Bozen, 8. Oktober 2003
VON URSULA HEMETEK
Die Anfänge
1991 wurde ein Verein gegründet, der sich Initiative
Minderheitenjahr nannte. Er hatte sich zum Ziel gesetzt,
Minderheiten als einem Teil der österreichischen
Gesellschaft zu mehr Akzeptanz zu verhelfen. Das Minderheitenjahr
sollte ein Mittel dazu sein im Sinne von positiver
Öffentlichkeitsarbeit, aber auch als Artikulationsplattform
der Betroffenen selbst. Ich war an der Gründung beteiligt,
gemeinsam mit einigen anderen.
Sehr viele waren wir damals noch nicht, und wir haben auch nicht
vorausgesehen, wie sich dieses Pflänzchen entwickeln
würde. Michael ÖrtI hatte 1988, im "Bedenkjahr",
begonnen, Gleichgesinnte zu suchen, die die Idee der Ausrufung
eines "österreichischen Minderheitenjahres" mittragen und
vorantreiben würden.
Er hatte zunächst nur an ethnische Minderheiten, im
besonderen an Volksgruppen gedacht. Die Beschränkung auf
diese wurde uns damals auch der Politik verschiedentlich
nahegelegt. Volksgruppen sind eine relativ klar zu definierende
Gruppe, eine auch vom Gesetz her ausgewiesene Größe
mit organisatorischer Infrastruktur, mit Vertreterinnen als
Ansprechpartnerinnen für eine Kooperation.
Aber unter den damaligen Gleichgesinnten waren einige, die sich
entweder keiner Volksgruppe zugehörig fühlten, das auch
gar nicht konnten, weil sie "Ausländer" waren, oder sich
überhaupt nicht aufgrund ihrer ethnischen Herkunft
definierten, sondern vielmehr aufgrund anderer Merkmale
diskriminiert fühlten.
Es war z. B. ein llia Zagorac oder ein Ilija Jovanovic, der eine
"Tschuschenseelsorger" aus Bosnien, der andere Rom aus dem
ehemaligen Jugoslawien; oder Hans Peter Schatz von der HOSI
Innsbruck. Die Diskussionsbeiträge dieser Aktivistinnen
waren es, die letztlich den Grundstein legten für jenen
weiten Minderheitenbegriff, den wir für unsere
zukünftige Arbeit wählten:
"Eine Minderheit sind Menschen, die aufgrund ihrer ethnischen,
sozialen oder religiösen Zugehörigkeit oder sexueller
Orientierung Diskriminierung erfahren. Diskriminierung ist
politisch als Ausschluß von bestimmten Rechten zu sehen,
sozial als die Erfahrung von Vorurteilen und Ausgrenzungen. Dazu
gehören in Österreich unter anderem die gesetzlich
anerkannten Volksgruppen ebenso wie die Migrantinnen und
Flüchtlinge, Lesben und Schwule, Menschen mit
Behinderung."
Mit diesem Minderheitenbegriff standen wir nun vollkommen allein
in Österreichs politischer Vereinslandschaft. Andererseits
waren aber die Kooperationsmöglichkeiten durch den breiten
Ansatz weit gesteckt. Daß wir eine Plattform sein wollten
und keine Vertreterorganisation, kristallisierte sich sehr bald
heraus, und demzufolge war die Kooperation mit verschiedensten
Minderheitenorganisationen von Anfang an ein Grundprinzip der
politischen und kulturellen Arbeit.
Der Wandel
Der Minderheitenbegriff war in den zehn Jahren zwar Gegenstand
intensiver Diskussionsprozesse, letztlich hat er sich aber als
tragfähig erwiesen. Was als neuer Denkansatz in der
NGO-Szene begonnen hatte, wurde relativ bald von innenpolitischen
Ereignissen bestätigt. Die "Ausländer" waren bereits ab
1990 Gegenstand der öffentlichen Diskurse; der Ton wurde
zunehmend rauher. Zugewanderte und Flüchtlinge wurden zum
Spielball der Innenpolitik. Es wurden immer restriktivere Gesetze
erlassen.
Die Polemik besonders der Freiheitlichen erregte die Gemüter
beider Seiten (eine gewisse Polarisierung war bereits damals
eingetreten) und gipfelte im "Ausländervolksbegehren", das
andererseits durch den Zusammenschluss der "Gutmenschen" im
Lichtermeer am 23. Jänner 1993 bekämpft wurde. Im
Dezember 1993 kamen die ersten Briefbomben. Die Welle des Terrors
gegen alles, was "anders" war, die Übergriffe gegen
Behinderte und Homosexuelle waren ein deutliches Signal von
rechts und fanden ihren grausigen Höhepunkt im Attentat von
Oberwart am 4. Februar 1 995.
