Von Yvonne Bangert
Bozen, Göttingen, Mai 2008
Wären sie so bekannt wie der Uluru (Ayers Rock), mit dem
Touristen aus aller Welt Australien verbinden, die Petroglyphen
von der Burrup-Halbinsel im Norden des Bundesstaates
Westaustralien wären wohl schon längst als
Weltkulturerbe der UNESCO geschützt. Doch selbst in
Australien ist diese weltweit vermutlich größte und
mit bis zu 30.000 Jahren auch älteste Sammlung von
Felsbildern weitgehend unbekannt. Für die Aborigines hat
dieses unschätzbar wertvolle Erbe der Menschheitsgeschichte
eine ähnliche Bedeutung wie für Christen die Bibel. Die
Halbinsel, von ihnen Murujuga genannt, gilt ihnen als heiliger
Ort, der wird. Die Petroglyphen, in das Gestein eingeritzte oder
mit Steinen in die Oberfläche geschlagene Zeichnungen,
zeigen Darstellungen von Menschen, Pflanzen, Vögeln, Fischen
oder auch dem tasmanischen Tiger, der schon seit mehr als 3.000
Jahren ausgestorben ist. Wale gehören dazu, Delphine,
Schildkröten, Kängurus, Eidechsen oder
hundeähnliche Wesen. Sie sind älter als die
berühmten Zeichnungen in den Höhlen von Lascaux in
Frankreich, die Pyramiden in Ägypten oder die Felsen von
Stonehenge.
Vielleicht hat dieser einzigartige prähistorische
Kulturschatz unter der zum Jahreswechsel ins Amt gekommenen
Regierung Rudd, die sich nicht nur als eine ihrer ersten
Maßnahmen bei den Aborigines für das Unrecht der
Vergangenheit entschuldigte sondern auch signalisiert hat,
nachträglich die UN-Deklaration für die Rechte der
Indigenen Völker ratifizieren zu wollen, doch noch Chancen
auf Rettung. Der World Monuments Fund (WMF), eine
gemeinnützige, internationale Organisation mit Hauptsitz in
New York, die sich weltweit für die der Erhaltung von
Denkmälern und historischen Stätten einsetzt, hat die
Antiken Kunstschätze auf der Burrup-Halbinsel bereits 2006
in seine Liste der 100 am stärksten gefährdeten
Kulturerbestätten aufgenommen.
Die Regierung des Bundesstaates Westaustralien will die Burrup
Halbinsel in ein großes Industriezentrum verwandeln. Da ist
das Kulturerbe der Ureinwohner nur im Weg. Seit den 1960er Jahren
baut der britisch-australische Konzern Rio Tinto dort Erze ab. In
Dampier baute er auch einen Verladehafen für den Export nach
Ostasien mit der dazugehörenden Infrastruktur. Damals wurde
Burrup, ursprünglich eine der 42 Inseln des Dampier
Archipels, durch einen Damm mit dem Festland verbunden. In den
1980er Jahren begann die Erdgasförderung, die erste
Gasverflüssigungsanlage (LNG) North-West Shelf entstand.
Tausende Felsgravuren wurden für ihren Bau zerstört.
Dabei wäre es in dem großen, dünn besiedelten
Gebiet durchaus möglich gewesen, Industrieflächen
auszuweisen, an denen sich keine Petroglyphe befinden.
Die North-West Shelf LNG ist eines der größten
Industrieprojekte in Australien. Diese Anlage will das
Unternehmen Woodside nun ausbauen. Große Vorkommen an Land
aber auch vor der Küste sollen ausgebeutet werden. Es sind
also auch Pipelines nötig, um das Erdgas zur
Verflüssigungsanlage und von dort zum Verladehafen zu
transportieren. Gegen den erbitterten Widerstand der lokalen
Aborigine-Gemeinschaften, von Archäologen und
Umweltschützern will Woodside als nächsten Schritt zum
Aufbau des Industriekomplexes in Holden Point die Pluto-LNG
errichten. Im September 2006 erteilte Westaustraliens Ministerin
für Ureinwohnerangelegenheiten die Baugenehmigung. Obwohl es
noch kein Umweltgutachten gab und Woodside die Budgetierung noch
nicht abgeschlossen hatte, wurde im Juli 2007 damit begonnen,
nahezu 200 Petroglyphe abzutragen und außerhalb des
Baugebietes umzulagern. Im Januar 2008 waren diese Arbeiten
abgeschlossen, angeblich ohne dass die Felsbilder beschädigt
wurden.
