In: Home > DOSSIER > Rohingya in Bangladesch: Endstation Bhashan Char - die schwimmende Insel für Geflüchtete?
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Von Rafael Dada
Bozen, Göttingen, 26. Juni 2019
Kutupalong ist das größte Flüchtlingslager der Welt - und völlig überfüllt. Um der Lage Herr zu werden, wollte die Regierung Bangladeschs zehntausende aus Burma geflüchtete Rohingya auf die Insel Bhashan Char umsiedeln. Doch auf der Insel besteht Lebensgefahr.
Auf die Insel Bhashan Char (dt. etwa: schwimmende Insel) sollen 100.000 geflüchtete Rohingya umgesiedelt werden. Foto: Yanghee Lee, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Myanmar.
Mit den Unruhen im nördlichen Rakhine-Staat in Burma seit
dem 25. August 2017 wurden mindestens 755.000 Rohingya dazu
gezwungen, ihre Heimat in dem Gebiet zu verlassen und nach
Bangladesch zu fliehen. Die nach Bangladesch geflüchteten
Rohingya verweilen bis zum heutigen Zeitpunkt im
größten Flüchtlingslager der Welt: Kutupalong. Es
befindet sich in der unweit von der burmesischen Grenze gelegenen
Stadt Cox's Bazar. Die Regierung Bangladeschs versucht, das
Problem des überfüllten Flüchtlingslagers unter
anderem mit dem Bau eines Camps auf Bhashan Char zu
beheben.
Bhashan Char ist eine Insel, die drei Stunden vom Festland
Bangladeschs entfernt im Golf von Bengalen liegt. Auf Deutsch
lässt sich Bhashan Char als ,,schwimmende Insel''
übersetzen. Sie soll mindestens 100.000 Geflüchteten
Platz bieten. Doch die Regierung Bangladeschs verrät wenig
über ihr Vorhaben und lässt nur selten Reporter auf der
Insel zu. Nach mehreren Verschiebungen sollten schließlich
im April 2019 erstmals 20.000 Geflüchtete auf die Insel
verlagert werden. Doch die Bedenken seitens den Vereinten
Nationen (UN) bezüglich der Sicherheit der Geflüchteten
auf der Insel führten dazu, dass die Regierung die
Umsiedlungspläne vorerst ruhen lässt.
Die "schwimmende Insel" hat sich erst in den letzten zwanzig
Jahren durch die Anhäufung von Schlicksand durch die
Strömungen des Meghna Flusses gebildet. Sie ist
äußerst anfällig für Überflutungen und
Zyklone. Während der Zeit des Monsunregens ist sie zum
Beispiel kaum bewohnbar, da sie komplett überschwemmt ist.
Der Monsun beeinflusst jährlich außerdem auch stark
die Erosion - ein weiteres Sicherheitsrisiko für Bewohner.
Dass die Insel drei Stunden vom Festland entfernt liegt,
würde eine Evakuierung bei Naturkatastrophen stark
beeinträchtigen.
Damit die Sicherheit auf der noch unbewohnten Insel für
künftige Einwohner des Flüchtlingslagers
gewährleistet wird, müssten strikte
Sicherheitsvorkehrungen erfüllt sein. Welche das sind,
müsste ein Gutachten von internationalen Experten
klären. Diese ließ die Regierung bislang allerdings
noch nicht auf der Insel zu.
Das im Dezember 2018 fertiggestellte Flüchtlingslager auf
der Insel, das zukünftig etwa 100.000 Menschen beherbergen
soll, ist in 120 Blöcke aufgeteilt. In diesen befinden sich
jeweils zwölf Gebäude. Insgesamt gibt es somit 1.440
Gebäude. Jedes einzelne umfasst 16 Wohneinheiten, welche
wiederum jeweils knapp 16 Quadratmeter groß sind. Pro
Wohneinheit soll eine Familie untergebracht werden. In den
Gebäuden gibt es gemeinsam genutzte Küchen und
Badezimmer. Somit kommt auf eine Person ein Wohnraum von etwa 3,6
Quadratmeter. Das übertrifft nur marginal den UN
Minimalstandard für Notsituationen von 3,5 Quadratmeter pro
Person.
Beim Bau des Flüchtlingslagers auf Bhashan Char waren auch
internationale Unternehmen beteiligt. Die Nachrichtenagentur
Reuters berichtet, dass das chinesische Bauunternehmen Sinohydro
sich mit dem Bau einer 13 Kilometer langen
Hochwasserauffangsperre beschäftigt. Das Unternehmen
möchte den Reuters-Journalisten jedoch keine Details
über das Projekt preisgeben, da es sich an
Geheimhaltungsvereinbarungen halten wolle. Es verweist an die
Regierung in Bangladesch für weitere Fragen. Die britische
Firma HR Wallingford fungiert bei dem Bau des Deiches als Berater
und erklärt, dass die Konstruktion der Deiche nach
internationalen Standards erfolge. Bei weiteren Fragen verweist
es ebenso an die Marine Bangladeschs.
