Bozen, Göttingen, 19. April 2006
Als Meilenstein bei der Aufarbeitung britischer
Kolonialverbrechen in Kenia hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) die Auszeichnung des Buches "Imperial
Reckoning: The Untold Story of Britain's Gulag in Kenya" von
Caroline Elkins mit dem diesjährigen Pulitzer-Preis für
Sachbücher bezeichnet. "Nach Jahrzehnten der Tabuisierung
des schmutzigsten Kolonialkrieges Großbritanniens in Afrika
gegen den so genannten Mau-Mau-Aufstand 1952-1960 kann diese
Auszeichnung dazu beitragen, dass die Überlebenden endlich
Gerechtigkeit erfahren", erklärte der GfbV-Afrikareferent
Ulrich Delius am Mittwoch. Das Pulitzer-Komitee in New York hatte
seine Entscheidung in der Nacht zum Dienstag bekannt gegeben. Der
seit 1917 alljährlich vergebene Preis gilt als die
höchste Auszeichnung für Journalisten und
Schriftsteller in den USA.
Nach der Veröffentlichung des Buches der an der Harvard
Universität in den USA lehrenden Historikerin Caroline
Elkins im Frühjahr 2005 hatte in Großbritannien eine
Debatte über die lange tabuisierte brutale Niederschlagung
der Mau-Mau-Revolte begonnen. Damals hatte die Kolonialregierung
das ganze Volk der Kikuyu hinter Gitter gebracht, um das
Auseinanderbrechen des britischen Kolonialreiches in Ostafrika zu
verhindern. Elkins hatte in "Imperial Reckoning" in hunderten
Interviews mit Überlebenden britischer Internierungslager
die grausame Wirklichkeit dieser Gulags nachgezeichnet.
Als sich die Kikuyu und andere kenianische Völker 1952
gegen die britische Kolonialherrschaft auflehnten, wurden mehr
als 10.000 Dörfer von britischen Soldaten zerstört und
die Gebiete der Kikuyu ethnisch gesäubert. Rund 1,5
Millionen Menschen wurden zwangsweise in vom Militär
überwachte und mit Stacheldraht gesicherte Siedlungen
umgesiedelt. Mehr als 70.000 Kikuyu wurden in Gefangenenlagern
eingesperrt, in denen katastrophale Lebensbedingungen herrschten:
Unternährung, Brutalität und systematische Folter
führten zum gewaltsamen Tod von Tausenden. Um vermeintliche
Unterstützer der Freiheitsbewegung zu zermürben,
folterten britische Soldaten regelmäßig in den Camps
und ermordeten willkürlich Internierte. Insgesamt kamen
verschiedenen Schätzungen zufolge bei der blutigen
Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstandes mehr als 20.000 Afrikaner
zu Tode. Offiziell wird bislang nur der Tod von 12.500 Kikuyu
eingeräumt.