Das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser gerät zunehmend in Gefahr. Riesige Staudammprojekte und damit viel Geld sind meist wichtiger als die Bedürfnisse von Minderheiten und Ureinwohnervölkern. Am lukrativen Geschäft beteiligt sich auch der italienische Konzern Impregilo. Er errichtet die Staudämme Yacyretà an der Grenze zwischen Argentinien und Paraguay, Chixoy in Guatemala und Katse in Lesotho.
Vorwort | Yacyretà | Chixoy | Katse | Abschließende Bemerkungen |
Tausende von Menschen haben in den vergangenen Jahren auf der
ganzen Welt gegen den Bau von Großstaudämmen
protestiert. Dies führte dazu, dass die Weltbank
schließlich gezwungen war, den Untersuchungsausschuss
"Inspection Panel" ins Leben zu rufen. Er hat die Aufgabe,
Projekte unabhängig und kompetent zu untersuchen und zu
bewerten. Die Staudämme haben bislang meist mehr gekostet
als ursprünglich vorgesehen war, die sozialen und
biologischen Folgekosten nicht einmal mitberechnet. Die Anlagen
haben schlussendlich weniger Energie produziert als vorher
versprochen und auch weniger Wasser zur Bewässerung
abgegeben als geplant.
Vorteile gab es nur für Großgrundbesitzer,
Agrokonzerne und Spekulanten. Sie haben auf Kosten der
Kleinbauern, der Landarbeiter, der Fischer und der indigenen
Völker und Minderheiten den Gewinn abgeschöpft und sich
damit aus dem Staub gemacht. Daher sollten Regierungen,
internationale Konzerne und Investoren zunächst einmal
folgende Bedingungen einhalten, bevor weitere
Großkraftwerke gebaut werden:
- Es darf keine Gewalt oder Einschüchterung gegen Personen
geben, die gegen ein Staudammprojekt sind.
- Werden Personen umgesiedelt, müssen sie mit einem
gleichwertigen Grundstück und den entsprechenden
Häusern und Infrastrukturen wie Straßen und
Stromleitungen entschädigt werden.
- Die durch das Projekt entstehenden Schäden an der Umwelt
müssen beseitigt werden.
- Indigene Völker müssen besonders geschützt
werden. Sie müssen mit Landrechten und Grundstücken
entschädigt werden, die ihnen die Fortführung ihrer
bisherigen kulturellen und wirtschaftlichen Lebensweise erlauben.
Sollte das nicht möglich sein, muss das Staudammprojekt
anderswo realisiert oder ganz fallen gelassen werden.
Diese Punkte stehen im Einklang mit der ILO-Konvention Nr. 169
(ILO: Internationale Arbeitsorganisation - International Labour
Organisation, eine Unterorganisation der UNO mit Sitz in Genf),
dem bislang umfassendsten völkerrechtlichen Abkommen zum
Schutz indigener Völker in aller Welt. In 44 Artikeln wird
neben der Gleichberechtigung von Ureinwohnern in der Arbeitswelt
auch das Recht auf das eigene Territorium, die eigene
Lebensweise, Kultur und Sprache festgeschrieben. Zu den
Unterzeichnern der ILO-Konvention gehören unter anderem auch
Argentinien, Paraguay und Guatemala.
Daneben sehen noch eine ganze Reihe anderer internationaler
Abkommen (z. B. die "Declaration on Indigenous Peoples Rights"
oder die "Charter on Industrial Hazards and Human Rights") den
Schutz von Ureinwohnervölkern und der Umwelt vor.
Das vielbeschworene Recht auf Selbstbestimmung der Völker
wirkt sich natürlich auch auf die indigenen Völker aus:
Demnach müssten sie in die Entscheidungsprozesse eingebunden
werden, über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Entwicklung bestimmen und auf das eigene Gewohnheitsrecht pochen
können. Doch dem ist bei weitem nicht so.
Der Bau des Großstaudammes am Paranà, an der
Grenze zwischen Argentinien und Paraguay, wurde 1973 beschlossen.
Gleichzeitig riefen die beiden Unterzeichner des
"Yacyretà-Vertrages", der argentinische Präsident
Juan Domingo Perón und Paraguays Diktator Alfredo
Stroessner, die Entitad Binacional Yacyretà (EBY) ins
Leben. Ihre Aufgabe war es, das Projekt durchzuziehen und
dafür zu sorgen, dass Argentinien elektrische Energie
bekommt. Zehn Jahre später vergab EBY die Bauarbeiten
für das Projekt für 1,4 Milliarden Dollar an die
italienische Firma Impregilo und die französische Dumez. Den
Bau der Turbinen und der elektrischen Anlagen sicherte sich ein
Konsortium der amerikanischen Firma Allis Chalmers und der
englischen Boving.
Wie sich noch vor dem Beginn der Arbeiten herausstellte, gab es
große Vorkommen an Gas in der argentinischen Provinz Salta,
mit denen man billiger Energie produzieren hätte
können. Außerdem versank das Projekt rasch im
Korruptionssumpf und gilt als eines der korruptesten in ganz
Lateinamerika. Sogar die Weltbank hat mittlerweile zugeben
müssen, dass der Yacyretà-Staudamm nie hätte
begonnen werden dürfen.
Die wirtschaftliche Analyse und jene der Kosten war völlig
falsch gemacht worden. In der Tat schnellten die Kosten für
die Planung vier Mal und jene für die Verwaltung sogar
sieben Mal nach oben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die
produzierte Energie dreimal so viel kostet wie im internationalen
Durchschnitt. Die Arbeiten, die bis 1990 hätten
abgeschlossen werden sollen, sind noch im Gange. Sogar der
Abschlussbericht der Weltbank "Performance Audit Report"
räumt ein, dass das Yacyretà-Projekt nicht die
Lösung mit den geringsten Kosten und dem größten
Nutzen im Hinblick auf die Energieerzeugung in Argentinien war.
