Bozen, Göttingen, 31. Mai 2005
"Gegen Flucht und Vertreibung - für
Rückkehr" ist das Thema der 37. Jahreshauptversammlung
der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am 04. und
05. Juni 2005 in Göttingen, zu der wir Sie hiermit herzlich
einladen. Erwartet werden rund 200 GfbV-Delegierte aus sechs
europäischen Staaten und Vertreter bedrohter Völker aus
vier Kontinenten. Vor sechs Jahrzehnten wurden 4,5 Millionen
Deutsche aus Mittel- und Osteuropa vertrieben. Etwa 2,5 Millionen
kamen dabei ums Leben. Ihr Leid muss anerkannt, ihr Schicksal
erinnert werden, damit sich Flucht und Vertreibung nicht dauernd
wiederholen und damit die Flüchtlinge der Gegenwart nach
Hause zurückkehren können. Repräsentanten von
Opfern von Vertreibung und Völkermord aus dem Irak, der
Türkei, Darfur/Westsudan, Afghanistan, Tschetschenien, von
der Krim- Halbinsel, aus Bosnien und dem Kosovo werden in einem
Podiumsgespräch und in Arbeitsgruppen über ihre
Situation berichten und über Möglichkeiten diskutieren,
Vertreibung zu verhindern.
Zur Eröffnung der Versammlung wird am Samstagvormittag um
09.15 Uhr Bundesumweltminister Jürgen Trittin sprechen.
Weiterer Höhepunkt wird die feierliche Verleihung unseres
Victor- Gollancz-Preises am Sonntag, dem 05. Juni, um 09.30 Uhr
in der Aula am Wilhelmsplatz sein. In diesem Jahr werden der
russische Menschenrechtler Sergej Kowaljow und der Krimtatare
Mustafa Dschemilew ausgezeichnet. Für ihr mutiges Engagement
für die Menschenrechte mussten der heute 75jährige
Kowaljow sieben Jahre Gefängnis und drei Jahre Lagerhaft,
der 62jährige Dschemilew 15 Jahre Lagerhaft
verbüßen. Die Laudatio für den russischen
Menschenrechtler Sergej Kowaljow hält Milan Horacek,
Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im
Europaparlament. Die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach (CDU,
Zentrum gegen Vertreibung) würdigt den krimtatarischen
Bürgerrechtler Mustafa Dschemilew.
Der GfbV-Menschenrechtspreis ist nach dem
britisch-jüdischen Humanisten, Schriftsteller und Verleger
Victor Gollancz benannt, der sich 30 Jahre lang gegen Faschismus
und Nationalsozialismus, Hunger und Armut eingesetzt hat. Er
dokumentierte schon 1933 NS-Verbrechen und organisierte nach
Kriegsende humanitäre Hilfe für deutsche Vertriebene.
Der Victor-Gollancz-Preis wird in diesem Jahr zum vierten Mal
vergeben. Er ist mit 5.000 Euro dotiert.
SAMSTAG, DEN 04. JUNI 2005 - MAX-PLANCK-GYMNASIUM,
THEATERPLATZ IN GÖTTINGEN
09:00 - 10.30 Uhr
- Begrüßung Tilman Zülch (Generalsekretär)
und Heiko Wächter (Vorstandsvorsitzender)
- Ansprache von Bundesumweltminister Jürgen Trittin
- Grußwort des Vizepräsidenten der GfbV International
André Rollinger für die GfbV-Sektionen
- Grußworte von Kurdenführer Dilshad Barzani
(Repräsentant der Regionalregierung von Kurdistan-Irak in
Deutschland) sowie Berat Cerimi, Sprecher der Aschkali aus dem
Kosovo
- Arbeitsbericht des Vorstands der Gesellschaft für bedrohte
Völker Deutschland
10:30 Uhr
- Gegen Flucht und Vertreibung - für Rückkehr Tilman
Zülch
11:00 Uhr
- Podiumsgespräch: "Vertreibung verhindern - Rückkehr
ermöglichen" mit Ahmed Musa aus Darfur/Sudan; Lipkan
Basajewa aus Tschetschenien; Rahman Nadjafi aus Afghanistan;
Pater Immanuel Youkhana, Assyro- Chaldäer aus dem Irak;
Fadila Memisevic aus Bosnien-Herzegowina; Prof. Dr. Rudolf
Grulich, dt. Heimatvertriebener; Abubekir Saydam (Beko) aus
Kurdistan; Moderation: Dr. Tessa Hofmann, Expertin für
Nahost und Transkaukasus
