Bozen, 22. April 2004
An die Abgeordneten des Südtiroler Landtages,
an die Abgeordneten des italienischen Parlaments.
Sehr geehrte
Abgeordnete!
Am 25. April feiert die Republik den Tag der Befreiung vom
Nazi-Faschismus. Das Erbe und der Ausdruck der Befreiung ist die
republikanische Verfassung, die ausdrücklich den Schutz der
Minderheiten vorsieht. Erst nach vielen Jahrzehnten erließ
vor einigen Jahren die Mitte-Links-Regierung ein entsprechendes
Rahmengesetz zum Schutz der Minderheiten, das nur schleppend
umgesetzt wird.
In dem Gesetz keine Beachtung gefunden haben die Angehörigen
der Sinti und Roma. Die beiden Volksgruppen wurden in der
NS-Ära verfolgt. Auch die Sinti und Roma sollten vernichtet
werden. Schätzungsweise mehr als eine halbe Million Sinti
und Roma wurden in den KZ ermordet.
Trotzdem blieb bisher eine gesellschaftliche Wiedergutmachung
aus. Die in den 80er Jahren italienweit, auch in Südtirol,
errichteten "campi nomadi" sind gescheitert. Diese fixen
Standplätze haben die Integration in die
Mehrheitsgesellschaft nicht erleichtert, vielmehr wurden sie zu
Ghettos. Sinti und Roma dieser Standplätze beklagen auch
behördliche und polizeiliche Willkür, wie das European
Roma Rights Center (Budapest) immer wieder dokumentiert.
Wir unterstützen die Forderung der Ethnologin Elisabeth
Tauber, die ein neues Konzept fordert. Sie fordert die Gemeinden
auf, fixe Wohnplätze Sinti und Roma zur Verfügung zu
stellen. Dadurch wird auch der Schulbesuch der Kinder
ermöglicht und garantiert. Es kann nicht sein, dass für
Sinti und Roma nur dort Wohnplätze ausgewiesen werden, die
als wenig menschenverträglich gelten: an Autobahnkreuzen, an
Schnellstraßen, neben Mülldeponien und
Kläranlagen.
Die bisherigen Provisorien "campi nomadi" müssen zu festen
Bestandteilen der urbanistischen Planung werden. Die Ethnologin
Tauber erinnert daran, dass es sich bei Sinti und Roma nicht um
"Nomaden" handelt. Dieser Bezeichnung erleichtert nur das
Abschieben der Sinti und Roma.
Die Sinti und die Roma sind ethnische Minderheiten, die endlich
als solche anerkannt werden sollen - italienweit, in
Südtirol. In Italien soll es mehr als 100.000 Sinti und Roma
geben, in Südtirol 700 Sinti. Wir fordern dazu auf, die
Ausweisung von Wohnplätzen für Sinti und Roma und deren
Integration im Dialog mit den Betroffenen durchzuführen. Im
Sinne der Aufrufe der EU und des Europarates.