Außerdem habe die Weltbank die Möglichkeit gehabt,
"das Projekt zu stoppen, bevor die Planungsarbeiten zu weit
fortgeschritten waren."
Im Jahr 1994 füllte man den Stausee mit Wasser. Er sollte 83
Meter tief werden. Geworden sind es schließlich 76 Meter,
denn es gab Probleme mit der ansässigen Bevölkerung,
die den Wassermassen nicht weichen wollte. Sie hatte sich
inzwischen zur NGO Sobrevivencia zusammengeschlossen und im Jahr
1996 einen Rekurs bei der Weltbank gemacht: Die Richtlinien
für Wiederansiedelung, die Umwelt und indigene Völker
seien verletzt worden. Dazu ist zu sagen, dass in den ersten zehn
Jahren bis 1983 weder die Weltbank noch die Regierung jemals mit
diesen Menschen gesprochen hatte. Auch danach verliefen die
ersten Treffen ohne Ergebnis. Dabei mussten rund 13.000 Personen
vor allem im Gebiet Paraguays bereits das Feld räumen; das
ursprüngliche Projekt sieht vor, dass 52.000 umgesiedelt
werden müssen.
Die Mbya Guaranì
Wird das Staubecken ganz aufgefüllt, sind vor allem die
Bewohner auf dem Land betroffen, die in der Gegend von
Encarnaciòn, mit 55.000 Einwohnern der
zweitgrößten Stadt Paraguays, und der argentinischen
Stadt Posadas (220.000 Einwohner) leben. Das indigene Volk der
Guaranì ist davon direkt betroffen. Die Gruppe Mbya der
Guaranì hatte auf den Inseln des Paranà gelebt bis
mit dem Bau des Staudammes begonnen wurde. Die rund 500
Ureinwohner, die sich mit Fischfang und Handel mit
Handwerksprodukten über Wasser gehalten hatten, wanderten in
die beiden Städte ab; im Jahr 1989 wurde einigen von ihnen
im Rahmen eines Wiederansiedelungsprojektes ein kleines
Stück Land zugewiesen - denn die Inseln sind mit dem Stausee
im Wasser versunken.
Doch die meisten Mbya Guaranì leben heute versprengt in
den Städten. Dabei hatte die Weltbank im Rahmen ihres
Kredits an EBY eine Studie in Auftrag gegeben, die über die
sozialen und anthropologischen Auswirkungen des Staudammprojektes
auf die Ureinwohner der Region Aufschluss geben sollte. Davon
sollten die weiteren Kredite abhängen. Bis heute ist dieses
Dokument jedoch nicht veröffentlicht worden und es sieht so
aus, als ob die Weltbank auch nicht besonders interessiert daran
ist. Nach Informationen von Insidern sieht die Studie hohe
Kompensationsbeträge für die Wiederansiedlung von
Indigenen vor. Die Weltbank will von solchen Mehrkosten aber
anscheinend nichts mehr wissen. Außerdem beschreibt die
Studie die Folgen der Umsiedlungen von Ureinwohnern nach 1987:
Verlust der traditionellen Sprache, Fehlen des Zugangs zu
natürlichen Resourcen, Abkehr von traditionellen
Anbaumethoden, mangelnde technische Unterstützung von Seiten
der zuständigen Behörden und frühzeitiger Verfall
der Häuser, die mehr schlecht als recht als Kompensation
errichtet worden waren.
Schuhmacher, Klempner, Bäcker - sie alle haben ihre Arbeit
verloren ohne eine neue zu finden. In den neuen Häusern sind
die hygienischen Zustände schlechter geworden. Das zeigt
sich am Beispiel einer Gruppe von 20 Familien bestehend aus rund
75 Personen. Nach Informationen der Weltbank wurde ein Gebiet von
370 Hektar Land für diese Mbya Guaranì ausgesucht,
und zwar in Pindo. Das Land befindet sich zwischen einer
Hauptverkehrsachse und einer Hochspannungsleitung, die Trinidad
und Ayolas verbindet. Nach Angaben der Weltbank hat die
Gemeinschaft das Gebiet selbst gewählt, um Zugang zur
Elektrizität zu haben und um die Baumwolle, die sie auf
ihren Äckern von nun an produzieren wollte, direkt an der
Straße verkaufen zu können.
Der Bericht des Untersuchungsausschusses "Inspection Panel" hat
hingegen ergeben, dass es sich um ein sehr unwirtliches
Stück Land handle: "Die Mbya-Familien sind gemeinsam mit
anderen Mbya-Gruppen, die bis dahin in einer völlig anderen
Umwelt gelebt hatten, nach Pindo verlegt worden. Das Land, auf
dem sie sich niederlassen sollen, ist völlig ungeeignet
dafür, weil es viel zu klein ist und außerdem nicht
über die nötigen Resourcen verfügt."
Dabei sieht die im Jahr 1994 reformierte Verfassung Argentiniens
vor, dass indigene Völker von da an als solche akzeptiert
werden und die vollen staatsbürgerlichen Rechte erhalten. Im
Artikel 75, Komma 17, heißt es: "Anerkennung der ethnischen
und kulturellen Existenz der indigenen Völker Argentiniens.
Ihre Identität muss gewahrt werden, genauso wie das Recht
auf eine zweisprachige und multikulturelle Erziehung. Ihre
Gemeinschaften sind als juridische Personen ebenso zu akzeptieren
wie der Besitz und das gemeinsame Eigentum des Landes, auf dem
sie traditionellerweise leben. Dort können sie all ihre
Tätigkeiten durchführen, die sie für die
menschliche Entwicklung brauchen. Keines dieser Rechte darf durch
Hypothekten oder Verbote gestört werden. Es muss gesichert
sein, dass sie ihre Ressourcen und andere Dinge, die sie
betreffen, selbst verwalten können."
