Bozen, Göttingen, Brüssel, 15. März 2005
Anlässlich der Beratungen über einen möglichen
Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien am Mittwoch in
Brüssel hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) den Regierungen aller 25 EU-Mitgliedstaaten ihren neuen
Report über die Diskriminierung der serbischen Volksgruppe
und die rassistische Ausgrenzung der kleinen Roma-Minderheit in
Kroatien übersandt. Darin empfiehlt die
Menschenrechtsorganisation zwar den Beginn von
Beitrittsverhandlungen, appelliert gleichzeitig jedoch an die EU,
die völlige Gleichbehandlung dieser beiden ethnischen
Gemeinschaften zur Vorbedingung einer Aufnahme Kroatiens in die
EU zu machen.
Die serbische Volksgruppe wird bis heute diskriminiert,
kroatische Behörden und Gerichte missachten ihre Rechte,
heißt es in dem Report. Nur rund ein Drittel der 300.000
kroatischen Bürger serbischer Nationalität, die von
kroatischen Armee bei der Wiedereroberung der Krajina vertrieben
worden waren, konnten zurückkehren. Kroatische Gerichte und
Behörden verschleppen die Anerkennung und Rückgabe von
Wohnungen, Häusern, Grundstücken und Ländereien
oft so lange, bis die betroffenen Eigentümer aus
Altersgründen nicht mehr zurückkehren können und
ihre Kinder der Heimat entfremdet sind. Lebten 1990 etwa 600 000
Serben in Kroatien, sind es heute nur noch 201 631 Menschen*.
Außerdem werden serbische Arbeitssuchende vielfach von
kroatischen Betrieben und Behörden benachteiligt, Gerichte
verzögern Entscheidungen in Sachen Wiedergutmachung oder
Anerkennung der kroatischen Staatsbürgerschaft. Während
kroatische Kriegsverbrechen an Angehörigen der serbischen
Volksgruppe nur unzureichend untersucht werden, werden
mutmaßliche serbische Täter sogar in Abwesenheit
verurteilt.
Die 30.000 bis 40.000 Angehörigen der kroatischen
Roma-Gemeinschaft leiden unter rassischer Diskriminierung,
Segregation im Bildungswesen. Auf dem Arbeitsmarkt werden sie
total benachteiligt. Während die serbische Volksgruppe so
wie sieben andere ethnische Minderheiten Kroatiens -
erfreulicherweise - mit eigenen Abgeordneten im nationalen
Parlament vertreten sind, wurde den Roma kein eigener
Repräsentant in der Volksvertretung zugestanden. Scharf
kritisiert die GfbV, dass in einigen Regionen Kroatiens alle
Roma-Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in getrennte Klassen
von Hilfs- und Sonderschulen gezwungen werden. In diesem
Zusammenhang erinnert die Menschenrechtsorganisation an die
Ausrottung von 28 000 der damals 28 500 Roma während des
Zweiten Weltkrieges durch das Ustascha-Regime Kroatiens.
* Anmerkung: Präsident Franjo Tudjman hat bis zu seinem Tode keine ernsthaften Schritte für die Rückkehr der Vertriebenen unternommen. Nach Auffassung der GfbV ist dieses Unrecht auch nicht mit der Vernichtung von etwa 13 000 kroatischen Zivilisten während des serbisch-kroatischen Krieg zu entschuldigen. Kroatischen Racheakten waren Hunderte von kroatischen Serben zu Opfer gefallen.