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Burma

Die vergessenen Flüchtlinge

Von Benno Röggla

Benno Röggla mit ein burmesische KindOft beschäftigt mich die Frage, wie ich mich wohl als Flüchtling der dritten Generation fühlen würde. In meiner Vorstellungswelt ist das Flüchtlingsdasein etwas Vorübergehendes, zeitlich Begrenztes. Hier aber, an der Flüchtlingsgrenze zwischen Burma und Thailand leben Menschen, die zum Teil seit über 40 Jahren nicht mehr in ihre Heimat zurück können. Zerrissene Familien, Kinder ohne Eltern, getrennte Liebende, sie alle leben an Orten, die ihnen nicht freundlich gesinnt sind, arbeiten für Menschen, die sie nicht achten und leiden an Krankheiten, um die sich niemand schert. Wütend macht mich der Gedanke, dass wir und die Gleichgültigkeit unserer Politiker es zulassen, dass mit diesen freundlichen und warmherzigen Menschen so unwürdig umgesprungen wird. Mit Menschen, die eigentlich nichts anderes wollen, als friedlich ihre Felder bestellen und für ihre Familien sorgen. Aber leider gibt es in Burma kein Erdöl und leider grenzt Burma an China und leider hat China über den Irrawaddy einen strategisch wichtigen Zugang zum Golf von Bengalen und leider wird die aufstrebende Wirtschaftsmacht China von der gesamten Welt hofiert und gestreichelt. Auch deshalb dürfen in Burma seit 1962 Generäle mit geballter Waffengewalt 50 Millionen Menschen, 8 Völker, 136 ethnische Minderheiten unterdrücken, assimilieren, ausbeuten, niederschießen, vergewaltigen. Und die Welt sieht zu ... und weg.

Minenopfer im TeenageralterDie Welt sieht weg, wie das Regime in Rangoon versucht, jahrtausendealte Kulturen, Traditionen und Sprachen auszulöschen. Die Welt sieht weg, wie die Uniformierten mit "Andersdenkenden" umgehen, wie diese bespitzelt, willkürlich verhaftet, gefoltert, umgesiedelt und vertrieben werden. Die Welt sieht weg, wie Frauen von ganzen Soldatentrupps vergewaltigt, Männer als lebende Minendetektoren missbraucht, Kinder zu mordenden Soldaten umprogrammiert werden. Die Welt sieht weg, wie die Flüchtlinge in ihren Verstecken im Dschungel ohne irgendwelche Versorgung dahinvegetieren oder in den Nachbarländern zwar geduldet, aber dennoch ausgegrenzt und ausgebeutet werden.

Das ist die Realität, in der viele Menschen der verschiedenen Minderheiten Burmas seit teilweise über 40 Jahren leben. Und es sind viele Millionen Menschen, die sich vor den mordenden Gesellen der Tatmadaw, der burmesischen Armee, verstecken. Wir im Westen hören vielleicht ab und an von den Flüchtlingen, die in Flüchtlingslagern vor allem im benachbarten Thailand leben. Aber das sind nur wenige, und verglichen mit den anderen Flüchtlingen geht es ihnen gut. Die anderen Flüchtlinge? Das sind zwei Millionen Internally Displaced People (IDP), die sich in schwer zugänglichen Dschungelgebieten im Inneren Burmas verstecken. Und das sind die bis zu einer Million Flüchtlinge, die in diesen Gastländern außerhalb der Flüchtlingslager leben. Um diese kümmern sich keine NGOs, da gibt es keine Schulen und Krankenstationen, Essensrationen und sauberes Wasser.



Die Schule in Nya Lee HtaSeit drei Jahren kümmert sich Helfen ohne Grenzen um diese Menschen, genauer um die Ethnie der Karen, die nach Thailand flüchten mussten. Sie leben in provisorischen Hüttensiedlungen nahe den Sweatshops, für die sie arbeiten. Dort gibt es selten Strom und kaum sanitäre Einrichtungen, ebenso wenig sauberes Wasser oder regelmäßiges Essen. Auch wenn wir dafür bezahlen würden, so scheitert das häufig an der Sturheit der Eigentümer in Verbindung mit dem Desinteresse mancher Behördenvertreter. Es wird alles getan, damit sich die Flüchtlinge nicht heimisch fühlen. Alles darf nur provisorisch sein, sie sollen für einen Sklavenlohn arbeiten und sonst unsichtbar sein.

