GfbV Logo HOME | INFO | NEWS | DOSSIER | BACHECA / TERMINE | EDICOLA / KIOSK | LADIN

Terror in Osttimor

Einschüchterungskampagne soll Abstimmungserbnisse über Zukunft Osttimors manipulieren

von Ulrich Delius

Bozen, Göttingen, 10.8.1999

INHALT
Einleitung | Die New Yorker Abkommen | Zehntausende auf der Flucht | Menschenrechtsverletzungen | Überfälle / Brandschatzungen / Raub | Entführungen / Verhaftungen / Hinrichtungen | Eskalation der Menschenrechtsverletzungen | Verantwortung der Regierung | Milizenchef als oberster Zivilverteidiger | Behinderung der Arbeit von NGOs und UNO | Verletzung der New Yorker Abkommen | Empfehlungen der GfbV Impressum

Einleitung .: Oben :.
Drei Monate nach Unterzeichnung der drei zwischen Portugal und Indonesien vereinbarten New Yorker Abkommen vom 5. Mai 1999 über eine friedliche Lösung des Osttimor-Konfliktes ist die Bilanz erschreckend: Sämtliche Bestimmungen der völkerrechtlich gültigen Verträge wurden von Indonesien mehrfach verletzt. Die schon zuvor äußerst angespannte Menschenrechtssituation hat sich weiter verschlechtert. Die von pro-indonesischen Milizen mit Unterstützung der indonesischen Behörden und der Armee betriebene Kampagne des Terrors hat ein Klima der Gewalt entstehen lassen, das eine freie und demokratische Volksbefragung über die Zukunft Osttimors mehr als fraglich erscheinen lässt.

Mit Einschüchterungen, Zwangsmaßnahmen, Überfällen, Brandschatzungen, Raub, Entführungen, Vergewaltigungen, willkürlichen Verhaftungen und Hinrichtungen wird die Bevölkerung systematisch in Angst und Schrecken versetzt. Die Gewalt der Milizen hat eine Massenflucht ausgelöst. Sie verschärft die ohnehin schon angespannte humanitäre Situation. Mehr als zwei Monate nach dem Eintreffen der ersten UN-Mitarbeiter muss die UN hilflos zuschauen, wie Zehntausende Flüchtlinge im Westen Osttimors durch Straßensperren und willkürliche Gewalt der Milizen von jeder humanitären Hilfe abgeschnitten werden.

Als Termin für die Volksbefragung ist der 30. August 1999 vorgesehen. Die Wahlberechtigten müssen sich für oder gegen eine Autonomie im Rahmen der Republik Indonesien entscheiden. Stimmen sie dafür, so wird die Souveränität Indonesiens über Osttimor völkerrechtlich anerkannt. Sollten sie sich aber mehrheitlich gegen die Autonomie aussprechen, wird unter UN-Aufsicht ein Prozeß beginnen, der zur Bildung eines unabhängigen Staates Osttimor führen wird. Mit der Vorbereitung der Volksbefragung gemäß der New Yorker Abkommen ist die UN-Mission UNAMET (UN Assistance Mission to East Timor) betraut.

Um den Wahlentscheid zu Gunsten der Autonomie zu beeinflussen, hat seit Mai 1999 eine beispiellose Terrorkampagne begonnen, die sich gegen die Befürworter der Unabhängigkeit richtet. Die Dokumentation belegt dies an Hand detaillierter tabellarischer Berichte. Zur Entstehung des Konfliktes wurde eine ausführliche Darstellung des Terrors gegen die Bevölkerung Osttimors seit dem Rückzug der Kolonialmacht Portugal Ende 1974 angefügt.

