Von Mateo Taibon, Heribert Schiedel
Bozen, 22. März 2004
"Ich hab die Juden überall kennen gelernt": Antisemitismus in Österreich: Fortleben einer unrühmlichen Tradition - vor allem in der Partei von Jörg Haider.
Die Vergangenheit wirkt nach in der FPÖ (Freiheitliche
Partei Österreichs), jene Partei, die 1955/56 aus dem VDU
(Verband der Unabhängigen) hervorgegangen ist, einem
Konglomerat von Altnazis, Deutschnationalen und einigen wenigen
Liberalen. Die Beteiligung am parlamentarischen Leben und der
Wunsch, aus dem politischen Abseits herauszukommen, führten
ab 1960 zu taktischen Anpassungen und auch zu ideologischen
Veränderungen. Namentlich Parteiobmann Peter sah die
Notwendigkeit, "auch mit Freimaurern und Juden am selben Tisch
(zu) sitzen". Die Partei (vor allem deren Basis) ist aber
rechts(extrem) geblieben, der ideologische Restmüll hat
immer wieder die Richtung angegeben. Nach einem liberalen
Zwischenspiel unter Obmann Norbert Steger übernahm 1986
Jörg Haider das Ruder (der abgewählte Steger wurde u.a.
als "Jud" mit Erschießen und Vergasen bedroht) und
führte die Partei zu großen (derzeit bröckelnden)
Erfolgen und zurück zu den ideologischen Wurzeln.
Wo diese Wurzeln liegen, haben Haider und seine
Gesinnungsgenossen allzu oft belegt. Nicht nur Haiders Auftritt
vor (Waffen-)SS-Veteranen 1995 in Krumpendorf (Menschen, "die
einen Charakter haben und die auch bei größtem
Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer
Überzeugung bis heute treu geblieben sind") und sein
Euphemismus der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im 3.
Reich" geben Zeugnis davon ab. Die gesamte Aktivität ist
übersät mit antisemitischen Parolen. Dass diese nicht
Ausrutscher sind, sondern zum Programm gehören, belegen
Häufigkeit, Konstanz und inhaltliche Vehemenz. Der
Antisemitismus wird von deren Protagonisten selbst bestritten und
der diesbezügliche Vorwurf gerichtlich verfolgt, allerdings
nicht (mehr) mit dem gewünschten Erfolg. Zur freiheitlichen
Handschrift gehört es nämlich, Andersdenkende mit
Unterstellungen zu traktieren, selbst aber bei jeder (auch
berechtigten) Kritik zu klagen. Wolfgang Neugebauer, Leiter des
Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes,
wurde vom Haider verklagt, weil er ihm einen "Antisemitismus der
besonders perfiden Art" attestiert hatte. Haider hatte unter
anderem unterstellt, die Juden seien an ihrer Verfolgung selbst
schuld: "Es gibt genügend Leute, die sagen: 'Wir wissen
jetzt, warum Antisemitismus entsteht'."
Aus einem Interview (profil 8/85)profil: Welche NS-Verbrecher und Verbrechen
fallen Ihnen ein? |
Der Judenhass wird in der FPÖ und deren
Sympathisantenkreis (vor allem die Burschenschaften) offen
ausgesprochen. Ein Leitmotiv der freiheitlichen Handschrift ist
jenes der jüdischen (Welt-)Verschwörung. 1998 hatte
Haider im ORF behauptet, Juden würden im Geheimen über
ihn zu Gericht sitzen. Die Kärntner FPÖ-Zeitung
schrieb: "Dass es geheime Organisationen, um nicht zu sagen:
Logen gibt, die hinter Polster- und Tapetentüren, in
Säulenhallen und unter Kandelabern unter jedem Ausschluss
der Öffentlichkeit tagen, darf in Österreich nicht
behauptet werden. B'nai B'rith nennt sich die honorige
Gesellschaft. Offiziell die weltweit größte
jüdische Organisation mit einem UNO-Sitz, inoffiziell aber
wohl einer der mächtigsten Geheimbünde, in denen so
manches entschieden wird, was nicht für das Licht der
Öffentlichkeit bestimmt ist." Der reale Hintergrund war eine
Anzeige, welche von B'nai B'rith gegen Haider nach dessen
Krumpendorf-Auftritt 1995 eingebracht worden war.
