Von Evelina Colavita
Bozen, 22.9.2004
Am 9. Oktober 2004 finden in Afghanistan die
Präsidentschaftswahlen statt. 6 Monate später sollte
auch das Parlament gewählt werden. Die Vereinten Nationen
haben über 10 Millionen Afghanen in den Wählerlisten
registriert und somit mehr als 50% der auf 20 Millionen Personen
geschätzten wahlberechtigten Bevölkerung. Im Hazarajat
soll die Wahlbeteiligung der Frauen über 50% sein. Mutig
sind die Hazara-Frauen, die versuchen ihrem Unmut Ausdruck zu
verschaffen. Wen aber sollen sie wählen, wer kann ihre
Interessen vertreten? Ich zweifle daran, dass Mohaqiq, einziger
Kandidat der Volksgruppe der Hazara, sie vertreten wird. Auch der
Warlord Khalili ist ein Hazara. Er ist der wahre Herrscher in den
Zentralafghanischen Hochtälern und sorgt für Ruhe und
Frieden. Wer weiss welches sein Interesse an den hunderten von
Kilos von Opium ist, die vom Polizeikommandanten in Bamyan
beschlagnahmt und dann verbrannt werden.
Er und die neuseeländischen Truppen die in Bamyan
stationiert sind sollten das Opium eigentlich nach Kabul
schaffen, aber die Lagerung und der Transport dieser grossen
Mengen von Opium ist viel zu gefährlich, zu gross ist das
Risiko von Überfällen. Auch die einzige weibliche
Kandidatin, Frau Masooda Jalal wird kaum die Interessen der
Hazara-Frauen vertreten, denn sie gehört der Mehrheit der
Pashtunen an und in den Palästen von Kabul wird gemunkelt,
dass sie von ihrem Ehemann manövriert wird. Die gebildeten
afghanischen Frauen werden aus Protest Masooda Jalal wählen,
aber in den ländlichen Gebieten ist die Stimmabgabe ethnisch
bedingt und die Frauen werden Mohaqiq ihre Stimme geben. Am Ende
wird Mohaqiq versuchen ein wichtiges Ministerium gegen seine
Stimmen auszuhandeln. Karzai wird die Wahl im ersten Wahlgang
gewinnen und einen Teil der mächtigen religiösen
Fundamentalisten, moderate ex-Taleban und Männer des
gesuchten Pashtunenführers Gulbudin Hekmatyar in seine
Regierung eingliedern. Es wird alles genau so sein, wie es der
zur Zeit mächtigste Mann in Afghanistan, der amerikanische
Botschafter Khalilzad, vorgesehen hat. Niemand weiss was die
Tadjiken tun werden, der mächtige Verteidigungsminister
Fahim oder Younus Qanuni, der selber
Präsidentschaftskandidat ist. Werden sie zu den Waffen
greifen, in Erinnerung an ihren Helden Ahmad Shah Massoud, der
kurz vor dem 11. September 2001 einem Anschlag zum Opfer fiel und
der jedes Jahr mit zwei Tagen Staatstrauer gefeiert wird.
Ich bin jedoch nicht nach Afghanistan gereist
um dem politischen Leben des Landes den Puls zu fühlen oder
Vorhersagen zu machen, sondern um unsere Projekte zu
kontrollieren und Frau Dr. Sima Samar, Präsidentin der
unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission und
Gründerin, Herz und Seele der Nichtregierungsorganisation
Shuhada, die unsere Projekte betreibt und die Bevölkerung im
Hazarajat unterstützt, zu besuchen. Die Hazaras sind eine
ethnische Minderheit, die in den kargen Hochtälern zwischen
2000 und 3000 Metern Höhe wohnt und seit Jahrhunderten
ausgenützt und misshandelt wird. Dieser Volksminderheit und
dieser kargen Bergwelt schenken die grossen internationalen
Projekte nur wenig Beachtung.
Nach meiner Ankunft in Kabul gehe ich schleunigst für 1250
$, 4200 Schachteln Buntstifte kaufen. Ich werde sie den Kindern
unserer Schulen verteilen. Die 1250 $ für die Buntstifte, so
wenig kosten sie in Kabul, wurden von einer Dame aus Mailand
gespendet. Dann geht es los auf eine Reise durch
Zentralafghanistan. Die Reise dauert 2 Wochen auf denen ich 1600
km auf ungeteerten Strassen und Pisten zurücklege (Kabul,
Bamyan, Yakawlang, Lal wa Serjangal, Panjao, Shahristan, Behsood,
Nahoor, Jaghori, Tabqus, Sarab, Ghazni, Kabul).
