Bozen, Göttingen, 27. Juni 2007
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Mittwoch vor einer Ausweitung der Tuareg-Revolte in dem
nordwestafrikanischen Staat Niger gewarnt. Zwölf Jahre nach
der Beilegung der letzten Tuareg-Rebellion eskaliere die Gewalt
im Norden des Niger erneut. Die Zahl der bewaffneten
Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der
Tuareg-Freiheitsorganisation "Bewegung der Nigerier für
Gerechtigkeit" (MNJ) nehme stetig zu, seit die MNJ im Februar
2007 mit ersten Angriffen auf sich aufmerksam gemacht habe. Erst
vergangenen Freitag seien bei einem Überfall der MNJ
mindestens 15 Soldaten getötet und 72 Armeeangehörige
in Gefangenschaft geraten. Zuvor seien drei Tuareg-Zivilisten
verhaftet und getötet worden.
An die Europäische Union appellierte die GfbV dringend, die
Regierung Nigers aufzufordern, den Dialog mit der MNJ
aufzunehmen. Nur so könne eine Ausweitung der Tuareg-Revolte
und eine Zunahme der Menschenrechtsverletzungen verhindert
werden. Bisher habe die Regierung Nigers aus den Fehlern der
Vergangenheit nichts gelernt, heißt es in dem Schreiben der
GfbV. So seien wie vor Beginn der Tuareg-Krise in den 90-er
Jahren (1991-1995) erneut Hilfszusagen und
Vertragsverpflichtungen nicht eingehalten worden, so dass die
marginalisierte Bevölkerungsgruppe der rund 100.000 Tuareg
in Niger sich nun aus Protest erheben würde. Statt den
Dialog mit der MNJ zu suchen, setze die Regierung nur auf einen
militärischen Sieg und bezeichne die Aufständischen als
Banditen.
Geschürt werde der Konflikt durch massive wirtschaftliche,
ökologische, gesundheitliche und soziale Folgen des
Uran-Bergbaus im Norden des Landes. Niger ist der
sechstgrößte Uran-Produzent der Welt. Im April 2007
hatte die MNJ mit einem Überfall auf die größte
Uran-Mine des Landes, die von nigerischen Tochter-Unternehmen des
französischen AREVA-Konzerns betrieben wird, für
Aufsehen gesorgt. Dabei wurde eine Person getötet.
Umweltschutzorganisationen werfen den Unternehmen vor,
Umweltstandards zu ignorieren und Arbeiter radioaktiver Strahlung
auszusetzen, die die zugelassenen Werte der
Weltgesundheitsorganisation 40-fach überschreite. Die lokale
Bevölkerung sei unzureichend über die medizinischen
Risiken informiert.
Tuareg fordern nicht nur Aufklärung über die
ökologischen und gesundheitlichen Gefahren des Bergbaus,
sondern verlangen auch, dass die lokale Bevölkerung mehr von
der Uran-Förderung profitiert. So müssten mehr
Arbeitskräfte aus der Region eingestellt werden und die
Gewinne aus dem Uranabbau stärker der unterentwickelten
Region zugute kommen. Seit Jahrzehnten beklagen die Tuareg die
Vernachlässigung des Nordens. Ermutigt würden die
Tuareg in Niger auch durch die Erfolge ihrer Landsleute im
Nachbarland Mali. Dort hatten Tuareg im Jahr 2004 erneut zu den
Waffen gegriffen, nachdem die Regierung ihre Versprechen nicht
eingehalten hatte. Im Februar 2007 konnten sie durchsetzen, dass
sie in den kommenden zehn Jahren Hilfen im Wert von 762 Millionen
Euro bekommen.