1990 drohte der Kärntner FPÖ-Funktionär Peter
Müller: "Wir bauen schon wieder Öfen, aber nicht
für Sie, Herr Wiesenthal - Sie haben in Jörgl seiner
Pfeife Platz." Die derart offen formulierte Vernichtungsphantasie
hatte jedoch Konsequenzen: Müller verlor alle Funktionen und
wurde aus der Partei ausgeschlossen. Viele andere aber mussten
die Partei nicht verlassen, da ihre antisemitischen Ausfälle
offensichtlich der Parteilinie entsprechen. So meinte der Linzer
FPÖ-Obmann Raimund Wimmer 1989: "Hier 50.000 Juden
anzusiedeln, wie (ich) das gehört habe von Zilk [Wiener
Bürgermeister, Anm. d. Red.], das ist unmöglich. Was
täten wir damit, der kennt die Juden nicht. Ich war im Krieg
überall. Ich hab sie überall kennengelernt …"
Von der Partei gab es keine Verurteilung, ganz im Gegenteil: 1997
beehrte Haider ein Geburtstagsfest des alten Parteifreundes, auf
welchem er und andere FPÖ-Spitzenpolitiker die "besonderen
Verdienste Wimmers" würdigten. Ein ehemaliger
FPÖ-Funktionär sorgte mit seinen Äußerungen
wiederholt für Entrüstung: Andreas Mölzer,
ehemaliger FPÖ-Bundesrat und Leiter des Freiheitlichen
Bildungswerkes. Der Herausgeber der Wochenzeitung "Zur Zeit"
schrieb 1991 in der Aula, dem burschenschaftlichen Vorfeldorgan
der FPÖ: "Die Geschichte hat mehrmals gezeigt, dass
entortete und entwurzelte Völker, wie etwa die Juden in der
Diaspora (...), es diesbezüglich verstanden, aus der Not
eine Tugend zu machen. Der Handel und das Geschäft des
Geldwechslers (...) prägte den Charakter dieser Völker
so hundertprozentig, dass ihnen Handwerk, Ackerbau oder
Industriearbeit geradezu widernatürlich erscheinen mussten.
Dafür waren nur mehr die Wirtsvölker
zuständig."
Unter der Mitverantwortung von Mölzer erschien im "Jahrbuch
für politische Erneuerung 1995" des Freiheitlichen
Bildungswerkes ein wüster Artikel von Werner Pfeifenberger.
Dieser sinniert dort über das "Einsickern des orientalischen
(jüdischen) Messianismus" in das Abendland. Seit damals
bestimme ein Kampf zwischen "Internationalisten" und
"Nationalisten" die Geschichte, wobei Pfeifenberger hinter
ersteren die obligate jüdisch-freimaurerische
Weltverschwörung zu erkennen glaubt. Dem Nationalsozialismus
attestiert er, es sei "nicht unlogisch" gewesen, die beiden
Erscheinungsformen des "Internationalismus", nämlich
"Kapitalismus und Kommunismus als nur zeitweise verfeindete
Komplizen gegen den Nationalstaat zum zentralen gemeinsamen Feind
zu stempeln." Pfeifenberger wärmt auch die NS-Legende von
der jüdischen Kriegserklärung gegen das Dritte Reich
auf. Also ganz direkt "(Neo)Nazi Töne". Das
Oberlandesgericht Wien kam aufgrund einer beanstandeten Rezension
zu der Erkenntnis, dass die Wertung "Nazi-Töne" seine
Berechtigung habe und dass sich tatsächlich "zahlreiche
Hinweise auf Gedankeninhalte" ergeben, die "der NS-Zeit und der
von ihr vertretenen Ideologie zugeordnet werden
können."
