von John Künzli
Bozen, 10.5.2002
Die Penan, eines der über 400
"Dayak"-Urvölker Borneos, zählen mit 10.000 Mitgliedern
zu den kleineren Stämmen. Als letzte Gemeinschaft von
nomadisierenden Jägern und Sammlern stehen die Penan jedoch
exemplarisch für den Überlebenskampf, dem
sämtliche Ureinwohner der drittgrößten Insel der
Welt ausgesetzt sind. Und es schaut aus, als wäre dieser
Kampf verloren. Als sich gegen Ende der 80er Jahre die
internationale Regenwaldbewegung zu formieren begann, lebte der
Schweizer Bergbauer und Hobby-Ethnologe Bruno Manser bereits bei
den Bewohnern des ältesten Regenwaldes der Erde (160 Mio.
Jahre!) im malaysischen Bundesstaat Sarawak. 1984 war er nach
einer Höhlen-Expedition zu den Penan gestoßen. Bei
diesem friedfertigen und im Einklang mit der sie umgebenden,
üppigen Natur lebenden Volk fand Bruno, was er suchte. Nach
kurzer Zeit wurde er von den Penan als Stammesangehöriger
"adoptiert".
Die Idylle währte nicht lange: Bereits vor Mansers Ankunft
blockierten die Penan gewaltlos die Straßen der
Holzfäller, die seit Ende der 70er-Jahre immer tiefer in die
Berge vordrangen. Dieser erste Widerstand der des Lesens oder
Schreibens nicht mächtigen Ureinwohner gegen die
Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen wurde weder national noch
international wahrgenommen. Die Regierung von Sarawak unter Chief
Minister Taib Mahmud unterdrückte jegliche
Berichterstattung.
Manser Sprachrohr der Penan
Das änderte sich, als Bruno Manser auf Wunsch der Penan
begann, sie zu beraten. Er war der erste, der den Ureinwohnern
die in englischen Zeitungen publizierten Pläne der Regierung
verständlich machen und Briefe an die Regierung und die
Holz-Firmen schreiben konnte. Er machte den Penan klar, dass die
Holzfäller nicht an den Grenzen ihrer traditionellen
Territorien Halt machen würden. Für die Penan und alle
Dayak-Stämme war und ist es selbstverständlich, das
Land und Ressourcen benachbarter Gruppen zu respektieren.
So wurde Bruno Manser zum Sprachrohr der Penan und verschaffte
ihnen zumindest im Ausland Gehör, so dass auch die
Verantwortlichen in Sarawak und Malaysia den Konflikt nicht mehr
ignorieren konnten. Bis heute wirft Malaysia Manser vor, die
Penan aus eigenen Interessen gegen die Regierung aufzuhetzen. Man
setzte ein Kopfgeld von über 50.000 US-Dollar auf seine
Ergreifung aus und versuchte mit Militär, Polizei und
Gangstern seiner habhaft zu werden. Man erklärte ihn zum
Staatsfeind Nr. 1 - doch ohne Erfolg. Die Penan schützten
ihren Sekretär und Mentor vor der Verhaftung solange, bis
sie selber Bruno baten, sich ihrer Sache auf internationaler
Ebene anzunehmen, in der Hoffnung, auf diese Weise mehr zu
erreichen. Darauf verließ Bruno Anfang 1990 Sarawak und
gründete in der Schweiz den Bruno-Manser-Fonds (BMF). Zu
diesem Zeitpunkt waren die Penan und ihr Überlebenskampf
bereits ins Zentrum der globalen Regenwaldbewegung gerückt,
Sarawak und Malaysia standen als größte
Regenwaldzerstörer der Welt am Pranger! Und durch Brunos
unermüdlichen, aber stets mit Humor durchsetzten Aktivismus
verloren die malaysischen Holzhändler wohl Anteile auf den
sensiblen Märkten in Europa und teilweise auch Amerika.
Dennoch weigerten sich sowohl die Regierung von Sarawak als auch
die Zentralregierung in Kuala Lumpur weiterhin stur, auf die
Anliegen der Ureinwohner einzugehen.
Dünne Solidarität
Mitte der 90er Jahre verdräng-te in den
Industrieländern die Angst vor Wirtschaftskrise und
Arbeitslosigkeit die Sorge um die (Um-) Welt. Dazu kam, dass sich
die internationale NGO-Gemeinschaft sich wegen Erfolglosigkeit
von ihrem einstmaligen Fokus Borneo ab- und den ebenfalls um
Hilfe rufenden Völkern v. a. in den Wäldern
Südamerikas zuwandten. Doch die Botschaften, welche die
Penan dem BMF schriftlich und per Audio-Kassetten zusandten,
klangen immer verzweifelter. Und Bruno Manser, der in seinem
Einsatz für die Penan fast alleine übrig blieb, kehrte
immer pessimistischer von seinen diskreten Reisen nach Sarawak
zurück.
