Jahr 2007 sogar vor dem Parlament sprechen, seine Organisation wurde von den Behörden offiziell anerkannt und bekam einen Sitz in der Nationalen Menschenrechtskommission.

Doch der demokratische Frühling in Mauretanien währte nicht lange. Im August 2008 wurde Präsident Abdallahi von Militärs gestürzt und die politischen Uhren wurden zurückgedreht. Zwar ließ die neue Militärjunta "Wahlen" abhalten, doch deren Vorbereitungen und Verlauf waren äußerst umstritten. Die neue Regierung unter Premierminister Moulaye Ould Mohamed Laghdaf ist für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und schlug in der Sklaverei-Frage den traditionellen Kurs mauretanischer Politik ein. So wird das Sklaverei-Problem weitgehend ignoriert und schöngeredet. Trotz zahlloser Appelle von Menschenrechtsorganisationen sieht das Regime keinen Bedarf für weitere Maßnahmen, um das Verbot der Sklaverei zu unterstützen. Gefordert wird ein Durchführungsgesetz, um die Umsetzung des Anti-Sklaverei-Gesetzes zu vollenden.

Mauretanien Karte. Mauretanien Karte.

Auch auf Mitarbeiter von "SOS Sklaven" gibt es erneut Übergriffe. So wurde Messaoud im April 2009 bei einer Demonstration von Polizisten geschlagen. Sicherheitskräfte versuchten ihn in den Kofferraum eines Autos zu zerren und zu entführen. Gegen einen weiteren Mitarbeiter der Organisation, Biram Ould Dah Ould Abeid, wurde in offiziellen Medien sowie von Seiten der Regierung eine Diffamierungskampagne gestartet, nachdem er im Februar 2009 in Paris an einer Konferenz zur "Sklaverei in muslimischen Ländern" teilgenommen hatte. Man bedrohte Biram nicht nur, sondern ließ ihn sogar in fingierten Gutachten für geisteskrank erklären.

Große Besorgnis lösten auch öffentliche Erklärungen des Premierministers Laghdaf und der Kulturministerin Cissé Mint Boide im März 2010 aus, das "Arabische" müsse als Nationalsprache gestärkt werden. Die afrikanische Minderheit in Mauretanien befürchtet eine neue Welle der "Arabisierung". Zwar wird Hassaniya, die lokale Form des "Arabischen" von 77 Prozent der Bevölkerung gesprochen, doch Hoch-Arabisch wird nur von einer Minderheit beherrscht. Rund vier Prozent der Bevölkerung sprechen "Tamashek", die Sprache der Berber und Tuareg. Doch daneben gibt es auch zehntausende schwarzafrikanische Mauretanier, die mit Wolof, Soninké und Poular afrikanische Sprachen nutzen. Sie fürchten Diskriminierung und Ausgrenzung in diesem vor allem von Arabern und Berbern dominierten Staat.

Zwischen 1989 und 1991 waren mehr als 100.000 afrikanische Mauretanier nach einer Welle des Hasses in das Nachbarland Senegal geflohen. Der gestürzte Präsident Abdallahi hatte die Rückkehr von 24.000 dieser Flüchtlinge ermöglicht. Doch die Rückkehr der Vertriebenen riss alte Wunden auf und machte deutlich, dass die arabische Herrschaftsschicht noch immer nicht akzeptieren will, dass Mauretanien sowohl ein arabisches, als auch ein afrikanisches Land ist.

Die Haratin: Mauretanien Sklaven. Die Haratin: Mauretanien Sklaven.

Die "Sklavengemeinschaft" der Haratin

"... Die französischen Kolonialherren hatten nach der Niederwerfung Mauretaniens kein besonderes Interesse, die Sklaven zu befreien. Als Frankreich Mauretanien 1960 unter Führung der ‚weißen' traditionellen maurischen Führungsschicht in die Unabhängigkeit entließ, hatte es bis dahin die demokratischen, mauretanischen Bewegungen, die für die Abschaffung der Sklaverei und Tributpflicht eintraten, weder geachtet noch gefördert und das neue Mauretanien mit der Sklaverei allein gelassen, auch wenn die neue Verfassung deren Abschaffung theoretisch vorsah.

Heute leben in Mauretanien als Angehörige der unterdrückten Bevölkerungsgruppen etwa 100.000 Sklaven, 300.000 Teil- oder ehemalige Sklaven und 36.000 'Tributpflichtige'. Nicht zu diesen Gruppen der 'Sklavengemeinschaft' - den Haratin - gehören die Angehörigen der geschlossen siedelnden schwarzafrikanischen Völker am Nordufer des Senegalflusses (etwa 150.000), die, obwohl ethnisch und kulturell den Senegalesen eng verwandt, von Frankreich in den Staat Mauretanien einbezogen wurden. Die Forderung dieser im Vergleich zu den Haratin bevorzugten Volksgruppe nach Gleichstellung mit den dominierenden, arabisch sprechenden "weißen" Mauren ist nicht Thema dieser Arbeit von John Mercer.

Die Haratin, die etwa 40 Prozent der mauretanischen Bevölkerung stellen, könnten auch als Bindeglied zwischen den 'weißen' Mauren, die zur arabischen Welt und den schwarzafrikanischen Volksgruppen, die nach Schwarzafrika tendieren, angesehen werden. Ihre Vorfahren wurden meistens als schwarzafrikanische Sklaven eingeführt, sie sind heute eine 'braune' 'Unterschicht', die zwar das arabische Hassania spricht, aber eine eigene kulturelle Identität entwickelt hat, so dass sie auch als "schwarze Mauren" bezeichnet werden ...".

Auszug aus der Vorbemerkung von Rüdiger Pürschel und Tilman Zülch in "Die Haratin - Mauretaniens Sklaven" von John Mercer, Taschenbuchreihe Pogrom / Hg. GfbV / Göttingen, September 1982, Preis: 2,00 Euro, Bestellung unter: c.rach@gfbv.de oder GfbV, Postfach 2024, 37010 Göttingen.

Anmerkung
In Mauretanien, heute drei Millionen Einwohner, sind jeweils etwa ein Drittel Angehörige der Haratin-Gemeinschaft, der Schwarzafrikaner, vor allem am Nordufer des Senegalgrenzflusses, und der arabischen Bevölkerung. Die Berber und Tuareg machen rund vier Prozent der Bevölkerung aus.

Aus pogrom-bedrohte Völker 259 (2/2010)