Die Mbya Guaranì Argentiniens, die vom Projekt betroffen
sind, leben in der Provinz Misiones, deren oberste Verwalter
für ständige Verletzungen der Rechte Indigener
verantwortlich sind. Ein Provinzialgesetz (Nr. 2435), das im Jahr
1989 herausgegeben worden ist, gesteht den Guaranì eine
Teilautonomie zu und sieht die Rückgabe ihrer Erblande vor
(mit einer geschätzten Ausdehnung von über 350.000
Hektar). Außerdem wird ihnen damit eine Vertretung bei der
Provinzialregierung garantiert, daneben der Einsatz spezieller
Entwicklungs-, Erziehungs- und Wohnprogramme. Aber bis heute ist
nicht einmal die Demarkation der 18.000 Hektar erfolgt, die die
Mbya erhalten haben. Sie können also theoretisch jederzeit
von dort wieder vertrieben werden.
Paraguay und die Rechte der Indigenen
Das Land hat rund vier Millionen Einwohner. 70.000 von ihnen sind
indigener Abstammung, die sich in 17 ethnische Gruppen
unterteilen. Aber sie leben am Rande der Gesellschaft. Sie
kämpfen mit Unterernährung und Tuberkulose. Die
Indigenen erhalten Gehälter, die kleiner sind als der
nationale Mindestlohn; gleichzeitig haben sie keine soziale
Absicherung. Noch schlimmer sieht es mit den Landrechten aus.
Nach einem Dekret aus dem Jahr 1825 mussten alle Bürger
Paraguays ihre Landrechte nachweisen. Natürlich hatten die
Ureinwohner keine schriftlichen Beweise, daher ging ihr Land
automatisch in das Eigentum des Staates über.
Trotzdem gilt die paraguayanische Verfassung, die im Jahr 1992
nach dem Sturz des Diktators Alfredo Stroessner überholt
worden ist, als eine der fortschrittlichsten in Lateinamerika.
Sie enthält im Artikel 63 den Passus, das "den indigenen
Bevölkerungsgruppen Paraguays das Recht, ihre ethnische
Identität zu schützen und weiterzuentwickeln,
garantiert werden muss" - und zwar in ihrer traditionellen
Umgebung. Artikel 64 sieht vor, dass die Indigenen "das Recht
haben, jenes Land zu besitzen, das sie für die Bewahrung und
Entwicklung ihrer besonderen Lebensweisen benötigen. Der
Staat muss ihnen dieses Land kostenlos zur Verfügung
stellen." Außerdem sei der Verkauf dieses Landes ohne
Einwilligung der betroffenen indigenen Bevölkerungsgruppe
verboten. Zusätzlich hat Paraguay im Jahr 1993 die
ILO-Konvention 169 unterschrieben (siehe oben).
Probleme mit dem Stausee
Der Yacyretà-Stausee ist rund 100.000 Hektar groß,
die Böden sind bis heute verseucht. Verschuldet haben das
hauptsächlich die Fabriken, die unter Wasser gesetzt worden
sind, und das Abwasser, das ungeklärt in den Stausee
geleitet wird. Die Ausrottung von verschiedenen Tierarten geht
damit einher. Hochrechnungen haben ergeben, dass 60 Arten stark
bedroht sind.
Doch auch die Menschen, die am See leben, leiden an verschiedenen
Krankheiten, die hauptsächlich das Verdauungssystem, die
Haut und die Atemwege betreffen. Nach den Daten des
Gesundheitsministers Paraguays sind diese Krankheiten zwischen
1990 und 1994 angestiegen. Daneben ist mit einem Anstieg von
Malaria und anderen Krankheiten zu rechnen, die von Mücken
übertragen werden. Die Qualität des Wassers in den
Brunnen ist merklich gesunken, der Fischfang zurückgegangen
- auch das trug zur Unterernährung der ärmsten
Schichten bei. Auffallend ist, dass gerade in den regenreichen
Zeiten die Sterblichkeitsrate hoch ist. Die sanitären
Dienste sind ungenügend und mit der Umsiedlung auch nicht
ausgeweitet worden. Im Fall Yacyretà kann man sogar von
einer Auslagerung der Risiken, die mit dem Projekt verbunden
sind, in ein anderes Land sprechen, wenn man bedenkt, dass die
produzierte Energie in Argentinien verwendet wird, während
die Bevölkerung Paraguays die negativen Auswirkungen zu
spüren bekommt.
Argentinien und Paraguay müssen erst noch das Geld für
den "Environment Mitigation Plan" auftreiben, der zum Ziel hat,
die Umwelt in den Gebieten zu schützen, die den
ausgesiedelten Menschen als Entschädigung überlassen
worden sind. Außerdem müsste die EBY den Kauf von Land
aus privater Hand endlich zu Ende bringen. Zurzeit scheinen beide
Maßnahmen aufgrund der prekären Wirtschaftslage kaum
realisierbar.
In Argentinien fanden im Jahr 1997 Verhandlungen zur
Privatisierung des Kraftwerkes statt, die sich jedoch nicht
erhärtet haben. Durch die Privatisierung wären die noch
ausstehenden Entschädigungszahlungen wahrscheinlich
endgültig verloren gewesen. Zum Kraftwerk bleibt noch zu
bemerken, dass die 20 Turbinen derzeit nur mit einer Leistung von
zwei Dritteln des Potenzials arbeiten. Nur die Auffüllung
des Sees von 76 auf 83 Meter würde hier Abhilfe schaffen -
und gleichzeitig Tausende von Menschen in tiefes Leid
stürzen.
