Bozen, Göttingen, Srebrenica, 10. Juli 2003
Schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft
hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
anlässlich des achten Jahrestages des Falls der
ostbosnischen Stadt Srebrenica (11.7.) erhoben. "Nach
Schätzungen unserer Menschenrechtsorganisation waren
mindestens 500 Todesschützen serbischer Einsatzgruppen an
den Massenerschießungen der 8.000 Männer und Knaben im
Juli 1995 beteiligt. Sie alle sind noch auf freiem Fuß",
kritisierte der Präsident der GfbV International, Tilman
Zülch, am Donnerstag in Göttingen. "Alle diese
Mörder müssen zur Verantwortung gezogen werden, sonst
gibt es keine Sicherheit für die Rückkehrer. Die
Regierungen der westlichen Länder haben es zugelassen, dass
die nach wie vor von der Karadzic-Partei SDS dominierte so
genannte Republika Srpska Bosniens zu einem
"Kriegsverbrechernest" geworden ist. Dieses Nest muss ausgenommen
werden, damit sich die Täter, unter ihnen Radovan Karadzic
und Ratko Mladic, auch dort nicht mehr sicher fühlen
können, nachdem in Serbien rechtsstaatliche Zustände
eingekehrt sind."
Ausdrücklich nehme die GfbV das internationale Tribunal in
Den Haag von dieser Kritik aus, sagte Zülch. Dieses hat den
General Radislav Krstic wegen Genozid in Srebrenica zu 46 Jahren
Haft verurteilt. Zwei weitere derzeit wegen Völkermordes in
der Stadt an der Drina Angeklagte, die Offiziere Dragan Obrenovic
und Momir Nikolic, haben zugegeben, dass das Massaker an den
Muslimen in Srebrenica genau geplant und systematisch
durchgeführt worden sei. Nach Angaben der bosnischen Sektion
der GfbV (Büros in Sarajevo und Srebrenica) sollen neben den
8.000 erschossenen männlichen Einwohnern der ehemaligen
UN-Schutzzone weitere 2.000 Menschen, überwiegend Frauen und
Kinder, während der Belagerung und nach dem Fall der Stadt
ums Leben gekommen sein. Bisher wurden rund 6.500 der Opfer aus
Massen- und Einzelgräbern exhumiert, 1.620 identifiziert und
600 bestattet. 282 werden morgen in Potocari, einem Vorort von
Srebrenica, beigesetzt. Mitarbeiter der GfbV aus Bosnien,
Deutschland und aus der Schweiz werden bei der Trauerfeier dabei
sein.
Die GfbV arbeitet seit 1995 eng mit der Mütterbewegung von
Srebrenica zusammen. Bis zum Vorabend des Massenmordes hatte die
GfbV ständig Funkkontakt mit dem Radioamateur in der
eingeschlossenen Stadt. Auch er gehört zu den
Ermordeten.