Bozen, Göttingen, 15. Dezember 2005
Als "Schlag für die Ureinwohner auf der russischen Insel
Sachalin und ihre Unterstützer" hat die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) die Entscheidung der
Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD
bezeichnet, in die Beratungsphase für "Sachalin II", das
weltweit teuerste Öl- und Gasförderprojekt,
einzusteigen. "Dieses Entscheidung ist ein bedrohliches Anzeichen
dafür, dass die EBRD ernsthaft daran interessiert ist, das
gigantische Projekt mitzufinanzieren, und dadurch auch die
Beteiligung anderer Banken provoziert", sagte die GfbV-Referentin
für die GUS-Staaten, Sarah Reinke, am Donnerstag in
Göttingen. "Doch dann werden die schlimmsten
Befürchtungen der indigenen Gruppen auf Sachalin wahr. Die
Erschließung der Gas- und Öllagerstätten auf der
Insel würde große Umweltschäden verursachen und
damit die Lebensgrundlage der Ureinwohner zerstören." Die
Niwchen, Nanai, Ewenken und Oroken leben vom Fischreichtum in den
Gewässern vor der Küste von Sachalin. Dort ist auch der
Standort der weltweit einzigen Grauwalpopulation mit etwa 100
Tieren, die ohnehin akut vom Aussterben bedroht sind. In der 120
Tage andauernden Beratungsphase sollen die Hauptkritikpunkte am
Projekt nochmals beleuchtet werden.
"Sachalin II" umfasst den Bau von zwei Förderplattformen
auf dem Festlandshelf der Insel sowie Pipelines, die die 1000
Kilometer lange Insel einmal über Land und einmal vor der
Küste unter Wasser durchlaufen sollen, um das Öl und
Gas zum Exportterminal zu liefern. Sowohl die Pipelines, die auf
der Insel 1.103 Flüsse und andere Wasserläufe
durchschneiden und auf erdbebengefährdetem Gebiet liegen
werden, als auch die Plattformen, die in unmittelbarer Nähe
des Lebensraums der Grauwale gebaut werden, sind ein
unkalkulierbares Risiko für die Umwelt und haben
unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Indigenen auf
Sachalin.
Die EBRD hat als erste Bank die Pläne für das Projekt
Sachalin II überprüft. Ihre Entscheidung ist ein
wichtiges Signal für andere Kreditgeber. Shell hält mit
55% den größten Anteil am Konsortium "Sachalin
Energy", welches das Projekt gemeinsam mit den japanischen Firmen
Mitsui (25%) und Mitsubishi (20%) durchführen will. Das
Ölkonsortium will in den nächsten Jahren mindestens
zwölf Milliarden Dollar in Sachalin II investieren.
Siehe auch das Hintergrundpapier in www.gfbv.it/3dossier/siberia/sakhal-de.html.