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Mapuche (Chile)

Die verlogene Befriedung

Gabriel Sanhueza Suárez

Die Mapuche ziehen zwölf Jahre nach dem Rücktritt von General Pinochet eine negative Bilanz. Die 1980 gehegten Hoffnungen, ein neues Verhältnis zum Staat und zur chilenischen Gesellschaft aufbauen zu können, wurde nicht erfüllt. Ungelöst blieben die Fragen nach einer Anerkennung ihres Status als Volk und institutionelle Garantien zur Sicherung dieses Status; offen blieb die Frage nach einer Rückgabe der Ländereien ihrer Vorfahren. Die Mapuche sind mit fast einer Million Menschen eines der zahlreichsten indigenen Völker Amerikas. Seit der Besetzung des Mapuche-Landes Ende des 19. Jahrhunderts, beschönigend die "Befriedung von Araukanien" genannt, mussten und müssen sie gegen schwierigste Bedingungen ankämpfen. Die Besetzung und Aufteilung ihrer Gebiete und die Errichtung von Reservaten führten zur Verarmung der Mapuche sowie zu einem Umweltkollaps in der indigenen Regionen. Die Ausbeutung begann mit der "Befriedung von Araukanien", in deren Verlauf 30 Millionen Hektar Land enteignet wurden. Diese Situation spitzte sich während des Militärregimes unter Pinochet zu. Indigene verloren ihr Land, das verbliebene Reservatsterritorium wurde parzelliert.

Unsere Organisation "El Canelo de Nos" arbeitet mit den Mapuche-Gemeinschaften um den See Lleu Lleu in der Provinz Arauco (500 km südlich von Santiago) zusammen. Wir müssen zudem feststellen, dass die Zerstörung der Umwelt unaufhaltsam weitergeht. Die Erosion der Böden, die Zerstörung der ursprünglichen Wälder, die Aufforstung mit Kiefern und Eukalyptus, die Abnahme des Tierbestandes, die versickernden Wasserläufe und die Aufsplitterung der indigenen Ländereien sind die offensichtlichsten Schäden. In Tirúa, einer der ärmsten Regionen des Landes, besitzt eine einzige Holzfabrik 70 Prozent des Landes. Die Folgen sind die geringer werdenden Einflussmöglichkeiten, der Sprachverlust (die Mapuche-Sprache wird bis heute nicht in den Schulen gelehrt), die kulturelle Verarmung und die Migration vieler Mapuche in die Städte. Dadurch verlieren die Mapuche langsam ihr Siedlungsgebiet.

Insgesamt zeigt Chile im Prozess des Übergangs zur Demokratie, der schon 12 Jahre dauert, wenige Fortschritte und große Widersprüche gegenüber der wichtigsten Forderung der indigenen Völker: Anerkennung und Respektierung ihrer kollektiven und individuellen Rechte als Volk. Die Versuche des chilenischen Staates in den 90er Jahren, rechtliche und institutionelle Änderungen hin zu einer Anerkennung der indigenen Völker voranzubringen, bewerten die Mapuche auf Grund der dürftigen Erfolge kritisch.

Die große Errungenschaft war das Land-Gesetz (Nr. 19.253 von 1993), das indigenes Landeigentum schützen und eine weitere Veräußerung von Gemeindeland verhindern soll. Mit dem Gesetz wurden auch die "Nationale Kommission für indigene Entwicklung" (CONADI) gegründet. Die Conadi soll über die Einhaltung und Umsetzung des Gesetzes wachen. Die Mapuche-Organisationen bewerten das Gesetz als protektionistisch und überflüssig, da es die Anerkennung ihrer wesentlichen Rechte als Volk nicht beinhaltet. Außerdem kritisieren sie, dass mangels politischen Willens das Gesetz nicht umgesetzt wird.

Tatsächlich sind die indigenen Gebiete immer noch ungeschützt und die dort vorkommenden natürlichen Ressourcen sind weiterhin unter der Kontrolle großer Holzfabriken, Minen oder Wasserkraftwerke. Der Bau von Staustufen zur Energiegewinnung am Fluss Bio Bio, durch den die Ländereien von zwölf Mapuche-Familien überschwemmt wurden, ist eines von vielen Beispielen. Die indigenen Völker Chiles leiden wesentlich stärker unter der Ungleichheit als die nicht-indigene Bevölkerung: 2000 gehörten 42 Prozent der indigenen Bevölkerung zum ärmsten Fünftel der chilenischen Gesamtbevölkerung, während der nicht-indigene Anteil an diesem Fünftel nur 22 Prozent betrug.

Die Mapuche-Gemeinden fordern den chilenischen Staat in der indigenen Frage zu tiefgreifenden Reformen auf, wie zur
- Anerkennung der indigenen Völker in der Verfassung,
- grundlegende Änderungen in der Gesetzgebung zum Schutz indigener Rechte,
- Einrichtung eines Verzeichnisses der Ländereien und der darauf befindlichen natürlichen Ressourcen, um deren Erhalt zu erleichtern und die Möglichkeit einer nachhaltigen Nutzung durch die Gemeinden sicherzustellen
- Ratifizierung aller internationalen Verträge, die zu einer Verbesserung der Situation indigener Völker beitragen (ILO-Konvention 169).

Gabriel Sanhueza Suárez ist Leiter der chilenischen NGO El Canelo de Nos, www.elcanelo.cl. Aus "pogrom / bedrohte Völker" (Nr. 217 - 1/2003).


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/mapuche.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-00/12a-1-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/seattle.html | www.gfbv.it/3dossier/diritto/ilo169-conv-dt.html
* www: liwen_temuko.tripod.com/map.interest.html | www.mapuche-nation.org/ | www.universidadmapuche.org/ | www.congresomapuchelota2003.dm.cl | www.elcanelo.cl

Letzte Aktual.: 3.9.2003 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapuche-de.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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