Von Mateo Taibon. Herausgegeben von der Gesellschaft für bedrohte Völker - Lia por i popui manacês Mit freundlicher Unterstützung der Consulta per i problems ladins dl Comun de Bulsan. © 2001-2005
Einleitung
Wenn man deutsche und italienische Südtiroler nach den
Ladinern fragt, so ist die Antwort meist recht karg. Das Wissen
um Ladinien und seine Bewohner ist ziemlich gering, die
Vorstellungen recht verschwommen und oft von Klischees
geprägt. Land und Leute, Sprache und Kultur, Geschichte und
Gegenwart Ladiniens sind den Nachbarn der ältesten
Sprachgruppe Südtirols - und gleichzeitig der einzigen
autochthonen Sprachgruppe - wenig bekannt. Das Ziel dieser
Unterrichtseinheit ist es, die Nachbarn der Ladiner über
diese Sprachgemeinschaft zu informieren. Es hat sich nämlich
gezeigt, dass die Südtiroler sehr wohl interessiert sind und
ihnen vielfach nur die Möglichkeit fehlt, sich über
Ladinien zu informieren. Dazu muss angemerkt werden, dass bisher
in den Südtiroler Schulen zumeist recht wenig über die
Ladiner unterrichtet wurde - in den Schulbüchern werden die
Ladiner und ihre Geschichte, Sprache und Kultur nur am Rande
erwähnt, von Pädagogik und Politik wurde das Wissen um
die Ladiner nie besonders gefördert; angesichts der
Tatsache, dass die Ladiner keineswegs Exoten, sondern
Mitbürger dieses Landes sind und als erste zur Geschichte
dieses Landes gehören, ein unverständliches Verhalten.
Diese Unterrichtseinheit schließt eine Lücke; sie
erhebt jedoch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sehr
wohl aber erhebt sie den Anspruch darauf, den gängigen,
meist oberflächlichen, immer wieder auch parteipolitisch
motivierten rosigen Schilderungen eine realistische
Bestandsaufnahme entgegenzusetzen. Die vorliegende
Unterrichtseinheit soll eine erste Grundinformation geben und als
Anregung dienen, sich mit dem vielschichtigen Thema Ladiner &
Ladinien weiter auseinanderzusetzen.
Welches Bild haben wir von Ladinien und den
Ladinern?
Viele Südtiroler haben ein eher folkloristisches Bild der
Ladiner. Die Ladiner stehen für Tourismus, Hotels,
Holzschnitzerei. Minderheiten werden allgemein oft sehr
folkloristisch gesehen. Wenn man in italienischen Zeitungen
blättert, so wird mit "Südtirol" meist Folkloristisches
verbunden - Trachten, Knödel und Speck. Ähnlich stehen
Folklorismus und Klischees im Mittelpunkt, wenn die
Südtiroler über die ladinischen Mitbürger
schreiben. Sehr oft werden Trachten gezeigt (v.a. die
Grödner Tracht) oder Berge, Skifahrer bzw. Tourismus
allgemein.
Ladinien ist aber viel mehr, es ist eine kulturelle Wirklichkeit
mit einer langen, wechselvollen Geschichte - und wechselvollen,
schwierigen Gegenwart. Denn die Mehrheiten haben nicht allzuviel
Verständnis für die Anliegen der Minderheit, auch wenn
in politischen Reden das Gegenteil verkündet wird.
Meist werden zudem nur die Ladiner der Provinz Bozen zur
Kenntnis genommen, jene der anderen Provinzen aber nicht. Doch
ist "Ladinien" weit mehr als Dolomitenladinien. In
Graubünden (Grischuns) wird auch ein ladinischer
(rätoromanischer) Dialekt gesprochen, ebenso im Friaul.