Im November 1999 war der deutsche Neonazi Horst Mahler auf
Einladung des Freiheitlichen Akademikerverbandes für Wien,
Niederösterreich und Burgenland in Wien und referierte vom
"jüdischen Volk", das der "Feind" der "Deutschen" sei. Auf
dem Weg zur "Volksgemeinschaft" müssten sich die "Deutschen"
von den "negativen jüdischen Prinzipien" wie dem
"Mammonismus" befreien. Mahler versuchte auch, die antisemitische
Verfolgung zu legitimieren: "Den Juden wurde der Hass auf andere
Völker auferlegt. Die anderen Völker haben diesen Hass
nur erwidert."
Das DÖW spricht von "Schuld- und Erinnerungsabwehr" in der
FPÖ. Mit einer klaren Sprache über den
NS-Völkermord an den Juden haben die Freiheitlichen, die
ansonsten eine allzu klare Sprache sprechen, ihre Probleme. Das
wird deutlich u.a. beim damaligen FPÖ-Nationalrat John
Gudenus, der meinte: "Gaskammern? Ich halte mich da raus. Ich
glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist." Ähnlich
geartet ist der Kommentar, welchen der "Zur Zeit"-Mitherausgeber
Gudenus anlässlich der Entschädigungszahlungen an
ehemalige ZwangsarbeiterInnen abgab: "Diese Entschädigungen
sind nichts anderes als Schutzgeld, das wir zahlen müssen."
Die Zahlungen werden terminologisch also mit der kriminellen
Erpressung der Mafia gleichgesetzt. Diese üble
antisemitische Propaganda wird von der schwarz-blauen Regierung
immer stärker gefördert: "Zur Zeit" wurde 2003 mit
85.000 Euro finanziert, 2002 waren es 75.000 Euro, 2001 noch
62.000 Euro.
Kritik an den rechtsradikalen Positionen will man delegitimieren;
die weitgehende Ächtung der öffentlichen Artikulation
von Antisemitismus wird den Juden angelastet: Die Präsenz
von Auschwitz in Presse, Funk und Fernsehen wird - unter
Aktualisierung des alten Stereotyps der jüdischen
Medien-Manipulationsmacht - dem Einfluss der Juden zugeschrieben.
Als Vehikel des Antisemitismus wird auch in Österreich
häufig eine einseitige und überzogene Israel-Kritik
verwendet, die in einem Atemzug "die Juden" und ihre angebliche
Weltmacht kritisiert, bei Kritik an der Kritik ist die Reaktion
meist Empörung: "Man darf ja nichts mehr über Israel
sagen". DÖW-Mitarbeiter Heribert Schiedel spricht
diesbezüglich von "antisemitischer Paranoia".
Angesichts dieser (bruchstückhaften, aber symptomatischen)
Auflistung freiheitlicher Wortmeldungen überrascht es nicht,
dass antisemitische Einstellungen unter dem FPÖ-Anhang rund
doppelt so häufig anzutreffen sind wie im
österreichischen Durchschnitt. So stimmen 14% der
Österreicher und 30% der FPÖ-Anhänger der Aussage
zu, "es wäre für Österreich besser, keine Juden im
Land zu haben." Man weiß auch genau, wie die zu
Deportierenden auszumachen sind: 33% der ÖsterreicherInnen,
aber 71% der FPÖ-SympathisantInnen glauben, "dass man die
meisten Juden an ihrem Aussehen erkennen kann."
Staatsideologie
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Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW, www.doew.at) www.doew.at/thema/fpoe/schiedel.html.
Aus "pogrom / bedrohte Völker" (Nr. 223 - 1/2004).