Das Chixoy-Projekt wurde während der Militärdiktatur
in Guatemala entwickelt - dabei wurden die Rechte der
ansässigen Personen schlichtweg übergangen. Fast 400
Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen den
Staudamm-Gegnern und Militärs getötet.
Im Jahr 1975 hatte das "Instituto Nacional De
Electrificación" (INDE) das Projekt publik gemacht. Es
sollte Guatemala aus der Krise helfen, nachdem die Kosten
für den Einkauf von Erdöl in astronomische Höhen
gestiegen waren. Die Finanzmittel für das Projekt kamen von
der Weltbank - die schon vorher mit dem Aufbau des Energiesektors
in Guatemala beschäftigt war - und von der
Interamerikanischen Entwicklungsbank: 72 Millionen Dollar von der
ersten und 105 Millionen von der zweiten. Weitere Finanziers
waren zum Beispiel auch die "Cooperazione bilaterale italiana",
die im Jahr 1992 14 Milliarden Lire als Hilfskredit zur
Verfügung stellte; er sollte die Führungskosten der
Elektrozentrale Chixoy abdecken, zu Gunsten der Cogefar-Impresit.
Das Konsortium Lami, Berater der INDE, hatte ursprünglich
vier Staudämme geplant, um täglich 550 Megawatt zu
produzieren. Die erste Phase sah den Bau einer 100 Meter hohen
Staumauer bei Pueblo Viejo vor, der das Wasser über einen 26
Kilometer langen Tunnel auf die Turbinen bei Quixal (300 MW)
leiten sollte.
Doch die ursprünglichen Kosten waren nach dem Erdbeben von
1976 von 270 Millionen Dollar auf 800 Millionen geschnellt.
Gleichzeitig gab es entscheidende Veränderungen im Projekt,
da die geologischen Voraussetzungen völlig andere waren als
ursprünglich errechnet. So blieb die erste Staumauer die
einzige, die erbaut wurde.
Hauptsächlich berücksichtigte man beim Projekt aber
nicht die Personen, die mit dem Staudamm ihre Heimat verlassen
mussten. Sie wurden weder konsultiert noch informiert. Dazu steht
in der Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 1975: "Die
Bevölkerung der Gegend ist vor allem indigen ... das
betroffene Gebiet ist daher praktisch unbewohnt."
Die ersten Kontakte wurden im Jahr 1976, nach dem Beginn des Baus
des Staudamms hergestellt: Die Vertreter des INDE begaben sich
mit dem Hubschrauber zum Rio Negro, um die Bevölkerung zu
informieren, dass der Staudamm gebaut und der See schon bald das
Land, auf dem sie wohnten, unter Wasser setzen werde. Nach langer
Diskussion beschlossen die Ureinwohner eine Abordnung in die
Hauptstadt zu schicken, die über die Wiederansiedelung
verhandeln sollte. Aber diese Verhandlungen erfolgten in einem
Klima der Einschüchterung und des Terrors. Die Einwohner von
Rio Negro sind mehrmals bedroht und von den Vertretern des INDE
an der Nase herumgeführt worden. Im Jahr 1980 sind zwei
Ureinwohner zerstückelt wiedergefunden worden, nachdem sie
sich zum INDE-Büro begeben hatten, um mittels eindeutiger
Papiere, dem Libro de Acta, ihre Rechte auf das Land geltend zu
machen.
Die Hauptbetroffenen des Stausees sind die Maya Achì, von
denen es in der Region Verapaz heute noch rund 75.000 gibt. Diese
Ureinwohner sprechen Achì. Die Gemeinschaft am Rio Negro
zählte Ende der 70er Jahre etwa 500 Personen. Jede Familie
bebaute ihr eigenes Stück Land, einige hielten auch
Kühe und Pferde. Keine Straße führte zum Rio
Negro. Rabinal, der nächste Markt war nur über einen
Fußmarsch von acht Stunden erreichbar.
Bericht des "Foro por la vida" Am ersten Tag des Forums
"Foro por la vida", das vom 21. bis 24. März 2002 in
Guatemala stattfand, berichteten mehrere Organisationen aus
verschiedenen Ländern von ihren Protesten und Kämpfen
gegen Staudammprojekte. Zur Debatte stand natürlich auch der
Staudamm am Rio Chixoy, der in den Jahren 1976 bis 1983 erbaut
worden war. "Damals", so kann man im Protokoll nachlesen, "wurden
mehr als 20 Gemeinden überflutet. In dieser Zeit herrschte
Krieg in Guatemala, in dem ca. 140.000 Menschen von den
Militärs ermordet wurden; auch viele, die sich gegen den Bau
des Staudamms aussprachen, wurden umgebracht oder verschwanden
spurlos. Die Regierung versprach den vom Bau des Staudamms
betroffenen Bewohnern neue Häuser, fruchtbares Land,
Lastwägen und Boote, um den Staudamm überqueren zu
können. Nichts davon wurde je eingehalten. Das Land, welches
ihnen zugewiesen wurde, war so klein, dass es nicht einmal
genügend Platz für die Tierhaltung gab. Die
Lebensbedingungen haben sich grundlegend verschlechtert und durch
die Enge haben Nachbarschaftskonflikte stark zugenommen."
Drei Männer aus der betroffenen Comunidad Rio Negro
berichteten beim Forum, dass damals in diesem Zusammenhang
über 400 Menschen ermordet wurden. Nüchtern
zählten sie auf: "Am 30.2.1982 wurden 73 Campesinos
ermordet, am 3.3.1982 wurden 70 Frauen und 107 Kinder ermordet,
innerhalb September 1982 wurden noch einmal 117 Einwohner des
Dorfes Rio Negro umgebracht, nachdem sie sich geweigert hatten,
ihre Heimat zu verlassen und in das von der INDE vorgesehene
Gebiet umzusiedeln ..."
