Von Hans Escher
Zum südindischen Bundesstaat Kerala gehören gemäß der Volkszählung von 1991 insgesamt 320.967 Angehörige der "scheduled tribes" - der staatlich anerkannten Stammesbevölkerung. In 35 verschiedenen Gemeinschaften lebend, haben die Adivasi einen Anteil von 1,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung Keralas. Wichtige Wegmarken der Landrechtskämpfe in jüngster Vergangenheit waren die Blockade des Amtsgebäudes des Ministerpräsidenten vom Sommer 2001, das als Resultat im Oktober 2001 abgeschlossene Abkommen mit der Landesregierung, die Landbesetzungen von Muthanga in den ersten beiden Monaten des Jahres 2003 (als Reaktion auf die dürftige Umsetzung des Abkommens) und schließlich die gewaltsame Auflösung der Besetzer-Siedlung, ebenfalls im Februar 2003. C. K. Janu, eine Adivasi-Frau aus der Waynad-Region, bildet den Motor des Widerstandes.
Muthanga: Reduziert auf eine Handvoll Gerichtsverfahren
Die von Janu angeführte mehrmonatige Blockade des
Amtsgebäudes des Ministerpräsidenten zog eine Welle der
Begeisterung nach sich. Das daraus resultierende Abkommen mit der
Landesregierung, wodurch die von ihrem Land vertriebenen Adivasi
rehabilitiert werden sollten, stellte einen Hoffnungsschimmer
dar. Wäre dieses Abkommen umgesetzt worden, hätte dies
eine ideale Kombination von durchdachtem politischen Aktionismus
und verantwortlicher Regierungspolitik bedeutet. Dem sollte nicht
so sein. Das Blutbad von Muthanga im Februar 2003 stellt eine
unleugbare Tatsache dar. Zwei gleichermaßen bedauerliche
Todesfälle (in Muthanga wurde je eine Person auf Seiten der
Besetzer und auf Seiten der Polizei getötet) trieben einen
Keil in Keralas Staat und Gesellschaft. Das Land fiel zurück
in die Tage der Konfrontation, der Anschuldigungen und von leerer
Rhetorik. [...] Die Regierung ordnete Untersuchungen an: Die
Nationale Menschenrechtskommission gab am 20. März 2003 die
dringende Empfehlung, die Hintergründe des Blutbads von
Muthanga aufzuklären. Daraufhin beauftragte die Regierung am
23. April 2003 das Central Bureau of Investigation, die
Verbrechen der Polizei gegen Aktivisten der
Stammesbevölkerung zu durchleuchten.[...] Man kann von einer
Einrichtung der Verbrechensbekämpfung nicht erwarten, dass
sie die Umstände, die zu einem Verbrechen geführt haben
- gerade wenn diese aus Gräueltaten der Polizei bestehen -
tatsächlich überprüft.
Die Zeiten haben sich geändert: Vor einigen Jahren sahen wir
Janus Kampf vor dem Amtsgebäude des Ministerpräsidenten
und die Bereitschaft des damaligen Amtsinhabers, die
Rehabilitierung tatsächlich umzusetzen. Heute befinden wir
uns in einer Phase von Gerichtsverfahren. Aus dieser Entwicklung
ergeben sich einfache, aber fundamentale Fragen: Wie steht es mit
der Zuteilung von Land an die Stammesbevölkerung? Wieso ist
bis jetzt noch kein Land an sie abgegeben worden? Wieso kann die
Zuteilung von Land nicht durch eine gesetzliche Regelung bewirkt
werden? Jedenfalls bleibt die Zuweisung von Land und die
angemessene Rehabilitierung der Stammesbevölkerung eine
vertragliche, rechtlich bindende und auch verfassungsrechtliche
Verpflichtung für die Regierung.
Zusammenfassende Übersetzung: Hans
Escher.
Quelle: New Indian Express, 20. Dezember 2004 [Autor nicht
genannt].
Aus pogrom-bedrohte Völker 230 (2/2005)