Das gesamte Projekt und die Umsiedlung der Geflüchteten von
Cox's Bazar auf die Insel Bhashan Char wird von der Marine
Bangladeschs durchgeführt. Bis zum 15. April 2019 sollten
20.000 Rohingya umgesiedelt werden, wie der Minister für
Katastrophen und Hilfsgüterleitung Md Enamur Rahman
bestätigte. Der Minister führte weiter aus, dass
bereits für Unterkünfte, Strom, Kommunikation,
medizinische Versorgung, Sturm- und Zyklonschutz und für
weitere Einrichtungen gesorgt sei. Doch Forderungen der UN
führten dazu, dass die Umsiedlung vorerst gestoppt wurde. Zu
ihren Forderungen zählen, dass die UN Sicherheitsgutachten
des Flüchtlingslagers vor Ort erstellen dürfen, die
Geflüchteten über die Umsiedlung informiert werden und
diese auf freiwilliger Basis erfolgt. Außerdem sollen die
UN einen humanitären Einsatz auf der Insel organisieren
können.
Eine weitere offene Frage bleibt die Art und Weise der Umsiedlung
der Geflüchteten. Zwar betont die Regierung Bangladeschs,
dass die Umsiedlung für die momentan in Cox's Bazar lebenden
Geflüchteten auf freiwilliger Basis erfolgen würde,
dennoch haben Menschenrechtsaktivisten große Bedenken, dass
die Menschen zur Umsiedlung gezwungen werden könnten. Es
spricht vieles dafür, dass die Geflüchteten selbst
nicht bereit sind, freiwillig auf die Insel zu gehen. Jahid
Hussain, ein in einem Flüchtlingslager im Süden
Bangladeschs lebender Rohingya, beteuert Reuters-Journalisten
gegenüber, dass er sein Leben nicht aufs Spiel setzen wolle,
indem er sich nach Bhashan Char umsiedeln lasse, nachdem er vor
der Grausamkeit in Burma geflüchtet sei.
Nach früheren Angaben des Beraters des Premierministers
würde die Regierung alternativ auch auf die Methode der
Lotterie zurückgreifen, falls sich nicht genügend
Freiwillige für eine Umsiedlung finden würden. Ein
solches Vorgehen wäre nicht nur unmenschlich, sondern
würde zusätzlich gegen internationales Strafrecht
verstoßen.
Die Geflüchteten würden bereits durch die isolierte
Lage der Insel stark in ihrer Bewegungsfreiheit
eingeschränkt. Zusätzlich soll den künftigen
Bewohnern der Insel rechtlich lediglich gewährt werden, ihre
Bekannten im Flüchtlingslager Cox's Bazar zu besuchen.
Reisen in weitere Teile Bangladeschs werden den Menschen
vorenthalten, wie Yanghee Lee, Sonderberichterstatterin der UN,
von der Regierung erfahren hat.
Letztendlich könnte die Umsiedlung der Geflüchteten auf
eine solch abgelegene Insel dazu führen, dass das
vermeintlich temporäre Flüchtlingslager auf Bhashan
Char zu einer dauerhaften Siedlung der Rohingya werden
könnte. Die Dachorganisation der Rohingya Arakan Rohingya
Union befürchtet diese Entwicklung. Burmas Wunsch, die
Rohingya aus dem Norden des Landes zu vertreiben, würde so
in Erfüllung gehen können, da so für die
Geflüchteten keine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre
Heimat mehr bestünde. Auch würden durch die Isolierung
der Insel besonders die jungen Rohingya unter einer massiven
Perspektivlosigkeit leiden, gegen die nur sehr schwer anzugehen
werden könnte.
Rafael Dada studiert "Globale Politik: Strukturen und Grenzen" an der Georg-August-Universität Göttingen. Außerdem engagiert er sich in der Regionalgruppe Göttingen der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker.
Aus pogrom-bedrohte Völker 312 (3/2019)
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2017/171110de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2018/181016de.html
| www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/rohingya.html
| www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-ic.html
| www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-1.html |
www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma.html |
www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-shan-en.html
in www: www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=56103
|
www.ec.europa.eu/echo/files/aid/countries/factsheets/rohingya_en.pdf
| https://www.youtube.com/watch?v=sJSO8-LO0SI