Die New Yorker Abkommen .: Oben :.
Drei unterschiedliche, völkerrechtlich verbindliche, Verträge zur Lösung der Osttimor-Frage sind am 5. Mai 1999 in New York unterzeichnet worden:

- Der Grundlagen-Vertrag legt die Bedingungen für eine Durchführung der Volksbefragung unter UN-Aufsicht fest und umschreibt ihre politischen Konsequenzen. Als Anlage enthält er den Text des von der indonesischen Regierung vorgeschlagenen Autonomie-Statuts. - Die Übereinkunft über die Durchführung der Volksbefragung legt detailliert fest, wer daran teilnehmen kann, welcher Zeitplan für die einzelnen Phasen der Vorbe-reitung zu beachten ist (generelle Information über die Volksbefragung, Wählerregistrierung, Werbekampagne, Votum) und welche Bedeutung und Kompetenzen die UN dabei hat. - Das Sicherheitsabkommen verpflichtet die Sicherheitskräfte darauf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Volksbefragung in einem Klima frei von Gewalt und Einschüchterung stattfindet. Die indonesische Polizei ist demzufolge für die Aufrechterhaltung von Recht und Gesetz verantwortlich.

Darüber hinaus wurde von den Vertragsparteien ein vertrauliches Memorandum unterzeichnet, in dem der UN-Generalsekretär die grundlegenden Vorbedingungen erläutert, die erfüllt sein müssen, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Volksbefragung zu garantieren. Nur Teile dieses Memorandums wurden veröf-fentlicht. Darin wird gefordert:

- dass sich alle politischen Kräfte frei organisieren und ihre Meinung öffentlich kundtun können,
- dass alle bewaffneten Gruppen vor der Befragung ihre Waffen niederlegen,
- dass alle bewaffneten Milizen streng kontrolliert werden,
- dass alle Personen sofort verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden, die zur Gewaltanwendung aufrufen oder selber Gewalt ausüben,
- dass alle Demonstrationen von bewaffneten Gruppen verboten werden,
- dass die indonesischen Armee-Einheiten von Osttimor verlegt werden.


Zehntausende Menschen sind auf der Flucht: Die medizinische Versorgung ist katastrophal .: Oben :.
Internationale Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass seit Beginn der Kampagne bis zu 85.000 Osttimoresen aufgrund der Gewalt proindonesischer Milizen aus ihren Häusern geflohen sind. Rund 12.000 suchten bei Angehörigen in der Umgebung der Hauptstadt Dili Zuflucht, 17.000 in der benachbarten Stadt Liquica. Andere flohen aus ihren Dörfern in benachbarte größere Städte oder tauchten zum Teil monatelang in den Wäldern und unzugänglichen Bergregionen unter. Durch Vermittlung der katholischen Kirche, humanitärer Organisationen und der UN kehrten in den letzten sechs Wochen kleinere Gruppen aus den Wäldern zurück. Durch die lange Zeit der Flucht sind sie sehr geschwächt und konnten dort nicht mehr überleben. Verschiedentlich gelang es, ihnen sicheres Geleit in größere Städte der Umgebung zu verschaffen.

Die gesundheitliche Versorgung der gesamten Bevölkerung Osttimors ist katastrophal. Immer mehr Ärzte wandern ab oder werden ausgewiesen. Krankheiten, Mangelernährung und Tod durch Verhungern sind die Folgen. Nach Angaben des amerikanischen Arztes Dr. Daniel Murphy werden die 800.000 Einwohner Osttimors von gerade noch 35 seiner Kollegen versorgt.

Menschenrechtsverletzungen .: Oben :.
Ein Umfeld frei von Gewalt und Einschüchterung wird in dem Sicherheitsabkommen von New York als Voraussetzung für eine freie und demokratische Abstimmung gefordert. Wie weit Osttimor davon heute entfernt ist, machen die zahllosen Zeugnisse von verängstigten und terrorisierten Menschen deutlich. Bewaffnete Milizionäre durchsuchen nachts Häuser auf der Suche nach Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung. Sie schlagen die Bewohner und drohen mit weiteren Gewalttaten, wenn die Menschen keine Loyalität gegenüber Indonesien bekunden. Auf öffentlichen Versammlungen wird ihnen mit einem Blutbad gedroht, sollten sie sich gegen die Autonomie aussprechen. Engagierte Menschenrechtler und Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung werden in ihren Häusern von bewaffneten Milizionären belagert, die sie unverhohlen bedrohen. Auch in- und ausländische Journalisten werden terrorisiert. Es herrscht ein Klima der Recht- und Gesetzlosigkeit. Die Milizionäre wissen, dass weder die Polizei, noch das Militär ernsthaft gegen sie vorgehen. In zahlreichen Fällen wird die massive Einschüchterungskampagne sogar von Militärs, Bürgermeistern und Stadtverwaltungen unterstützt. Mit allen Mitteln wollen sie sicherstellen, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung für die Autonomie und gegen die Souveränität ausspricht.