Die Schulen in Yakawlang
Fünf Schulen finanzieren wir im Distrikt
Yakawlang, Provinz Bamyan. 704 Mädchen und 92 Knaben
besuchen diese Schulen. Yakawlang ist zwei Reisetage von Kabul
entfernt und die Schulen liegen weit verstreut in den
Dörfern des Distrikts. Unser Geländewagen arbeitet sich
tapfer durch die tief in den roten Fels eingeschnittenen
Täler. Dünne Rinnsale fliessen auf dem Talgrund und
werden in komplizierten Bewässerungskanälen aus Lehm
auf die terrassenförmigen Äcker umgeleitet. Es ist
Erntezeit, Männer und Frauen arbeiten auf den Feldern. Im
ganzen Distrikt wüteten in den letzten Jahren der
Talebanherrschaft schreckliche Kämpfe und ganze Dörfer
waren dazu gezwungen ins Ausland zu flüchten oder über
die noch von der roten Armee in den 80er Jahren gelegten
Minenfelder in die Berge zu steigen. Nun herrscht Frieden und
Armut. Die 5 Schulen mit ihren rund 800 Kindern kosten uns 20'312
$ jährlich. Nicht alle Kinder werden das siebte Schuljahr
abschliessen, viele werden schon vorher arbeiten gehen
müssen, damit die Familie ihr Auskommen hat.
Day Hospital in Lal und Serjangal
Diese beiden Day Hospitals befinden sich in der
Provinz Ghor auf 2600 Metern Höhe. Jede der beiden
Strukturen wird von einem jungen Paramediziner und der Ehefrau
die Krankenschwester ist, geleitet und wird täglich von etwa
50 Patienten angelaufen. Die Kosten für die beiden Day
Hospitals belaufen sich auf 25'227 $ jährlich. Serjangal
liegt in einem abgelegenen Tal und die medizinische Versorgung
der rund 50'000 Menschen, die in dem Tal leben, stützt sich
einzig auf das Day Hospital. Im Winter bleibt das Tal monatelang
von der Aussenwelt abgeschnitten und der junge Mediziner nimmt
stundenlange Fussmärsche auf sich, um seine Patienten zu
besuchen. Sein monatliches Gehalt beträgt 80$.
In Lal besucht mich eine Delegation der Bevölkerung eines
Nachbartals. Auch sie möchten ein Day Hospital wie dieses in
Lal. Wie kann ich da nein sagen, für mich sind es "nur"
10'000 dollar im Jahr, für sie könnte es der
Unterschied zwischen Leben und Tod sein.
Day Hospital in Nahoor und Sarab
Auch diese beiden Day Hospitals liegen weit ab von Städten
und staatlichen Einrichtungen. Jedes der beiden Day Hospitals
wird von einem Arzt geleitet der vor Ort auch kleine chirurgische
Eingriffe vornimmt. Oftmals erreichen die Patienten das Day
Hospital nach einem Fussmarsch von mehreren Tagen. Aus diesem
Grund ist das Personal rund um die Uhr im Dienst, es gibt keine
Öffnungszeiten. Die laufenden Kosten dieser beiden
Einrichtungen belaufen sich auf 37'291$ jährlich.
Trinkwasserbrunnen
Im Distrikt von Nahoor liegen die 20
Trinkwasserbrunnen die von Omid und Discovery Alps finanziert
wurden, weit versträut in den Dörfern der Gegend. Da
die Lage vor den Wahlen ziemlich angespannt ist, habe ich nur die
Brunnen im Siedlungsgebiet der Hazara besucht. Der Arzt des Day
Hospitals in Nahoor begleitet mich auf meiner Wanderung zu einem
Dorf wo einer unserer Brunnen steht. Auf dem Weg treffen wir
einen jungen Pashtunen, der schon seit dem frühen Morgen
unterwegs ist um sich im Day Hospital von Nahoor untersuchen und
behandeln zu lassen. Der Distrikt von Nahoor ist von Hazaras und
Pashtunen bewohnt, in den einzelnen Dörfern leben die
Volksgruppen aber nicht gemischt, jeder hat seine eigenen
Dörfer.
Die Schulen in Shahristan
Shahristan ist ein Distrikt in der neu
gegründeten Provinz Daikundi. Vor dem letzten Frühjahr
gehörte Shahristan zur Provinz Uruzgan, wo das Versteck des
Anführers der Taleban, Mullah Omar, vermutet wird. In diesem
Distrikt ist es heiss, die Ernte ist abgeschlossen und im
Gegensatz zu nördlicher gelegenen Gebieten, gibt es
Obstgärten und Mandelbäume, deren Blätter wegen
der Dürre und der Hitze schon Anfang September braun werden
und abfallen. In Shahristan unterstützen wir 6 Schulen mit
insgesamt 1234 Mädchen und 1760 Knaben für einen
Gesamtbetrag von 43'152$ jährlich. Die Schulen unterrichten
bis zur zwölften Klasse, das heisst bis zur Maturität.