Für unsere Initiative hatte diese Entwicklung Konsequenzen.
Das Minderheitenjahr stand bevor, und es setzte eine intensive
Diskussion darüber ein, wozu es dienen sollte, wie auch
über unsere politischen Ziele. Es vollzog sich ein Wandel.
Es war nicht mehr nur notwendig, Vorurteile abzubauen, die
Mehrheit durch Weitergabe von Information den Minderheiten
gegenüber positiv zu stimmen, Diskurse zu eröffnen,
Politikerinnen zu sensibilisieren und eindrucksvolle
Kulturveranstaltungen zu organisieren.
Das alles ist wichtig und wurde und wird auch weiterhin als ein
Standbein der Initiative gesehen, aber das Bewußtsein, sich
wehren zu müssen, wurde auch immer stärker. Dieses
Bewußtsein kristallisierte sich im Begriff der
"minoritären Allianz". Die "Tagung der Minderheiten"
(Dezember 1994) bildete den "Höhepunkt der Bemühungen,
den teilweise hergestellten Dialog zwischen Minderheitengruppen
in eine kontinuierliche Solidarität und in konkrete
Bündnisformen umzuwandeln. Diese Veranstaltung war eine
Begegnung, ein gegenseitiges Kennenlernen der Interessen und
Forderungen, vor allem aber ein Blick über die eigenen
kommunitären Mauern - über Mauern, die zugleich
schützen und vernichten. Isolation heißt Geborgenheit,
aber auch Begrenzung des eigenen Lebens- und Spielraums" (Hakan
Gürses, STIMME 13/1994: 2).
Die Veranstaltung verlief erfolgreich, und viele Ideen wurden
geboren. Manche wurden wieder vergessen oder nicht umgesetzt,
eine aber, damals noch als Utopie fomuliert, scheint jetzt
Realität zu werden: das Antidiskriminierungsgesetz (siehe
STIMME 37/IV 2000). Miteinander daran gearbeitet haben
tatsächlich verschiedene Minderheitengruppierungen, und
letztlich ist dies eine Auswirkung oder auch ein Ausdruck der
"minoritären Allianz".
Die Entwicklung der Ziele der Initiative Minderheiten geht von
einem anfänglichen - noch relativ diffusen - Einfordern der
Akzeptanz der Vielfalt hin zum klaren Ziel der Schaffung einer
"minderheitengerechten Gesellschaft, in der individuelle
Lebensentwürfe unabhängig von Merkmalen wie ethnischer,
sozialer oder religiöser Zugehörigkeit, sexueller
Orientierung, Behinderung als gleichberechtigt und gleichwertig
anerkannt sind" (Leitlinien der Initiative Minderheiten
2000).
Die Deutung
Innerhalb der "Szene" erfüllt die Initiative Minderheiten
verschiedene Funktionen: oAls Partnerin für verschiedenste
gemeinsame Projekte, weil wir uns als verläßlich und
kompetent erwiesen haben:
- Als Katalysatorin in verschiedensten Gremien, in denen es darum
geht, Allianzen der verschiedenen Minderheitengruppen
herzustellen und Betroffene zu Wort kommen zu lassen.
- Als Kompetenzzentrum, da in der Initiative Minderheiten
aufgrund der weitgeknüpften Kooperationsnetze sehr viel an
Information zusammenläuft.
- Als politisch unabhängige Organisation, die sich ihren
Zielen, nicht aber einer politischen Partei verpflichtet
fühlt.
- Als Ideengeberin/lnitiatorin oder Trägerin für
verschiedenste innovative Projekte, sei es im Bildungs-, Medien-
oder Kulturbereich.
Wir haben durch unsere Ideen so manche/n Politikerin zum
Nachdenken gebracht und sind manchen ein Dorn im Auge. Ich
glaube, daß die Initative Minderheiten durch die bisherige
Tätigkeit wichtige Funktionen erfüllt hat. Die
Entwicklung war spannend und zeigt, daß dynamische Prozesse
möglich sind. Wir sind konsequent unseren Weg gegangen,
pragmatisch auf der einen Seite, visionär auf der anderen,
und wir haben uns verändert. Es ist durchaus möglich,
daß wir in Zukunft anstreben werden, selbst die politischen
Themen verstärkt vorzugeben.