Überfälle / Brandschatzungen / Raub .: Oben :.
Die Milizionäre belassen es nicht bei verbalen Drohungen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit müssen Kritiker der indonesischen Herrschaft in Osttimor mit gewalttätigen Übergriffen rechnen. Zahlreiche Timoresen bezeugen glaubhaft, wie sie von Mitgliedern der Milizen überfallen, geschlagen und gefoltert wurden. Viele erlitten Schussverletzungen bei Überfällen. Vor allem nach Überfällen im ländlichen Raum werden häufig die Häuser der Opfer in Brand gesteckt, um die Bevölkerung aus der Region zu vertreiben. Ganze Dörfer im Westen Osttimors wurden so vernichtet. Die Bevölkerung verliert ihr ganzes Hab und Gut und flieht in nahegelegene Städte oder sucht in den Wäldern Zuflucht. Auch nach mehrfachem Mord schrecken die Milizionäre nicht davor zurück, ihre Opfer und deren noch lebende Angehörige auszurauben. Mitgenommen werden Wertgegenstände jeder Art, gelegentlich werden sie sogar mit den Fahrzeugen der Beraubten abtransportiert. So werden innerhalb weniger Minuten ganze Existenzen vernichtet. Die Opfer werden in zweifacher Weise gestraft, denn der Verlust ihrer Wertsachen hat oft zur Folge, dass sie vom Wohlwollen der Milizionäre und staatlicher indonesischer Stellen abhängig werden.

Zwangsmaßnahmen werden aber nicht nur von Milizen, sondern auch von staatlichen indonesischen Stellen angewendet, um eine Zustimmung der Bevölkerung zu dem Autonomieplan zu erpressen. So werden die Bewohner zahlreicher Dörfern vom Bürgermeister, den Milizen und Soldaten gezwungen, an Werbeveranstaltungen für das Autonomie-Modell teilzunehmen. Am Schluss der Veranstaltung muss jeder Besucher schriftlich seine Loyalität gegenüber dem indonesischen Staat erklären. Viele Osttimoresen werden gezwungen, sich öffentlich durch das Hissen der indonesi-chen Fahne vor ihrem Haus zu Indonesien zu bekennen. Wer nicht Folge leistet, wird geschlagen, gefoltert oder Opfer eines Überfalles. Anderen wird mit Deportation nach Westtimor gedroht. Oft berichten Timoresen, dass sie gezwungen wurden, sich einer Miliz anzuschließen. Stadtverwaltungen üben Druck auf Angestellte des Öffentlichen Dienstes aus. Sie werden mit Entlassung, der Nichtauszahlung des Lohnes oder der Beschlagnahme ihres Fahrzeuges gedroht, wenn sie nicht schriftlich ihre Loyalität gegenüber dem indonesischen Staat erklären.