Die Männer erzählten, dass sie damals keine Vorstellung
davon hatten, was ein Staudamm sei. Sie befragten die
Ältesten im Dorf, deren Meinung war, dass von Menschen Hand
kein Fluss so vergrößert werden könne, die Macht
dazu hätte nur Gott alleine. So gab es hier nur relativ
wenige, die sich gegen den Bau des Staudamms aussprachen. Der
Tag, an dem das Tal überflutet wurde, brachte den Menschen
eine soziale und ökologische Katastrophe. Die ihnen
versprochen Boote haben sie nie erhalten, sodass es bis zum
heutigen Tag für die Menschen der jeweils anderen Seite des
Stausees keine Möglichkeit mehr gibt sich zu treffen und so
auch der Handel mit Waren nicht mehr stattfinden kann. Vor dem
Bau wurde ihnen erzählt, dass der See acht Kilometer lang
werden wird, heute hat er eine Länge von 52
Kilometern.
Alle Berichte, die im Forum gemacht worden sind, handeln von der
übereinstimmenden Erfahrung, dass die zuvor gegebenen
Versprechungen der Regierungen aus Ländern wie Costa Rica,
Belize, Kolumbien und der Dominikanischen Republik nach
Fertigstellung der Staudämme so gut wie nie eingehalten
wurden. Der jeweils nationale Strombedarf dieser Länder ist
fast abgedeckt, der Strom, der mittels der Staudämme
produziert wird, ist hauptsächlich für den Export in
die USA und für Projekte im Rahmen des PPP (Mexikos
Präsident Vicente Fox verkündete im Jahr 2000 den Start
des Plan Puebla-Panama; es handelt sich dabei um ein riesiges
Projekt zum Aufbau von Infrastruktur, um große Unternehmen
in die Region zu locken, die aus den neun südöstlichen
Bundesstaaten Mexikos und den sieben mittelamerikanischen
Ländern besteht) bestimmt, z.B. für die internationalen
Produktionsstätten, die so genannten Maquiladoras (siehe
unten). Im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern
bezahlt beispielsweise die Bevölkerung von Belize für
den dort privatisierten Strom einen dreifach höheren
Strompreis. Selbst in Kanada, dem Herkunftsland des
Energiekonzerns, der in Belize das Monopol hält, ist der
Strom preiswerter.
Trotz der publik gewordenen Massaker und der Beweise für
Korruption und Misswirtschaft haben sowohl die Weltbank als auch
die Interamerikanische Bank für Entwicklung das Projekt
Chixoy weiterhin finanziert - ohne mit der Wimper zu
zucken.
Die Umsiedlung Nach den Massakern von 1982 begann man
damit, den Stausee zu füllen - die Bevölkerung musste
ihm zwangsläufig Platz machen. Das neue Dorf Pacux wurde als
Vorzeigedorf angelegt, das das Guatemaltekische Militär dazu
benutzte, um die Gureillas zu kontrollieren. Gleich daneben legte
man einen Militärstützpunkt an, von dem aus die
Bevölkerung ständig kontrolliert werden konnte.
Allerdings legen die Richtlinien der Weltbank fest, dass die
ursprünglichen Lebensbedingungen wiederhergestellt werden
müssen. Aber auch in Chixoy ist das überhaupt nicht
passiert. Das Dorf war nicht sehr einladend, ohne Bäume, die
Qualität der Häuser ließ zu wünschen
übrig und das Land war viel zu klein für die Anzahl der
Menschen. Statt der 561 versprochenen Acker teilte man nur 240
zu, von denen ein Teil für die Bebauung ungeeignet war.
Wasser und Strom wurde zwar geliefert, aber nur zu bestimmten
Tageszeiten und gegen Bezahlung. Die Bevölkerung lebte und
lebt auch heute noch in äußerster Armut. Es gibt keine
Arbeit in der Gegend, sodass die Männer gezwungen sind, in
den Zeiten der Aussaat und der Ernte in die größeren
Plantagen abzuwandern. Das im Moment günstigste
Arbeitsangebot für einen Jugendlichen in Pacux scheint der
dreijährige Militärdienst zu sein, der immerhin
Kleidung, Unterkunft, Essen und einen Monatslohn von 60 Dollarn
garantiert.
Ironie des Schicksals: Die Söhne jener, die Anfang der 80er
Jahre von Militärs massakriert worden sind, dienen jetzt
selbst beim Militär. Wie im Fall Yacyretà sind 18
Familien, frustriert von den Lebensbedingungen in Pacux, an die
Ufer des Stausees zurückgekehrt. Dort leben sie in
Strohhütten von Fischfang, Jagd und dem Anbau einiger
weniger Pflanzen. Im neuen Rio Negro ist das Leben schwer - ohne
Elektrizität und ausreichende Nahrung - aber viele ziehen es
jenem in Pacux vor.
Auch die Entschädigungen für die Ureinwohner sind noch
nie - auch noch nicht 20 Jahre nach der Auffüllung des Sees
- vollständig ausbezahlt worden. Und wenn sie erstattet
worden sind, handelt es sich um Beträge, die jeder
Entschädigung spotten: Sie bewegen sich zwischen 8 und 172
Dollar! Außerdem haben sie großteils noch keine
Besitzrechte für die neu zugewiesenen Güter in Pacux
erhalten.
Die fehlende Effizienz der Anlage Nach der Auffüllung
des Sees im Jahr 1983 ging das Kraftwerk in Betrieb. Nach
fünf Monaten wurde es aber wieder gestoppt, weil man den
Zusammenbruch des Tunnels befürchtete, durch den das Wasser
vom Stausee zum Kraftwerk gelangte. Die Anlage wurde erst wieder
im Jahr 1985 nach den Sanierungsarbeiten eröffnet, aber das
Kraftwerk produzierte niemals mehr als 70 Prozent der
ursprünglich vorgesehenen Energie. Die laufenden Kosten sind
sehr viel höher als ursprünglich geplant und technische
Probleme erforderten immer wieder kostspielige
Reparaturarbeiten.
