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Machtkampf auf der Halbinsel Krim in der Ukraine

Krimtataren jetzt nicht allein lassen!

Bozen, Göttingen, 27. Februar 2014

Moschee Dzuma-Dzami in Jewpatorija auf der Halbinsel Krim. Moschee Dzuma-Dzami in Jewpatorija auf der Halbinsel Krim.

"Die deutsche Bundesregierung darf die rund 300.000 Krimtataren auf der Halbinsel Krim nicht allein lassen", forderte der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, am Donnerstag in Göttingen. "Während Russland versucht, die russische Bevölkerungsmehrheit auf der Krim auf ihre Seite zu ziehen, Putin die russischen Truppen im Westen der Russischen Föderation in Alarmbereitschaft versetzt und Berichten zufolge schon russische Pässe verteilt, sehen die Krimtataren das multikulturelle Miteinander auf der Halbinsel gefährdet. Auch sie hatten von Beginn an die demokratischen, pro-europäischen Proteste auf dem Maidan in Kiew unterstützt", erklärte Zülch weiter.

Seit heute Morgen sind das Parlamentsgebäude und der Ministerrat der Autonomen Republik Krim mit Barrikaden abgesperrt und von illegal Bewaffneten besetzt. Polizisten haben das Zentrum weitläufig abgeriegelt. Alle öffentlichen Einrichtungen sind geschlossen. Die GfbV bittet den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier deshalb dringend, sich um eine friedliche Lösung auf der Krim zu bemühen.

Am 18. Mai 1944 hatte Josef Stalin alle Krimtataren auf Viehwaggons verladen und nach Zentralasien deportieren lassen. Bis zu 44 Prozent der Deportierten starben. Dieser Völkermord gehört mit weiteren Deportationen von damals in der Sowjetunion ansässigen Völkern zu den schlimmsten Verbrechen der jüngeren europäischen Geschichte. So wurde alles getan, um jegliche Spuren der Krimtataren zu verwischen. Ihre Häuser wurden niedergerissen, ihre Gärten ließ man verwildern, ihre Friedhöfe wurden umgepflügt und die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren entfernt. Alles auf Krimtatarisch Geschriebene und Gedruckte wurde verbrannt. Unaufhörlich wandten sich die Krimtataren aus dem fernen zentralasiatischen Exil über Jahrzehnte an die verschiedenen sowjetischen Regierungen. Nachdem Appelle von mehr als 120.000 Krimtataren unterzeichnet, ignoriert und ihre Initiatoren in Arbeitslager verbannt wurden, intensivierten sie ihre Rückkehrbemühungen. Sie sandten 4.000 Repräsentanten nach Moskau und setzten schließlich in den späten 1980er Jahren die Rückkehr ihres Volkes in die historische Heimat durch. Mustafa Dschemilew, der als Kind die Deportation überlebte, wurde zur zentralen Figur der Rückkehrbewegung. Er verbrachte 15 Jahre in sowjetischer Lagerhaft und wurde erst während des Umbruchs des Ostblocks freigelassen. 1991 wurde er zum Präsidenten des Krimtatarischen Parlaments gewählt und engagierte sich für die ukrainische Unabhängigkeit. Dschemilew erhielt 2005 den Viktor-Gollancz-Preis für Menschenrechte der GfbV, die sich seit Anfang der 1970er Jahre für die Rückkehr der Krimtataren engagiert hatte.

Ihre Rückkehr ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Mehr als 150.000 Krimtataren leben noch in Zentralasien. Heute stellen sie rund 13 Prozent der Bevölkerung auf der Krim. Seit dem Amtsantritt des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2010 haben die Anfeindungen gegen die Krimtataren zugenommen.