Entführungen / Willkürliche Verhaftungen / Hinrichtungen .: Oben :.
Mit Geiselnahmen versuchen Milizionäre Wohlverhalten zu erzwingen. So werden Frauen entführt, deren Männer sich der osttimoresischen Untergrundbewegung angeschlossen haben sollen. Damit wollen die Milizionäre erreichen, dass sich die Männer von der Unabhängigkeitsbewegung distanzieren und ihr normales Leben wiederaufnehmen. Manchmal werden ganze Dörfer deportiert. Verschleppt werden aber auch mutmaßliche Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung, die in zahlreichen Bezirken von Milizionären an Hand von schwarzen Listen gesucht werden. Für sie ist die Entführung der sichere Tod. Die Milizionäre bleiben straflos. Seit dem 5. Mai 1999 führt sogar die Polizei selbst willkürliche Verhaftungen mutmaßlicher Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung durch. Auch die Milizen scheinen dazu ermächtigt zu sein, Verhaftungen vorzunehmen. Später übergeben sie die Gefangenen der Polizei oder dem Militär. Verhaftete oder entführte Frauen werden oft vergewaltigt. Auch werden Vergewaltigungen von Mitgliedern der Milizen gezielt zur Einschüchterung der Bevölkerung eingesetzt. Mit politisch motivierten Morden festigen die Milizen ihre Terrorherrschaft. Periodisch verüben sie Massaker an der Bevölkerung, um ihren Ruf als kompromisslose Verfechter einer Integration Osttimors in Indonesien zu unterstreichen. Mindestens 34 Osttimoresen sind seit der Unterzeichnung der New Yorker Abkommen politisch motivierten Morden zum Opfer gefallen. Dabei gehen die Mörder zum Teil mit beispielloser Gewalt vor. Mit Macheten fügen sie vermeintlichen Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung schwere Kopfverletzungen zu, erschießen wahllos Angehörige der gesuchten Personen und schneiden Toten sogar die Zunge heraus.

Eskalation der Menschenrechtsverletzungen .: Oben :.
Angesichts der Schreckensherrschaft der Milizen im Westen Osttimors ist es nicht möglich, Berichte über Massengräber und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu überprüfen. Auch kann diese Dokumentation das ganze Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen nur lückenhaft aufzeigen. Deutlich wird aber auch auf dieser Grundlage, dass die Menschenrechtsverletzungen trotz der New Yorker Abkommen und des UNAMET-Einsatzes nicht abgenommen haben.

Begonnen hatte die Eskalation der Gewalt im Januar 1999. Mehr als 100 Menschen fielen seither Übergriffen der Milizen, Armee oder Polizei zum Opfer. Mehr als 280 Osttimoresen wurden zwischen Januar und Mitte Juni 1999 willkürlich von Milizionären, Soldaten oder Polizisten festgenommen (amnesty international, Report, East Timor, Seize the Moment). Schon im November und Dezember 1998 hatte die Zahl der Menschenrechtsverletzungen zugenommen. Hunderte Dorfbewohner flohen vor Übergriffen paramilitärischer Einheiten, der Milizen und der Armee. Nach weiteres Terrorakten im Januar suchten 6.000 Menschen in der im Südwesten Osttimors gelegenen Stadt Suai Zuflucht.

Trauriger Höhepunkt waren die Massaker im April 1999. Am 5. April erschossen BMP-Milizionäre in dem Ort Dato (Bezirk Liquica) vier Personen. Nur einen Tag später metzelten BMP-Milizionäre mindestens 21 Flüchtlinge im Innenhof der Kirche von Liquica nieder. Dort hatten 2.000 Flüchtlinge Zuflucht gesucht. Mit Tränengas trieb die Polizei sie aus der Kirche. Sie schossen und hackten auf die Leuten ein, als ob sie Vieh schlachteten, berichteten Augenzeugen später. Sieben weitere Personen wurden von Soldaten im Haus der Pfarrei ermordet. Am 14. April wurden in Maliana sieben Menschen erschossen, weil sie Mitgliedern der Untergrundbewegung Nahrungsmittel überlassen haben sollen. Mindestens 12 Menschen starben, als am 17. April Milizionäre, Soldaten und Bereitschaftspolizei gemeinsam das Haus des ehemaligen Parlamentsmitglieds Manuel Carrascalao angriffen. Neben der Familie des Politikers lebten dort mehr als 140 Flüchtlinge.