Jetzt besteht auch noch die Gefahr, dass das Gebiet um den
Stausee zur Wüste wird, nachdem die Wälder rundherum
schonungslos abgeholzt worden sind; alle bisherigen
Wiederbewaltungsversuche sind jedenfalls gescheitert - vielleicht
auch deshalb, weil sie zu spät gestartet wurden. Auch die
Verlandung des Sees geht sehr viel schneller vor sich als
ursprünglich errechnet, bereits in 20 Jahren könnte er
verlandet sein. Weder die Weltbank noch die INDE haben vor dem
Bau eine Prüfung der Umweltverträglichkeit
durchführen lassen.
Das Projekt stellte sich auch als Desaster in finanzieller
Hinsicht heraus. Vor allen Dingen hilft das Kraftwerk kaum den
Energiebedarf des Landes zu decken, wenn auch die
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gesunken ist; doch
Guatemala gibt jährlich immer noch 150 Millionen Dollar
für die Energiegewinnung aus. Das Chixoy-Projekt kostet
jährlich mindestens 8 Millionen Dollar und nur wenn es voll
arbeitet, können 50 bis 70 Prozent des Bedarfs des Landes
gedeckt werden - ein Zustand, der nicht oft erreicht wird.
Nur 30 Prozent der Bevölkerung Guatemalas verfügen
über elektrische Energie. Eine Erhebung der Weltbank im Jahr
1996 ergab, dass "die durchschnittliche jährliche Produktion
in Chixoy 1.300 Gigawatt beträgt". Bedenkt man die Kosten
für die Anlage von 1,2 Milliarden Dollarn (521 Prozent
höher als ursprünglich vorgesehen), ist das
natürlich eine geringe Leistung.
Das Lesotho Highlands Water Project (LHWP) ist im Jahr 1986
mit einem Vertrag zwischen der Republik Südafrika und der
Regierung von Lesotho geboren worden. Das Projekt sieht insgesamt
fünf Staumauern vor, 200 km Tunnels, die die Maluti-Berge
durchschneiden, und eine Elektrozentrale von 72 Megawatt, die
Lesotho mit Energie versorgen soll. Das Hauptziel des Projekts
war es, der südafrikanischen Provinz Gauteng Wasser aus den
Flüssen Malibamatso und Senqunyane - beides Nebenflüsse
des Oranje - zu liefern. Gauteng ist eine hochindustrielle
Provinz, in der sich auch die Städte Pretoria und
Johannesburg befinden. Der Abschluss des Projekts war für
2017 vorgesehen. Laut Vertrag muss Südafrika alle Kosten des
Projekts tragen, außer jene für die Produktion der
elektrischen Energie. Auch das nach Südafrika gelieferte
Wasser verpflichtete sich Südafrika an den Binnenstaat zu
bezahlen.
Die Weltbank bezahlte 110 Millionen Dollar für die Phase 1A
und 120 Millionen für die Phase 1B und ist wieder einmal die
treibende Kraft in einem Megaprojekt. Daneben kamen 50 Millionen
Dollar von der Afrikanischen Bank für Entwicklung, 57
Millionen vom Europäischen Entwicklungsfonds und 230
Millionen von der Südafrikanischen Bank für
Entwicklung. Insgesamt sieht das Projekt Investitionen von acht
Milliarden Dollar vor.
Bis heute ist erst eine Staumauer, jene von Katse, fertiggestellt
worden. Sie ist 185 Meter hoch und gehört zur Phase 1A, zu
der auch der 48 Kilometer lange Tunnel zählt, durch den das
Wasser vom Stausee zur Elektrozentrale Muela fließt. Von
dort wird das Wasser weiter nach Gauteng geleitet. Derzeit
beginnen die Arbeiten für die Staumauer Mohale, die 55 Meter
hoch werden soll. Das Wasser aus diesem See soll dann durch einen
16 km langen Tunnel in den Katse-Stausee fließen.
Hier einige der primären Ziele Lesothos, die von nationalem
Interesse sind: Bekämpfung der Armut; Schutz und
Förderung der Gesundheit; Schutz der Gesundheit und
Sicherheit der Arbeitskräfte; Integration der Bereiche
Umwelt und Entwicklung in den Entscheidungsprozess;
Förderung einer nachhaltigen Entwicklung der Bergregionen;
umsichtige Führung der Wasserreserven; Prüfung von
Projekten auf ihre Umweltverträglichkeit; Stärkung der
NGOs als potentielle Entwicklungspartner. Vergleicht man diese
Ziele mit dem Katse-Staudamm-Projekt wird sehr schnell klar, dass
nahezu keines verfolgt bzw. auch nur in Erwägung gezogen
worden sein kann.
Die Basotho
Die lokale Bevölkerung ist wieder einmal nicht gefragt
worden - weder als der Vertrag abgeschlossen worden ist noch
während des Baus des ersten Staudammes. Betroffen sind die
Basotho, die Teil des Mehrheitsvolkes von Lesotho sind. Der
Staat, der völlig von Südafrika umschlossen ist, ist
30.000 Quadratkilometer und damit etwa gleich groß wie
Belgien.
Um für das Projekt zu arbeiten, kamen rund 20.000 Personen,
vorwiegend aus Südafrika, in das Hochland. Dadurch wurde die
lokale Bevölkerung der Basotho, die knapp 25.000 Menschen
zählt, beinahe verdoppelt. Das führte unweigerlich zu
Spannungen. Jene Basotho, die als Handlanger angestellt worden
waren, wurden sehr schlecht behandelt. Als sie sich im Jahr 1996
organisiert hatten und einen Streik begannen, wurden fünf
von ihnen umgebracht. Die Weltbank setzte daraufhin zwar eine
angeblich unabhängige Kommission ein, unterstützte das
Projekt aber weiterhin.