Im März 1999 unternahm Manser einen weiteren waghalsigen
Versuch, die Misere der Penan aufs internationale Parkett zu
bringen: Mit einem motorisierten Gleitschirm, auf dem eine
Grussbotschaft an den Chief Minister Taib und die Penan zu lesen
war, kreiste er während einer Stunde über Kuching, der
Hauptstadt Sarawaks, um anschließend bei der Residenz Taib
Mahmuds zu landen. Bruno wurde sofort des Landes verwiesen. Die
anwesenden Penan, die den Chief Minister persönlich
über die missliche Lage informieren wollten, wurden unter
Polizeibegleitung in ihr Gebiet zurückgekarrt.
Gemäß Taib Mahmud ist in Sarawak noch 10% des
Naturwaldes intakt, der Rest ist mittlerweile abgeholzt. Die
letzten großen intakten Waldgebiete befinden sich nicht
zufällig auf dem Territorium der Penan: durch zahlreiche
Straßenblockaden gelang es ihnen zum Teil, die Abholzung
bis heute zu verhindern. Doch dieser Einsatz war teuer bezahlt:
Seit 1987 wurden über 700 Penan verhaftet, eingesperrt,
misshandelt, verurteilt und als Schikane mehrfach vors Gericht
bestellt.
Ungebremster Raubbau
Heute machen sich die Holzfäller international tätiger
Firmen Samling Co., Rimbunan Hijau, WTK und Shing Yang Company
unter Polizei- und Militärschutz daran, auch noch die
letzten Meranti-, Ramin- und Kapur-Bäume zu bodigen. Die
Lage der 250 noch ganz nomadisch lebenden Penan ist elend: Sie
finden nicht mehr genug Wild zum Jagen. Die Flüsse sind
durch die Erosion verschmutzt, das Dreckwasser verunmöglicht
die Verarbeitung von Sago, dem Hauptnahrungsmittel der Penan.
Unterernährung und Krankheiten nehmen zu. Ihre Kultur
erodiert genau wie die kahlen, abrutschenden Hänge um sie
herum. Vor diesem dramatischen Hintergrund reiste Bruno im Mai
2000 wieder nach Sarawak. Er wollte erfahren, wie die Penan
vorzugehen gedenken und noch einmal gemeinsam mit ihnen
versuchen, die Verantwortlichen zum Umdenken zu bewegen. Doch auf
dem Weg zu seinen Freunden am Limbang-Fluss verschwand Bruno
spurlos in der Nähe des heiligen Berges Batu Lawi. Trotz
verschiedener Suchaktionen der Penan und erfahrener
Waldläufer des BMF (die letzte Expedition kehrte Mitte
August 2001 zurück), konnten keine Hinweise über Brunos
Verbleib oder seinen Tod gefunden werden.
Ein Urteil mit Folgen?
Ungeachtet dieser traurigen Tatsache will der BMF die Arbeit
Brunos fortführen, zumal auch die Penan auf diese
Unterstützung zählen. Und es gibt sogar Grund zur
Hoffnung: Am 12. Mai 2001 entschied das Hohe Gericht von Sarawak
zugunsten der Iban, der größten Dayak-Gruppe Sarawaks,
und gegen den Staat, der illegal eine Plantagen-Lizenz über
das Territorium des Iban-Langhauses Rumah Nor ausgegeben hatte.
Ein Urteil mit Sprengkraft: Zum ersten Mal werden damit in
Sarawak auch Landrechte für nicht aktiv durch Landwirtschaft
genutzte Flächen (sog. Menoa-Land) respektiert! Seit 1958
hatte die Regierung nur noch Landrechtsansprüche für
aktiv kultiviertes Land (sog. Temuda) anerkannt, was v. a.
für die Penan verheerend war, die vor dieser Zeit noch
sämtlich Nomaden waren. Doch Richter Datuk Ian Chin sah es
als erwiesen an, dass die Iban vom Rumah Nor den umliegenden
Regenwald von knapp 700 ha seit alters her zum Jagen und Sammeln
nutzten und hieß die Landrechtsansprüche gut! Obwohl
sämtliche Medien in Sarawak und Malaysia dieses Urteil
unterdrückten, ist nun im ganzen Land Hoffnung ausgebrochen.
Mehrere Dutzend ähnlicher Klagen sind teils seit Jahren bei
den Ge-richten hängig, darunter auch die Klage von drei
Penan-Siedlungen.
Der einzige Politiker, der einen Kommentar dazu abgab, war Sidi
Munan, Mitglied der Dayak-Partei und selber ein Iban. Er
begrüßte das Urteil als längst
überfällig und rief die Regierung dazu auf,
sämtliche Abholz- und Plantagen-Lizenzen über
umstrittene Gebiete sofort einzufrieren, bis diese Rechtsfragen
gelöst seien. Der Schlüssel für diesen Erfolg
waren von den Iban eigenhändig hergestellte Landkarten der
Temuda- und Menoa-Gebiete sowie großer persönlicher
Einsatz aller Beteiligten (monatelange Straßenblockaden
trotz Verhaftungen, hohe Anwaltskosten, Einschüchterung
durch Behörden und Medien etc.). Der BMF hat diese und
ähnliche Initiativen auch finanziell unterstützt und
wird das weiterhin tun.
John Künzli ist Mitarbeiter des Bruno-Manser-Fonds in Basel. Infos unter: www.bmf.ch.