Indonesische Regierung ist für die Massaker der Milizen verantwortlich .: Oben :.
Jahrelang wurde vor allem die indonesische Armee für Menschenrechtsverletzungen in Osttimor verantwortlich gemacht. Die indonesische Regierung musste sich diese Greueltaten zuschreiben lassen. Seit dem verstärkten Aufbau von Milizen im vergangenen Herbst ist die Situation komplexer geworden. Die indonesische Regierung gibt sich damit zufrieden, ihr Bedauern über die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Autonomie in Osttimor zu äußern. Doch damit wird sie weder ihrer historischen, noch ihrer heutigen Verantwortung gerecht. Zu viele Indizien deuten darauf hin, dass die indonesischen Sicherheitskräfte nicht nur den Aufbau neuer Milizen, sondern auch deren Finanzierung, Bewaffnung, ihr Training sowie die Koordination einzelner Einsätze planmäßig betrieben haben.

Der tatsächliche Umfang der Unterstützung der indonesischen Armee für die Milizen ist kaum zu verifizieren. Mitglieder der Milizen versichern aber auch selbst, von Indonesien Waffen erhalten zu haben. So erklären Mitglieder der Halillintar -Miliz, bei ihrem Kommandeur Joao Tavares seien 400 M-16 Gewehre gelagert, die er von der indonesischen Armee bekommen habe. (Sydney Morning Herald, 26.7.99) UN-Mitarbeiter und Journalisten beobachteten am 17.6., wie Mitglieder der BMP-Miliz von einem früheren indonesischen Soldaten trainiert wurden. In einem nahegelegenen Haus wurden Waffen gefunden. (Sydney Morning Herald, 21.6.99) Am 15.6. stiessen UN-Mitarbeiter auf drei verschiedene Trupps der BMP-Miliz, die von indonesischen Militärs befehligt wurden. (AFP, 18.6.99) Am 1.5.99 wird auf der Titelseite der Zeitung "The Australian" ein Foto veröffentlicht, auf dem indonesische Soldaten gemeinsam mit bewaffneten Milizionären patrouillieren. Überlebende des Massakers vom 17.4.99 im Haus des Politikers Carrascalao berichten, sie hätten bei diesem Angriff auch ihnen bekannte Angehörige der indonesischen Streitkräfte gesehen. In zahllosen Fällen traten Milizen, führende Offiziere und Vertreter der Verwaltung überdies gemeinsam bei öffentlichen Veranstaltungen auf, bei denen die Bürger dazu aufgerufen wurden, sich für die Autonomie auszusprechen.

Milizenchef als Dienstherr der Zivilverteidigung .: Oben :.
Verständnislos reagierten die UN-Vertreter auf die Ernennung des Führers der Aitarak-Miliz, Eurico Guteres, zum Chef der Zivilverteidigung in Dili (PAM Swakarsa) (Lusa, 7.6.99). Der 24jährige hatte sich zuvor als Chef einer Spielerbande einen Namen gemacht. Am 25.4.99 hatte er erklärt, Eine Unabhängigkeit Osttimors hätte einen Bürgerkrieg zur Folge, der schlimmer würde als der Gewaltausbruch nach der Besetzung durch Indonesien 1975. Am 25.2.99 drohte er dem australischen Premierminister Alexander Downer in einem Fax, pro-indonesische Milizen würden australische Journalisten und Diplomaten gerne "opfern" , um Osttimor "zu retten." Das Fax wurde aus einem Hotel in Jakarta abgesetzt, wo sich Guterres und andere Milizen-Chefs mit Präsident Habibie trafen. (AFP, 25.2.99) Das Carter Center zur Wahlbeobachtung ist äußerst besorgt wegen der Unterstützung des indonesischen Militärs und der Regierung für pro-indonesische Gruppen, die eindeutig nachweisbar sei. (Reuters 4.8.99) Angesichts dieser Fülle von Indizien wird deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen der indonesischen Armee und Verwaltung und den pro-indonesischen Milizen besteht. Folglich ist die indonesische Regierung unmittelbar verantwortlich für die schweren Menschenrechtsverletzungen, die von den Milizen verübt werden.

