Von Mateo Taibon
Bozen, 15. Februar 2006
Es war ungefähr eine Woche vor Weihnachten, als die
Medien in Südtirol aufhorchen ließen: Es wurden
mehrere Neonazis - Mitglieder des Südtiroler
Kameradschaftsringes SKR - verhaftet. Zur Last gelegt wurde ihnen
der Besitz und die Verbreitung von NS-Propaganda-Material, aber
auch Drohungen, Sachbeschädigung und Körperverletzung.
An sich keine besondere Meldung, wären da nicht das
politische, soziale und auch mediale Umfeld, das mehr aufhorchen
lässt als die Nachricht selbst.
In Südtirol gibt es nicht überdurchschnittlich viele
Neonazis, wohl aber ist die Abgrenzung gegenüber dieser
Ideologie des öfteren etwas verschwommen, in einigen
Fällen auch gar nicht feststellbar. Man ist es aufgrund der
besonderen ethnischen Gegebenheiten gewohnt, nur die Extremismen
der anderen ethnischen Seite zu verurteilen; bei den eigenen
neigt man zu Großzügigkeit. Oder sympathisiert mit
ihnen. So sind paradoxerweise gerade jene deutschen Bürger,
die sich besonders laut und selbstgefällig als
"Antifaschisten" preisen, oft stramm nationalistisch bis
rechtsextrem. Es stört nur der italienische Faschismus,
gegen den deutschen gibt es keine Einwände. Auf der
italienischen Seite verhält es sich ähnlich: Nicht
wenige "antinazisti" sind Faschisten. Es trennt nicht die
Ideologie, sondern die Sprache.
Ermittelt wurde auch gegen den Abgeordneten Andreas Pöder
der patriotischen Partei "Union für Südtirol", bei dem
eine ergebnislose Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Dies
veranlasste die Partei zunächst, von einem
Einschüchterungsversuch zu sprechen - die Schuld sollte den
Italienern in die Schuhe geschoben werden. Dass der ermittelnde
Staatsanwalt Südtiroler ist, war freilich nicht von
Bedeutung. Auch hatte der Abgeordnete versucht, sich als
"Streetworker" auszugeben, der versuchte hätte, die Neonazis
vom falschen Weg abzubringen.
Die Rechnung ging aber nicht auf, die Verschwörungstheorie
wurde widerlegt, die Scheinheiligen Lügen gestraft. Die Neue
Südtiroler Tageszeitung veröffentlichte
Abhörprotokolle; darin kommentiert der Abgeordnete
Pöder u.a. eine Störaktion der Neonazis erfreut als
"geil". Also nichts mit Einschüchterung oder
Verschwörung. Auch hatte der Abgeordnete in einer ersten
Stellungnahme zur Hausdurchsuchung recht verlegen von
"Gratwanderung" gesprochen. Doch von welcher Gratwanderung, wenn
man nicht ganz weit rechts agiert?
Straffällig geworden ist der Abgeordnete nicht, doch ist das
Image seiner Partei angekratzt. Die Grande Dame der "Union
für Südtirol", Eva Klotz, wollte ihren Kollegen seiner
Ämter in der Partei entheben, fand im Parteivorstand jedoch
keine Mehrheit. Mit welcher Glaubwürdigkeit soll nun die
Union für Südtirol gegen den italienischen Faschismus
Stellung nehmen, wenn Exponenten und einfache Mitglieder keine
Abgrenzung gegen deutschen Faschismus vornehmen? Die
"Südtiroler Freiheitlichen", die durch eine antisemitische
Kampagne gegen ein Denkmal für die Opfer des Holocaust und
durch fremdenfeindliche Wahlwerbung auf sich aufmerksam gemacht
hatten, verurteilten zwar die Neonazis. Die harten Attacken ritt
die Partei jedoch gegen die Justiz, die gegen die rechtsextreme
Szene ermittelte. Einer der Vorwürfe: Die Neonazis so kurz
vor Weihnachten zu verhaften.
Von den Ermittlungen nicht betroffen war die Südtiroler
Volkspartei, die den Rechtsextremismus auch ohne Wenn und Aber
verurteilte: "Tirolertum und Heimatverbundenheit haben nichts und
dürfen nichts mit nationalsozialistischem Gedankengut oder
rassistischen Anschauungen zu tun haben. Hier gilt es für
alle Südtiroler Parteien, Verbände und Vereine, aber
auch für alle Einzelpersonen, stets eine ganz klare
Trennlinie zu ziehen", erklärte Parteiobmann Elmar Pichler
Rolle.
Schön gesprochen. Vor der eigenen Haustür zu kehren,
fällt dem Parteiobmann aber nicht so leicht. Ein
SVP-Jugendfunktionär schüttet im Forum des
Südtiroler Schützenbundes - eine beliebte Plattform
für Rechtsextreme - ungehemmt und unbeanstandet seine
menschenverachtende Ideologie aus. Kostprobe des radikalen
Eifers: "Das überschüssige Kapital an Ausländern
stellt zumeist ein Problem dar, und wie jeder gute Acker, wo
Unkraut wächst, das nicht dort hingehört, bedarf es
effizienter Methoden das Problem zu lösen oder besser gesagt
zu tilgen." Der Rechtsextremist sehnt sich nach einer
Bücherverbrennung: "Das Kapital" und sonst noch einige
Schundwerke linker Schreiber, diese gottlosen Schriften" - so
meint er - "die ich in der Tat lieber verbrannt sehen
würde". An anderer Stelle ist er deutlicher: "Wie schön
wäre es, hätten wir die Möglichkeit, wie einst
Hitler all dieses Schundwerk in Flammen aufgehen zu lassen."
Später liefert er Details nach - die Namen jener Autoren,
die seiner Ansicht nach nicht zur deutschen Kultur gehören:
Es ist die Liste jener Bücher, die 1933 vom NS-Regime
verbrannt wurden. Gar nicht erstaunlich, dass es für ihn
auch "Volksschädlinge" gibt. Und in einem Posting zum Sieg
der Hamas spricht er von den "beginnenden Vertreibungen oder
Umsiedlungen des Dritten Deutschen Reiches".
Aufgrund der Häufigkeit der verbalen Ausfälle und der
Deutlichkeit seines NS-Jargons kann dieses Verhalten seiner
Partei nicht verborgen geblieben sein. Vor allem aber nicht den
Forums-Administratoren des Schützenbundes, die Postings mit
NS-Ideologie nicht entfernen und sich so zu Multiplikatoren
menschenverachtender Ideologien machen.
Als eindringliche Bitte an die Besucher der Web-Seiten brachte
das Team des Schützenbundes eine Mahnung an jene an, "die
meinen, in der Anonymität des Internets die Regeln des
Anstands ganz außer Acht lassen zu können".
NS-Ideologie und Wiederbetätigung verstoßen für
den Schützenbund offensichtlich nicht gegen den Anstand.
Faschismus stört nur, wenn er italienisch ist.
Aus pogrom-bedrohte Völker 235 (1/2006)