Die Initative Minderheiten ist zu einer Institution im
Minderheitenbereich geworden. Angesichts der politischen
Situation ist allerdings ein zufriedenes Zurücklehnen nicht
angebracht. Wir sind leider nicht überflüssig geworden,
denn vom Ziel einer "minderheitengerechten Gesellschaft" sind wir
weit entfernt.
Siehe: www.initiative.minderheiten.at
VON FRANJO SCHRUIFF
In keinem anderen Arbeitsfeld der Initiative Minderheiten hat
sich seit ihrer Gründung so viel bewegt, wie im Bereich der
anerkannten ethnischen Minderheiten, der sogenannten
"Volksgruppen".
Nach fast 50 Jahren faktischem Stillstand entwickelte sich im
letzten Jahrzehnt eine ungeahnte Dynamik in der
Volksgruppenpolitik. Aus dem internationalen Bereich strahlt seit
Ende der achtziger Jahre ein verstärktes
Problembewußtsein bezüglich ethnischer Fragen nach
Österreich herein. Ethnisch gefärbte Konflikte haben in
weiterer Folge zum Ende mehrerer Staaten in der unmittelbaren
Nachbarschaft Österreichs geführt.
Diese Minderheitenkonflikte haben auch die internationale
Gemeinschaft dazu bewogen, sich verstärkt mit
Minderheitenfragen zu befassen:
Die Folge war die Berücksichtigung von Minderheitenrechten
im diplomatischen KSZE-Prozeß, aus dem inzwischen die OSZE,
die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa, entstanden ist.
Der Europarat mit seiner langen Erfahrung im
Menschenrechtsbereich bemühte sich um die Verrechtlichung
des Minderheitenschutzes in Anlehnung an den
Menschenrechtsschutz. Von mehreren Ansätzen sind letztlich
zwei geblieben: die Charta der Regional- und Minderheitensprachen
und die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler
Minderheiten.
Beide Dokumente des Europarates basieren auf der gemeinsamen
Verantwortung von Minderheiten und Mehrheiten und dem Respekt vor
den Besonderheiten und besonderen Bedürfnissen von
Minderheiten als integralem Bestandteil Europas. Österreich
hat beide Dokumente ratifiziert.
Im nationalen Bereich trafen ebenfalls mehrere Faktoren zusammen.
Im Zuge des Bedenkjahres und parallel zum beginnenden Aufstieg
der Freiheitlichen Partei mit stark deutschnationaler Ausrichtung
setzten gesellschaftliche und politische Diskussionen über
die Besonderheiten Österreichs ein.
Es lag nahe, in diesen Diskussionen auch auf die an den Rand
gedrängte ethnische Vielfalt Österreichs Bezug zu
nehmen. So rückten die Volksgruppen näher ans Zentrum
des politischen Interesses. Nach den Attentaten gegen
Angehörige und Einrichtungen der kroatischen und
slowenischen Minderheit und nach den Morden an vier Roma in
Oberwart war noch mehr bewußt geworden, daß auch die
Mehrheit Verantwortung für die Minderheiten trägt und
sie in die Mitte der Gesellschaft holen muß, um sie zu
schützen.
Im Burgenland, in dem die langjährige dominante Partei, die
Sozialdemokratie, offensiv die Assimilation der Kroaten als
größte ethnische Minderheit propagiert hatte, kam es
inzwischen durch einen Generationenwechsel zu einem Umdenken.
Sprachliche und kulturelle Vielfalt wurden von der neuen
Generation mangels eigener negativer Erfahrungen nicht mehr als
Hemmnis und Bedrohung verstanden. Derartige Propaganda der
Nachkriegssozialisten im Burgenland stieß zunehmend auf
Unverständnis.
Das verstärkte Interesse
Durch die sich abzeichnende Öffnung Europas gewannen
außerdem die Beherrschung der Sprachen und ein Einblick in
die Kulturen der Nachbarländer Slowenien, Ungarn, Kroatien,
Tschechien und Slowakei an Bedeutung. Daß die
entsprechenden Minderheiten in Österreich ein
Vermittlungspotential anzubieten hatten, von dem vor allem die
deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung profitieren konnte,
wurde immer mehr bewußt.