Behinderung der Arbeit von NGOs und supranationaler Organisationen .: Oben :.
Noch immer sind weite Gebiete im Westen Osttimors nahezu von der Außenwelt abgeschnitten. Milizen haben, oft mit Unterstützung des Militärs, Straßensperren errichtet und ganze Regionen hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Auch UN-Mitarbeitern ist es nur mit Hubschraubern möglich, diese Gebiete zu besuchen. Trotz Intervention von UN-Vertretern werden humanitäre Transporte nicht geschützt. Daher werden Hilfstransporte von bewaffneten Milizen oft vor den Augen der Polizei angegriffen, die nichts dagegen unternimmt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden geschlagen, bedroht und durch Schüsse gezielt verletzt. Soldaten beschlagnahmen Hilfslieferungen. Mitarbeiter in- und ausländischer Hilfsorganisationen werden solange eingeschüchtert, bis sie aus Angst um ihr Leben nicht mehr wagen, die Hauptstadt zu verlassen. Zehntausende Flüchtlinge werden zu Geiseln blindwütig mordender Milizen. In den von ihnen kontrollierten Regionen wagt niemand mehr, sich öffentlich zur Unabhängigkeitsbewegung zu bekennen. Die Milizen setzen in der Auseinandersetzung um die Zukunft Osttimors Hunger als Waffe ein, indem sie die Versorgung der Flüchtlinge von deren Zustimmung zur Autonomie abhängig machen.

Die Milizen schrecken auch vor Übergriffen auf UN-Vertreter nicht zurück. UN-Mitarbeiter berichten von unzähligen Drohungen. Mindestens ein Überfall wurde gemeinsam mit Armeeoffizieren geplant. Befürworter der Autonomie werfen der UN eine einseitige Unterstützung ihrer politischen Gegner vor. Systematisch hetzen Bürgermeister und Milizen die Bevölkerung gegen die UN-Mitarbeiter auf. Die UN weist den Vorwurf der Einseitigkeit kategorisch zurück und verweist darauf, dass Gewalt und Einschüchterung vor allem von den Milizen ausgehen. Nur ein Ende dieser Schreckensherrschaft könne eine freie und demokratische Volksbefragung ermöglichen. Mit Spionagevorwürfen und Kritik an dem in New York vereinbarten Wählerregistrierungsverfahren versuchen die Behörden, das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der UNAMET zu schüren und die Arbeit der UN zu behindern.

Verletzung der New Yorker Abkommen .: Oben :.
Angesichts der Einschüchterungskampagne und der Schreckensherrschaft der Milizen hat UN-Generalsekretär Kofi Annan bereits dreimal den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan verändert. Mehrfach ignorierten die indonesischen Behörden den in den New Yorker Abkommen vereinbarten Zeitplan. Obwohl die Werbekampagne offiziell erst im August beginnt, organisierten der Gouverneur und Militärkommandeure schon im Mai Werbeveran-taltungen, die bewirken sollen, dass sich die Bevölkerung bei der Volksbefragung für die Autonomie und gegen die Souveränität ausspricht. Die in den New Yorker Abkommen festgeschriebene Neutralitätspflicht der indonesischen Behörden wird massiv verletzt. So verweigert die indonesische Polizei UN-Vertretern und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen jeglichen Schutz gegen Übergriffe der Milizen. Gelegentlich kooperieren die Behörden bei der Einschüchterung der Bevölkerung auch offen mit den Milizen und der Armee. Sie üben außerdem massiven Druck auf ihre eigenen Angestellten aus, sich für die Autonomie auszusprechen.

