Bozen, Göttingen, 2. Januar 2005
Eine Woche nach der Flutkatastrophe sind Armee und
Behörden Indonesiens noch immer unfähig, für die
besonders betroffene Provinz Aceh eine internationale Hilfsaktion
effektiv zu koordinieren. Diesen schweren Vorwurf hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Sonntag
erhoben. "Für zehntausende Überlebende kommt die nun
aus dem Ausland eintreffende Hilfe zu spät, wenn die
Verteilung der Hilfsgüter nicht endlich professionell
koordiniert wird", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius in Göttingen. "Bürokratie und Allmacht der
Militärs verhindern bis jetzt eine schnelle humanitäre
Versorgung." Die wenige Hilfe, die bei den Überlebenden
ankomme, werde vor allem von Privatleuten und indonesischen
Nichtregierungsorganisationen geleistet.
"Es ist blanker Zynismus, wenn die Armee nach der Flutkatastrophe
einen Waffenstillstand ankündigt, doch ungeachtet dieser
schlimmsten Katastrophe in der Geschichte Acehs ihre
Militär-Aktionen gegen die Freiheitsbewegung GAM
unvermindert fortsetzt", erklärte Delius. "Soldaten
können nicht gleichzeitig als Kämpfer und als
humanitäre Helfer auftreten." So würden in der Stadt
Banda Aceh eintreffende erschöpfte und traumatisierte
Flüchtlinge von Soldaten verhört und nach Kontakten mit
der GAM befragt. Sowohl im Norden als auch im Osten Acehs seien
in den vergangenen Tagen Dörfer nach GAM-Kämpfern
durchsucht, Zivilisten von Soldaten bedroht und
eingeschüchtert und mutmaßliche Stellungen der GAM
angegriffen worden.
"Das wahre Ausmaß der Katastrophe ist sehr viel
größer, als von der indonesischen Regierung bislang
eingeräumt wird", warnte Delius. Als Freitagnacht offiziell
80.246 Tote in Aceh gezählt waren, stellte die Regierung
jede weitere Zählung ein. Der indonesische Botschafter in
Malaysia Rusdihardjo hatte am Donnerstag von bis zu 400.000
Opfern unter den vier Millionen Bewohnern Acehs gesprochen. Drei
überlebende Flüchtlinge, die in einem fünf Tage
dauernden Marsch 150 Kilometer entlang der zerstörten
Westküste Acehs zurückgelegt hatten, hatten der
"Washington Post" von Dutzenden zerstörten Dörfern und
Städten berichtet, in denen kein Lebenszeichen zu bemerken
war. Das von ihnen durchquerte Gebiet gehörte zu den am
dichtesten besiedelten Regionen Acehs. Der seit 25 Jahren in Aceh
tätige Biologe Mike Griffiths berichtete nach einem
Hubschrauberflug, auf einer Strecke von 200 Kilometer gleiche ein
Kilometer breiter Küstenstreifen an der Nordwestküste
Acehs einem Trümmerfeld.