Der Aborigines-Ältesten Wilfred Hicks sagt stellvertretend stellvertretend: "Diese Felskunst ist von großer Bedeutung für die Aborigines". Für ihn zerstört bereits die Entfernung und Umbettung der uralten Bilder deren spirituelle Kraft, selbst wenn sie diese Prozedur unbeschädigt überstehen. Viele der Tausenden von Motiven nehmen Bezug auf heilige Zeremonien und Lieder. Die Tragödie der Ureinwohner der Halbinsel begann bereits 1868, als dort das Volk der Yaburara während eines acht Tage dauernden Massakers von den Kolonisatoren ausgelöscht wurde. Heute erheben die Ngarluma Yindjibarndi, die Wong-goo-tt-oo und die Yaburara Mardudhunera Anspruch auf das Gebiet. Hicks wirft ihnen vor, als Wächter des heiligen Ortes versagt zu haben, denn viele ortsansässige Aborigines haben sich von Woodside als "Kulturberater" mit 500 Dollar pro Tag gut dafür bezahlen lassen, den Abtransport der bisher entfernten Petroglyphe zu überwachen. 2003 unterzeichnete die Regierung Westaustraliens ein Abkommen mit den Aborigines, mit dem der Industrieansiedlung der Weg bereitet und festgelegt wurde, das dafür nicht benötigtes Land den traditionellen Besitzern übergeben werden soll. Doch die Unterzeichner des Kontraktes auf Seiten der Ureinwohner waren Analphabeten und verstanden seine Bedeutung gar nicht.
Die Bundesregierung in Canberra hat im Juli 2007 die
Petroglyphe von Burrup in die Liste des Nationalen Kulturerbes
aufgenommen. Doch die Regierung Westaustraliens will den
Industriestandort mit allen Mitteln durchsetzen, denn sie hat
bereits Unsummen in den Aufbau der Infrastruktur für
Industrieansiedlungen investiert, um Unternehmen anzulocken. Sie
legte Bundesumweltminister Peter Garrett im März 2008 den
Entwurf für einen Entwicklungsplan vor, dem zu Folge der
Bund seine Entscheidungsbefugnisse bezüglich der
Kulturerbe-Stätte auf der Halbinsel an die Regierung des
Bundesstaates abtreten soll. Damit würde die Behörde
Westaustraliens für Industrie und Bodenschätze freie
Hand bekommen, die Industrialisierung des Schutzgebietes
voranzutreiben. Doch nicht jeder folgt ihrem Lockruf. So haben
sich die internationalen Konzerne BHP Billiton Petroleum und
Apache Energy an anderen geeigneten Standorten in der Region
Pilbara außerhalb des Kulturerbegebietes niedergelassen,
beide begründeten dies mit ihrer Sorge um dessen Bewahrung.
Die Ngarluma haben Minister Garrett dringend gebeten, den Plan
der Regierung Westaustraliens nicht zu ratifizieren
Die Ngarluma sind entschlossen, die Felsbilder zu verteidigen.
Sie haben die auf der Halbinsel tätigen Unternehmen gewarnt,
dass sie notfalls auch darum kämpfen würden. Ihr
Vertreter Andrew Dowding sagte der Nachrichtenagentur ABC, dass
die Größe und der Reichtum der Unternehmen ihn nicht
einschüchtern. "Wir sind nur eine kleine Gruppe und stehen
einigen großen Unternehmen gegenüber, die uns wie
Dreck behandeln. Aber wir gehen mit diesen sehr entschlossenen
Unternehmen ebenfalls mit großer Entschlossenheit um, da
ist kein Unterschied." 2007 haben sich die Projektgegner mit
einem Hilferuf bereits an den damaligen UN-Sonderberichterstatter
für die Rechte indigener Völker Rodolfo Stavenhagen
gewandt. Mehrfach haben sie öffentlich bekundet, dass sie
keine weitere Zerstörung ihres Kulturerbes wünschen.
Woodside nimmt darauf wenig Rücksicht. Das Unternehmen ist
in Zugzwang, hat es doch im September 2007 einen Vertrag mit
PetroChina unterzeichnet und sich darin zur Lieferung von
3.000.000 t/jahr LNG für die nächsten 20 Jahre
verpflichtet. Schon 2006 hatte es auch mit Japan zwei
Lieferverträge mit einem Volumen von 20 Milliarden Dollar
geschlossen.
Aus pogrom-bedrohte Völker 247 (2/2008).