Empfehlungen der Gesellschaft für bedrohte Völker .: Oben :.
An die UN:
Ein Fiasko der UN-Mission in Osttimor ist nur zu verhindern, wenn die UN die ständige systematische Verletzung der drei New Yorker Abkommen durch Indonesien nicht länger stillschweigend hinnimmt. Andernfalls wird ein Klima der Einschüchterung und des Terrors jede freie und demokratische Abstimmung unmöglich machen. Die mo-deraten Proteste der UNAMET und des UN-Generalsekretärs haben keinerlei Ein-fluss auf die indonesische Politik gehabt. Keine der Zusicherungen Indonesiens hin-sichtlich der Entwaffnung der Milizen, einer Verbesserung der Sicherheitssituation sowie eines gesicherten Zuganges zu den Flüchtlingen wurde verwirklicht. Wir appel-lieren daher an UN-Generalsekretär Kofi Annan, öffentlich und in aller Deutlichkeit die schwerwiegenden Verletzungen der New Yorker Abkommen zu kritisieren und sofortige Abhilfe zu verlangen.

Insbesondere sollte die UN darauf bestehen:
- dass die mehrfach angekündigte Entwaffnung der Milizen endlich vorgenommen wird,
- dass indonesische Polizei Übergriffen nicht tatenlos zusieht,
- dass internationalen Hilfsorganisationen und UN-Mitarbeitern freier Zugang zu allen Landesteilen Osttimors möglich ist, damit dringend benötigte humanitäre Hilfe in die zur Zeit von pro-indonesischen Milizen kontrollierten Gebiete geliefert werden kann,
- dass Angriffe und Drohungen gegenüber Journalisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen unterbleiben,
- dass das indonesische Militär und die Verwaltung jeden Versuch der Beeinflus-sung oder Einschüchterung der Bevölkerung unterlässt.

Zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit seines Anliegens sollte sich der UN-Generalsekretär für die Entsendung von UN-Friedenstruppen gemäß Kap. 7 der UN-Charta einsetzen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Angesichts der Schwie-rigkeiten der UNAMET, auch nur die wichtigsten Bestimmungen der New Yorker Ab-kommen zu realisieren, muss nun mit der Entsendung von UN-Friedenstruppen ein deutliches Signal an alle Konfliktparteien gegeben werden, dass die UN auf einer fairen und demokratischen Abstimmung bestehen.

An die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union:
Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung und an die anderen Regierungen der Europäischen Union, ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu nutzen, um eine sofortige strikte Einhaltung der New Yorker Abkommen durchzusetzen.

Bitte weisen Sie die indonesische Regierung nachdrücklich darauf hin, dass ein Scheitern der UNAMET ernste Folgen für das Verhältnis der Europäischen Union zu Indonesien hätte und das Ansehen Indonesiens in der internationalen Staatengemeinschaft schwerwiegend beeinträchtigen würde.

Bitte informieren Sie die Öffentlichkeit darüber, welche Initiativen Sie ergriffen haben, um die UNAMET zu fördern.

Setzen Sie sich für die Entsendung von UN-Friedenstruppen gemäß Kap. 7 der UN-Charta ein, um eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern.

Engagieren Sie sich für eine deutliche Personalaufstockung der UNAMET und stellen Sie sich mit der Entsendung von jeweils mindestens zehn Polizisten demonstrativ hinter diese UN-Mission.

Impressum
Die Dokumentation "Terror in Osttimor" ist eine Publikation der Gesellschaft für bedrohte Völker. Wir veröffentlichen an dieser Stelle eine Zusammenfassung. Der Originalbericht, der alle erhobenen Vorwürfe mit tabellarisch aufgeführten Aussagen detailliert belegt, umfasst 59 Seiten (Din-a-4) mit Anhang (Tabelle der Menschenrechtsverletzungen seit 1975, Liste der wichtigsten pro-indonesischen Milizen, Indonesisches Militär in Osttimor, Menschenrechtsverletzungen der Falintil, Karte von Osttimor). Er wurde am 9. August 1999 in Göttingen herausgegeben und kann gegen DM 10.00 bestellt werden: versand@gfbv.de.
Text: Ulrich Delius, Asienreferat der GfbV-D [asien@gfbv.de].


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030522de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030512de.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/westpapua.html

* www: www.timor.com | www.easttimor-reconciliation.org | westpapuaaction.buz.org

Letzte Aktual.: 9.6.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/asia/timor-dt.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
HOME | INDEX DOSSIER | Versione italiana