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Völkermord an der yezidischen Bevölkerung im Nordirak (3. August 2014)

Politische Streitereien verhindern Fortschritte

Bozen, Göttingen, 30. Juli 2021

Zerstörter yezidischer Friedhof im Nordirak. Foto: Prof. Dr. Jan Ilhan Kizilhan. Zerstörter yezidischer Friedhof im Nordirak. Foto: Prof. Dr. Jan Ilhan Kizilhan.

Am 3. August jährt sich der Genozid an der yezidischen Bevölkerung im irakischen Sinjar (Shingal) durch den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) zum siebenten Mal. Aus diesem Anlass fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen umfassenderen Schutz für diese religiöse Minderheit. "Weniger als 35 Prozent der vor dem IS geflüchteten Menschen sind in ihre historische Heimat Sinjar zurückgekehrt. Noch immer leben etwa 200.000 Menschen in Flüchtlingslagern in Irakisch-Kurdistan. Der andauernde Streit zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad erschwert ihre Lage und ihre Rückkehr", erklärt GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido am heutigen Freitag in Göttingen. Außerdem trieben diverse Milizen in der Region ihr Unwesen.

Gestritten wird seit Jahren über die administrative Zugehörigkeit der Region Sinjar. "Artikel 140 der irakischen Verfassung, der genau solche Konflikte regeln soll, könnte den Verwaltungsstreit beenden. Die vom Iran kontrollierten schiitischen Parteien und die von der Türkei unterstützten sunnitischen Gruppen verhindern das jedoch, um ihren eigenen Einfluss zu sichern", berichtet Sido. "Auch die tödliche Gefahr durch den IS und andere sunnitische Milizen ist noch nicht gebannt." Die fehlende Aufarbeitung des Völkermordes an der yezidischen Bevölkerung verunsichere die Menschen. Die für die Morde und Vergewaltigungen verantwortlichen IS-Täter seien kaum zur Rechenschaft gezogen worden.

"Zumindest der administrative Streit könnte sich lösen lassen, indem Sinjar den Status einer Provinz bekommt. Die yezidische Glaubensgemeinschaft bekäme dadurch mehr Selbstverwaltungsrechte", erläutert Sido. "Dafür müssten aber alle Milizen, die unter externer Kontrolle stehen, umgehend aufgelöst werden. Stattdessen sollte eine starke, aus Einheimischen bestehende Polizei geschaffen werden. Diese könnte die Bevölkerung mit Unterstützung der Zentralregierung und kurdischer Kräfte gegen islamistische Angriffe schützen." Der Streit unter den politischen Parteien und die Macht der Milizen hätten auch verhindert, dass das im März vom irakischen Parlament verabschiedete Gesetz, das die Gräueltaten des IS als Völkermord anerkennt und der yezidischen Bevölkerung Schutz zuspricht, bisher nicht umgesetzt wurde.

"Zudem droht der türkische Präsident Erdogan immer wieder mit Militärinterventionen. Seine Drohungen erinnern an die Angriffe auf Afrin und andere nordsyrische Regionen, aus denen die Türkei ethnische und religiöse Minderheiten systematisch vertrieben hat", erinnert Sido. "In der ursprünglichen Heimat kurdischer, christlicher, alevitischer und yezidischer Bevölkerungsgruppen wurden Erdogan-loyale Sunniten angesiedelt und vom türkischen Militär bewaffnet." In Sinjar sollen heute weniger als 120.000 Menschen leben. Vor dem Völkermord waren es mindestens 400.000. Seit dem Beginn des Genozides haben schätzungsweise 100.000 Menschen den Irak verlassen. Die meisten dürften in Deutschland Zuflucht gefunden haben.