Die LHDA (Lesotho Highlands Development Authority), die das
Projekt in seiner Gesamtheit durchzieht, zog nach dem Abschluss
der Phase 1A in Erwägung, die Gehälter der Arbeiter zu
kürzen. Dazu ist in einem internen Dokument der Weltbank zu
lesen: "In der Phase 1A waren die Gehälter nach den
Mindestlöhnen berechnet worden, die in Südafrika
bezahlt werden. Wenn in der Phase 1B der Mindestlohn Lesothos
angewandt wird, könnte das zu Problemen mit den Arbeitern
und mit dem Fortschreiten der Arbeiten führen." In der Tat
ist der Mindestlohn in Lesotho um 50 Prozent niedriger als in
Südafrika.
Ein weiteres Problem, das mit den Arbeitern aus Südafrika in
die Heimat der Basotho kam, waren neue Krankheiten wie AIDS, die
sich schnell ausbreiteten. Daneben stiegen die Prostitution und
der Alkoholismus rapide an.
2.000 Menschen erlebten die Konsequenzen der
Staubeckenfüllung am eigenen Leib. Sie verloren 300
Häuser, 1.000 Hektar kultivierbares Land, 3.000 Hektar Weide
und damit ihre Existenz. Dabei ist das Hirtentum für die
Basotho in traditioneller und kultureller Hinsicht sehr wichtig.
Als die Menschen wegziehen mussten, ergaben sich große
Probleme für sie. Sogar die Weltbank räumte ein, dass
es nicht möglich sei, die ursprünglichen Bedingungen im
neuen Siedlungsgebiet wiederherzustellen.
Das LHWP-Projekt sah zwei Formen von Kompensierung vor: eine
direkte und einen landwirtschaftlichen Entwicklungsplan (Rural
Development Plan, RDP). Die direkten Maßnahmen betreffen
die Errichtung der Häuser, die jährliche Lieferung von
Saatgut oder die Auszahlung von Geld für 50 Jahre sowie
Futter für das Vieh; wie viel jeder erhalten sollte, hing
von den verlorenen Hektar ab und von der mittleren Ernte. Wer
Bäume oder Land verloren hatte, erhielt eine bestimmte Summe
Geldes. Besonders der Verlust von Land war sehr schlimm, denn es
existierten keine realen Möglichkeiten der Kompensation, vor
allem wenn man bedenkt, dass nur neun bis zehn Prozent des Landes
Lesothos kultivierbar sind.
Der Bau der Hütten ging sehr schleppend voran: Die
Häuser, die ab den Jahren 1990/91 entlang der
Hochspannungsleitung erbaut worden sind, waren im Oktober 1995
noch immer nicht bezugsfertig wie aus dem Bericht der Weltbank
hervorgeht. Der RDP, der mit dem Verkauf des Wassers gekoppelt
werden sollte, ist nach wie vor ein Plan auf dem Papier
geblieben. Nach einem Bericht der LHDA aus dem Jahr 1993 ist die
Mehrheit der Personen sehr unzufrieden mit der Entschädigung
- sei es in Form von Geld, sei es in Form von Nahrungsmitteln.
Der Nährwert der angebauten Produkte (97 Prozent Getreide, 3
Prozent Gemüse) ist sehr gering, sodass sich infolge der
Unterernährung Krankheiten ausbreiten.
Erdbeben und Wassermangel
Im Oktober 1995 wurde der Stausee gefüllt. Danach kam es zu
einer Reihe von Erdbeben: 95 Erdstöße in 16 Monaten.
Sie waren wahrscheinlich von den 350 Millionen Tonnen Wasser
verursacht worden, die sich im See stauten. Ein Spalt von 1,5
Kilometer Länge hat sich im Dorf Mapeleng aufgetan. Daneben
sind einige Trinkwasserquellen ausgetrocknet. Diese Ereignisse
haben die Befürchtungen der Bevölkerung noch
verstärkt. Natürlich wurde auch dieses Projekt ohne
eine umfassende Prüfung der Umweltverträglichkeit
begonnen; dafür sind 35 Studien über die Flora und
Fauna des Gebietes durchgeführt worden. Sie dienen als
Grundlage für die Eröffnung eines botanischen Gartens
in Katse. Zu diesem Zweck sind 350 verschiedene Arten aus dem
ursprünglichen Gebiet des Stausees entnommen worden.
Außerdem sollten die Bewohner mittels Videobildern
über die Natur und ihre Umgebung geschult werden: Man will
also jene Personen schulen, die bereits ihre Umgebung kennen -
eine zumindest seltsame Art der Schulung.
Dafür sind für die nächste Phase des LHWP genauere
Maßnahmen vorgesehen und ein Budget für
Prävention und Information: "Während der Phase 1A wurde
kein integriertes System für den Schutz der Gesundheit
angewandt; es sind zwei parallele Sanitätssysteme im Gebiet
entwickelt worden, eines für die angestellten Arbeiter und
das andere für die lokale Bevölkerung; die Phase 1B
sollte ein Sanitätssystem enthalten, die beide Gruppen
berücksichtigt."
Jüngste Studien belegen, dass die ursprünglich
gemachten Schätzungen über das Wasservorkommen in
Lesotho zu optimistisch waren. Im Hochland gibt es demnach zu
wenig Wasser, um alle fünf vorgesehenen Stauseen zu
speisen.
