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Katalonien: Streit um Unabhängigkeitsreferendum eskaliert

Europa muss im Katalonien-Streit vermitteln

Bozen, Göttingen, 22. September 2017

Die von der Regierung in Madrid betriebene Kampagne der Kriminalisierung schürt nur neue Spannungen und droht Spanien an den Rand eines Bürgerkrieges zu bringen. Foto: Lolo Manolo via Flickr. Die von der Regierung in Madrid betriebene Kampagne der Kriminalisierung schürt nur neue Spannungen und droht Spanien an den Rand eines Bürgerkrieges zu bringen. Foto: Lolo Manolo via Flickr.

Die spanische Polizei hat am Mittwoch, den 20. September den Regierungssitz Kataloniens durchsucht. Mindestens zwölf Menschen wurden von der Militärpolizei festgenommen. Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen 700 katalanische Bürgermeister eingeleitet, die das für den 1. Oktober 2017 geplante Unabhängigkeitsreferendum unterstützen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Europäische Union (EU) aufgefordert, in dem sich zuspitzenden Streit um das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien zu vermitteln. "In vielen Konflikten in der Welt ist die EU als Streitschlichter engagiert. Es kann nicht angehen, dass sie im eigenen Haus tatenlos zuschaut, wie ein Streit sich immer mehr zuspitzt und droht, in Gewalt abzugleiten. Konfliktprävention sieht anders aus als Wegschauen und Ignorieren", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Nur ein glaubwürdiger Dialog zwischen den Streitparteien kann helfen, die Situation zu beruhigen und eine politische Lösung des Streits um mehr Selbstbestimmung für Katalonien zu finden."

"Die Regierung Spaniens muss sich endlich ihrer Verantwortung für die Eskalation des Konflikts stellen. Hätte Madrid eine vernünftige und gemäßigte Reform des bestehenden katalanischen Autonomie-Statuts nicht jahrelang kategorisch abgelehnt und verhindert, würde es das Unabhängigkeitsreferendum nicht geben", sagte Delius. "Dass der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter unter den Katalanen innerhalb von nur sieben Jahren von 15 auf 40 Prozent gestiegen ist, ist eine direkte Folge dieser Blockadepolitik. " Im Jahr 2010 hat die in Madrid regierende konservative Volkspartei 14 von 226 Artikeln des Autonomie-Statuts für verfassungswidrig und ungültig erklärt.

Nachdrücklich warnte die GfbV davor, den eskalierenden Konflikt nur als innerstaatliche Angelegenheit zu betrachten. "Sollten die Verhaftungen von Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung weiter zunehmen, könnten Katalanen schon bald im benachbarten Frankreich um Schutz und Aufnahme bitten, erklärte der Menschenrechtler. "Spätestens dann wäre der Konflikt so internationalisiert, dass ihn die EU nicht länger ignorieren kann."

Die GfbV kritisiert auch die von den spanischen Behörden angeordnete Schließung von Webseiten, die das Unabhängigkeitsreferendum organisierten oder unterstützten. "Wenn in Europa die Internetfreiheit eingeschränkt wird und Webseiten willkürlich geschlossen werden, dann gefährdet dies die Glaubwürdigkeit der EU, wenn sie sich für Internetfreiheit in China und Russland einsetzt", erklärte Delius. "Wie weit will Spaniens Behörden dabei noch gehen? Wollen sie auch die Homepage des FC Barcelona sperren, der offen für die Unabhängigkeit Kataloniens wirbt?"

Die spanischen Behörden hatten am 13. September 2017 die Webseite "referendum.cat" geschlossen. Am 15. September wurde die Kulturstiftung PuntCat von den Behörden aufgefordert, die unter ihrem Namen operierende Webseite "ref1oct.cat" zu zensieren und den Inhalt zu löschen. Am 20. September wurden die Büros der Stiftung PuntCat durchsucht und ihr Direktor Josep Masoliver festgenommen "Dies ist ein massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit, der sicherlich noch Europas Gerichte beschäftigen wird", erklärte Delius. Die im Jahr 2004 gegründete Stiftung setzt sich für die Förderung der katalanischen Sprache im Bildungssystem und in der Gesellschaft ein.