Alle Schulabschlüsse von Shuhada sind vom
Erziehungsministerium anerkannt.
Schule in Tabqus, Distrikt von Jaghori
Im Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni fällt seit 6 Jahren kein
Regen. Die Felder sind nicht bestellt worden und die
Obstbäume stehen da wie Skelette und strecken die
vertrockneten und toten Äste gegen den immer blauen Himmel
und die erbarmungslose Sonne. In Tabqus herrschen die
religiösen Fundamentalisten und Madina, die junge Frau, die
die Schule in Tabqus vor 8 Jahren, mit der Hilfe von Sima Samar
eröffnet hat, musste gegen die Mullahs und ihre eigene
Familie ankämpfen. Am Anfang war es eine einzige Klasse mit
35 Schülerinnen in einem Privathaus und nun sind es zwei
Schulhäuer mit 650 Schülerinnen. Sogar während der
Herrschaft der Taleban war die Mädchenschule dank tausend
Tricks und Ausreden offen und wuchs. Nun besucht Madina die
Universität in Kabul und eine andere junge Frau, die nicht
weniger mutig ist als Madina, leitet die Schule in Tabqus. Die
Schule in Tabqus wird von Margret Bergmann aus Bozen mit den
Einahmen des von ihr veröffentlichten Buchs, He du, grosser
Komet, finanziert.
Waisenhaus für 100 Mädchen in Jaghori
In Jaghori gehe ich die Baustelle des von der Provinz Bozen
finanzierten Waisenhauses anschauen. Nächstes Jahr wird
dieses Haus 100 der ärmsten und unglücklichsten
Mädchen des Landes aufnehmen können.
Finanzierung unserer Projekte
Omid Onlus (italien) und Solidarietà
Ticino Afghanistan (Schweiz) finanzieren alle diese Projekte dank
privaten Zuweisungen und Patenschaften. Beide Vereine
stützen sich auf die freiwillige und unbezahlte Arbeit der
Mitglieder. Die Verwaltungskosten der Vereine werden von mir
getragen. Fall Sie ein Day Hospitals mitfinanzieren möchten
können Sie sich mit 200 Euro oder 320 Sfr. Jährlich
mitbeteiligen. Natürlich nehmen wir gerne Zuweisungen in
jeder Höhe zur Unterstützung der Projekte an.
Die Patenschaften kosten pro Jahr 150 Euro oder 240 Sfr. Der
Betrag unterstützt direkt das Projekt und geht weder an das
Patenkind noch an dessen Familie. Es handelt sich deshalb um eine
rein symbolische Patenschaft. Die Patin/der Pate erhält ein
Foto und eine Zeichnung eines Kindes. Foto und Zeichnung sind
rein symbolisch und es ist nicht möglich mit den Kinder in
den abgelegenen Bergtälern einen Briefwechsel zu
unterhalten. Die Schule Dasht e Barchi in Kabul, wurde mit Beginn
dieses Schuljahres von Dr. Sima Samar an das
Erziehungsministerium übergeben. In Kabul hat sich die
Situation verbessert, die ländlichen Berggebiete, wo keine
staatlichen Schulen bestehen und bis auf weiteres auch nicht
bestehen werden, sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Ich hoffe, dass
die Patinnen und Paten der Mädchen der Dasht e Barchi Schule
ihre Patenschaften zu Gunsten der Kinder in den Bergtälern
erneuern werden. Aus Zeitgründen konnte ich die Schule Rabia
Balchi in Quetta nicht besuchen. Ich bitte die Patinnen und Paten
dafür um Entschulding. Sima Samar hat mir erzählt, dass
die Schule immer noch gut besucht ist. Shuhada zieht sich langsam
aus Pakistan zurück und kümmert sich nun vor allem um
das mausarme zentralafghanische Hochland.
Evelina Colavita
OMID Onlus und Solidarietà Ticino Afghanistan
In der Schweiz: Solidarietà Ticino
Afghanistan, Conto corrente postale: 65-240698-1.
Conto corrente bancario: Banca Raiffeisen Balerna, 1877196
80272. Per ulteriori informazioni in Ticino:
Solidarietà Ticino Afghanistan, Via Monte Generoso - 6874
Castel S. Pietro; oppure Mirka Studer, 6825 Capolago, tel. 091
648 27 63, e-mail: mstuder@ticino.com.
In Italien: OMID Onlus, Via Bonvicino 24a, 20025 Legnano, tel.
0331.542740, e-mail: evcolavi@tin.it, Evelina
Colavita e Maurizio Bada.
Conto corrente, Monte dei Paschi di Siena, agenzia di Legnano,
Intestato a OMID, No. 8408,31, ABI 1030, CAB 20200. Conto
corrente postale 42703223.