In der nächsten Phase, mit dem Bau des Mohale-Staudammes,
müssten geschätze 1.500 Personen im Distrikt Thaba
Tseka, eines der ärmsten Gebiete in Lesotho, ihr Land
verlassen. Und es gibt keine Garantie, dass die
Entschädigung in korrekter Art und Weise erfolgt. Daher
fordern diverse NGOs, dass:
- die noch ausstehenden Entschädigungen sofort bezahlt
werden;
- eine öffentliche Diskussion stattfinden müsse
über den Nutzen des gesamten Projekts;
- auf den Bau der drei noch fehlenden Staudämme verzichtet
wird;
- die Weltbank auf eine weitere Finanzierung des Projektes
verzichtet.
Die Staudammprojekte sind allesamt zentralistisch beschlossen
worden und haben ausschließlich die Interessen einzelner
berücksichtigt. Lokale Bedürfnisse fanden keine oder
nur kaum Beachtung. Die Finanzierungsgesellschaften waren
maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Projekte
durchgeführt worden sind. Damit Hand in Hand gingen die
wirtschaftlichen Interessen der Baufirmen. All diese Faktoren
führten dazu, dass alternative Projekte gar nie in Frage
kamen.
Im Jahr 1985 schickte sich die Weltbank beispielsweise an, mit
einem Kredit von 450 Millionen Dollar einen monströsen
Staudamm in Sardar Sarovar zu unterstützen, einem heiligen
Tal in Indien. Der Staudamm gehörte zu einem schier
unglaublichen Projekt, das den Bau von 30 Megastaudämmen,
135 mittleren und 3.000 kleineren Staudämmen vorsah. Dieses
"Narmada-Valley-Project" sollte 40 Millionen Menschen mit Energie
und Wasser versorgen. Allein in Sardar Sarovar sollten 250.000
Menschen ausgesiedelt werden, das gesamte Projekt hätte 1
Million Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Erst jahrelange Proteste der Aktivisten des Narmada Bachao
Andolan in Indien und verschiedener Menschenrechtsbewegungen
weltweit, zwangen die Weltbank dazu eine Kommission einzusetzen.
Diese schloss ihre Erhebungen im Jahr 1992 mit einem Bericht ab,
der die Weltbank zu einem Ausstieg aus dem Projekt bewog.
Jetzt sah sogar die Weltbank ein, dass es gewisse Kontrollorgane
für zu finanzierende Projekte braucht; sie gründete den
Untersuchungsausschuss "Inspection Panel". Sein erster Fall
betraf im Jahr 1995 wieder einen Staudamm. Und zwar jenen von
Arun III in Nepal, der zwar bereits projektiert, aber noch nicht
erbaut worden war. Die lokalen Organisationen liefen Sturm gegen
das Projekt und auch NGOs im Westen schlossen sich dem an.
Gemeinsam entwickelten sie einen Plan für die alternative
Entwicklung des Tales. Er sah unter anderem den Bau von mehreren
kleineren Staudämmen vor. Dazu kam, dass der damals seit
wenigen Wochen an den Schalthebeln der Weltbank sitzende James
Wolfensohn ein Zeichen des guten Willens setzen wollte, nachdem
die Proteste vor allem in Nepal, in den USA und in Deutschland
massivst geworden waren. Die Weltbank zog sich damals
überraschend aus dem Projekt zurück.
Plötzlich stand die italienische Firma Cogefar - die die
Arbeiten bereits in der Tasche gehabt hatte - mit leeren
Händen da. Aber nicht lange. Wenig später gewann sie
die Ausschreibung für die Arbeiten an einem Megastaudamm in
der nepalesischen Region Mustang. Als Finanzier des Projektes in
Kali Gandaki trat diesmal die Asian Development Bank auf.
Und die Cogefar war auch in Südamerika erfolgreich. Am
Bio-Bio-Fluss in Chile errichtete sie einen Staudamm bei Pangue.
Obwohl auch hier ein Rekurs bei der "Inspection Panel"
eingereicht worden war, ging das Projekt durch. Die
Begründung dafür war mehr als fadenscheinig:
"Inspection Panel" sei nur für zwei Strukturen der Weltbank
- IDA und IBRD - zuständig, nicht aber für jene, die
den Bau diesmal finanziert hatte. Geldgeber ist im Fall des
Stauwerkes am Bio Bio auch die deutsche Dresdner Bank. Andere
Banken, die sich immer wieder an Großprojekten beteiligen,
sind zum Beispiel Lehman Brothers, C.S. First Boston, J.P.
Morgan, Morgan Stanley, Smith Barney, BankAmerican Corporation,
ABB, die deutsche Hermes und die italienische SACE.
Nach dem Bau der Staudämme bleiben die umgesiedelten
Menschen mit ihren Problemen meist allein. Die Fälle in
Argentinien, Paraguay, Guatemala und Lesotho zeigen dies sehr
deutlich. Vor allem aber bleiben die Ureinwohner immer von den
Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Viel wäre zu tun, vor
allen Dingen müsste man die gemachten Erfahrungen so
verwenden, dass man in Zukunft jene Fehler, die begangen worden
sind, vemeidet. Doch Staaten, Konzerne und Banken zeigen nur
wenig Bereitschaft dafür. Als sich beispielsweise der
Internationale Gerichtshof der Indigenen Völker in Denver im
Juni 1997 mit den drei Projekten beschäftigte, wurden
verschiedene Urteile gefällt: Sie sahen vor, dass alle drei
noch einmal genau untersucht werden müssen. Im Fall von
Katse dürfte die Phase 1B niemals begonnen werden, in Chixoy
müssten die Entschädigungen noch einmal überdacht
und korrekter ausbezahlt werden. Der Gerichtshof hat auch die
italienische Regierung zum Handeln aufgerufen: Sie sollte die
einzelnen Finanzierungsprojekte für die einzelnen
Staudämme genauestens untersuchen und eventuelle
Unregelmäßigkeiten ahnden. Bis heute ist es beim
Aufruf geblieben.