In diesen Dörfern gibt es auch keine Schulen. Ungebildete Kinder sind willige und billige Nachwuchskräfte für die Sklavenarbeit in den Feldern und Fabriken oder in den Bordellen. Viele Kinder sind ohne Schulbildung aufgewachsen, sind inzwischen erwachsen, sehen auch für ihre Kinder keinen Sinn. So leben die Kinder auf der Straße, verlieren den Kontakt zur Gemeinschaft und verlernen vor allem ihre Sprache und das Verständnis für die eigene Kultur, das wichtige Kapital für eine Zukunft in einem befreiten Burma. Mir graut vor dem Gedanken, was aus diesen Kindern einmal wird. Mir graut vor dem Gedanken, dass in einem befreiten Burma wieder Andere das Sagen haben werden - die mit dem Geld, die mit dem Know How, die mit den Fähigkeiten; also nicht die ausgebluteten Völker, die schlecht ausgebildeten Menschen Burmas.

Die alte Schule in WhankaDas sind die Überlegungen, die Helfen ohne Grenzen dazu gebracht haben, genau in diesen Siedlungen Schulen zu gründen. Einfache Hütten, meistens, mit durchlässigen Mattenwänden und Laubdächern. Aber zumindest sind die Kinder weg von der Straße, können Gemeinschaft leben, lernen die Sprache und Kultur ihres Volkes, lernen dazu Burmesisch, Englisch und Rechnen. Sie spielen und betreiben Sport, sie singen die Lieder ihrer Väter und tanzen zu ihrer Musik. 50 Euro kostet es, ein Kind ein Jahr lang in eine der improvisierten Schulen zu schicken (zum Vergleich: bei uns kostet das ca. 400 Euro pro Monat). Mit diesen 50 Euro bezahlt Helfen ohne Grenzen die Gehälter der Lehrer (alle selbst Flüchtlinge), die Lehr- und Lernmaterialien, Artikel zur Körperpflege und ein gesundes Essen pro Tag. Inzwischen sind es 1.200 Kinder, die zur Schule dürfen; dank der übergroßen Spendenbereitschaft werden es täglich mehr.

Außerdem kümmert sich Helfen ohne Grenzen auch um Waisenkinder und lässt Prothesen für Minenopfer bauen, unterstützt AIDS-Selbsthilfegruppen und hilft den Frauen in den Flüchtlingslagern beim Verkauf ihrer Handarbeiten. Aber alles ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Im Gegenteil, nach der Rückkehr der Hardliner um General Than Shwe an die Macht scheinen die zarten Hoffnungen auf eine Besserung der Situation auf längere Sicht geschwunden.

Nicht umsonst führt die erste Auslandsreise des neuen "Premiers" General Soe Win nach China. Und die USA, die EU schauen zu, schimpfen etwas lauter, murmeln etwas von verschärften Sanktionen, die sowieso niemanden scheren (da problemlos umgehbar) und verbieten den Generälen, uns in Europa zu besuchen (wie unangenehm!). Dafür bieten unsere Reisebüros Luxusreisen durch Burma an, füllen die mit Zwangsarbeit und Drogengeld gebauten Luxushotels und die Taschen der Luxusklamotten der Generäle und ihrer Freunde. Wir wünschen eine entspannte Reise und unbeschwertes Vergnügen.

Helfen ohne Grenzen ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Bozen/Südtirol. Er unterstützt die Flüchtlinge der Minderheit der Karen rund um Mae Sot in Thailand. www.helfenohnegrenzen.org.

Aus pogrom-bedrohte Völker 228 (6/2004)


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050103ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041119de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041105ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020506de.html

* www: Daw Aung San Suu Kyi's Pages | Freeburma.org | www.gfbv.de/land.php?id=12 | Burma Action Group | www.burmaproject.org | www.burmalibrary.org | www.burmalifeline.org | www.freeburmacoalition.org | www.helfenohnegrenzen.org

Letzte Aktual.: 4.1.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-1.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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