13:00 Uhr
- Mittagspause
15:00 Uhr
- Arbeitsgruppen
16:30
Uhr Kaffeepause und anschließend Berichte aus den
Arbeitsgruppen
17:30 Uhr
Verleihung der GfbV-Ehrenmitgliedschaften
18:00 - 19:00 Uhr
Filmvorführungen zum Thema Flucht und Vertreibung:
Darfur-Mission der GfbV 2004; Deutschland 1945
19:00 Uhr
Abendessen mit Gelegenheit zu Gesprächen bei Musik
FOTOAUSSTELLUNGEN:
- "Die Itelmenen in Kamtschatka/ Sibirien". Einführung: Tjan
Zaotschnaja, Itelmenin, GfbV-Vorstandsmitglied
- "Verfolgung der Roma und Aschkali". Einführung: Miradija
Gidzic, Roma aus dem Kosovo, GfbV-Team Kosovo
SONNTAG, DEN 05. JUNI 2005, 09.30 UHR - AULA AM
WILHELMSPLATZ, GÖTTINGEN
Verleihung des Victor-Gollancz-Preises
Preisträger:
- Sergej Kowaljow
- Mustafa Dschemilew
Laudatoren:
- Milan Horacek, MdEP
- Erika Steinbach, MdB
Musikalischer Rahmen: Musizierschule MUSI-KUSS
Mit dem Victor-Gollancz-Preis ehrt die Gesellschaft für bedrohte Völker seit dem Jahr 2000 Personen oder Organisationen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekannt machen, sich für die Opfer einsetzen oder als Schicksalsgemeinschaft die an ihnen verübten schweren Menschenrechtsverletzungen bewältigen müssen. Der in London geborene polnisch-jüdische Verleger, Autor und Humanist Victor Gollancz (1893-1967) setzte sich 30 Jahre lang gegen Faschismus und Nationalsozialismus, gegen Hunger und Armut, gegen die Todesstrafe, für die deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge und für die Völkerverständigung ein. Nach Kriegsende organisierte er eine Luftbrücke mit Hilfslieferungen nach Deutschland und Osteuropa. Mit Bertrand Russell und Robert Jungk gehörte er zu den Initiatoren der Bewegung gegen Atomwaffen.
SERGEJ
ADAMOWITSCH KOWALJOW (geb. 02.03.1930) fiel den
sowjetischen Behörden erstmals 1956 auf. Damals protestierte
er gegen die militärische Intervention in Ungarn. Er setzte
sich mit Andrej Sacharow für Menschenrechte ein und verlor
deshalb als promovierter Biologe 1970 seine Arbeit in einem
Forschungslabor. 1974 wurde er wegen "antisowjetischer Agitation
und Propaganda" zu sieben Jahren Gefängnis und drei Jahren
Lagerhaft verurteilt. 1990 bis 1993 leitete er die russische
Delegation bei der UN-Kommission für Menschenrechte in Genf.
Im ersten Krieg Russlands gegen Tschetschenien (1994)
dokumentierte er Verbrechen im umkämpften Grosny und
brandmarkte das barbarische Vorgehen des Militärs. Kowaljow
ist Vorstandsmitglied der führenden russischen
Menschenrechtsorganisation Memorial. Er ist einer der
schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir
Putin und des andauernden zweiten Tschetschenienkrieges.
MUSTAFA DSCHEMILEW
(geb. 13.11.1943) wurde am 18.03.1944 mit seiner Familie von
Aj-Serez auf der Krim nach Usbekistan zwangsdeportiert. Seit 1961
war er im verbotenen "Rat der Krimtatarischen Jugend" politisch
aktiv. Nach nahezu 15 Jahren Lagerhaft wurde er im Rahmen der
Perestroika freigelassen. 1989 kehrte er mit seiner Familie auf
die Krim zurück, nachdem er stets die Rückkehr der
Krimtataren gefordert hatte. 1991 und 1996 wurde er zum
Präsidenten des Krimtatarischen Parlaments, der Medschliss,
gewählt. Während der "orangefarbenen Revolution" im
Herbst 2004 unterstützte Dschemilew den jetzigen
ukrainischen Präsidenten Juschtschenko. Als
Parlamentsabgeordneter der Partei "Unsere Ukraine" engagiert er
sich im Ausschuss "Menschenrechte und nationale Minderheiten".
1998 wurde er mit dem Nansen-Preis des UNHCR ausgezeichnet.