Parallel zu dieser Entwicklung kam es durch eine neue politische
Partei, die Grüne Alternative, zu einer ganz bewußten
Betonung von österreichischen Minderheiten und zu einer
starken Aufwertung von Minderheitenfragen "als Kernfragen der
Demokratie". Mit dem Einzug eigener Minderheitenkandidatinnen ins
Parlament - des Kärntner Slowenen Karel Smolle und
später der Burgenlandkroatin Terezija Stoisits auf der Liste
der Grünen - konnten auch Minderheiten eine politische
Bühne besetzen, die ihnen bis dahin verwehrt war.
Natürlich hatten auch die großen Parteien gelegentlich
Minderheitenangehörige in hohen gesetzgebenden oder
vollziehenden Ämtern. Aber da kam plötzlich jemand aus
einer Minderheit, der seine Legitimation aus seinem Einsatz
für Minderheiten bezog und seine Rolle als
Oppositionsabgeordneter konsequent zur Vertretung von
Minderheiteninteressen ausspielte.
In weiterer Folge mussten auch die anderen Fraktionen nachziehen
und ebenfalls parlamentarische Minderheitensprecherinnen
nominieren. Es war zu gefährlich geworden, die an
prominenter Stelle vorgebrachte Kritik an der international
rückständigen Minderheitenpolitik Österreichs ohne
Gegenwehr hinzunehmen.
Politisch relevant und positiv für die anerkannten
Volksgruppen dürfte sich auch die immer bedeutsamer werdende
Frage der Integration von Zugewanderten, den sogenannten "neuen
Minderheiten", ausgewirkt haben. Es war für die Regierungen
des letzten Jahrzehnts im Hinblick auf die internationale
Aufmerksamkeit für Minderheitenfragen strategisch opportun,
Minderheitenrechte zwar zu gewähren, dabei aber den
Geltungsbereich auf eine kleine Gruppe innerhalb der Minderheiten
einzuschränken.
So kamen die "anerkannten Volksgruppen", d. h. die Kroaten,
Slowenen, Ungarn, Tschechen, Slowaken und Roma in den Genuß
von erweiterten Rechten, während die Regierungen zugleich
versuchten, die Trennlinien zwischen "anerkannten Volksgruppen"
und "neuen Minderheiten" schärfer zu ziehen.
So profitierten vom "Jahrzehnt der Volksgruppen" nur die
anerkannten Volksgruppen, nicht aber andere ethnische
Minderheiten mit fast zehnmal sovielen Angehörigen. Man
könnte die Entwicklung tatsächlich mit kommunizierenden
Gefäßen vergleichen: Je restriktiver die Politik
gegenüber Zuwanderern wurde, desto mehr wollte man bei den
anerkannten Volksgruppen eine im Grunde minderheitenfreundliche
Einstellung beweisen.
Neue Rechtssprechungspraxis
Ein weiterer zentraler Faktor, der das "Jahrzehnt der
Volksgruppen" mitverursachte, war der Verfassungsgerichtshof, der
ganz allgemein seine jahrzehntelange zurückhaltende
Rechtssprechungspraxis aufgab und für sich selbst eine
zunehmend gestaltende und politischere Rolle in Anspruch
nahm.
Dieses neue Selbstverständnis behielt der
Verfassungsgerichtshof auch im Bereich der Minderheitenrechte
konsequent bei. Im übrigen dürfte die Politik nicht
ganz unglücklich darüber gewesen sein, daß ihr
der Verfassungsgerichtshof in so sensiblen Bereichen wie der
Minderheitenpolitik die Verantwortung für
möglicherweise konfliktbeladene Entscheidungen, die in
keinem Mehrheitsinteresse lagen, abnahm.
So steht am Anfang dieses "Jahrzehnts der Volksgruppen" auch ein
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem er Kroatisch zur
zusätzlichen Amtssprache im Burgenland machte. Zuvor waren
die Kroaten trotz verfassungsrechtlicher Zusicherung dieses
Rechts auf die Verwendung der eigenen Muttersprache vor
burgenländischen Ämtern durch Jahrzehnte an der
Ignoranz und den Widerständen der Politik gescheitert.
In weiterer Folge entwickelte sich der Verfassungsgerichtshof zu
einer Art Schrittmacher der österreichischen
Minderheitenpolitik. Maßgebliche Verbesserungen setzte
jeweils der Gerichtshof gegen die Politik durch.
So wurde der Geltungsbereich des zweisprachigen Schulwesens in
Kärnten erweitert, was dann auch zu einer Änderung des
Minderheitenschulrechts im Burgenland führte und den Kroaten
und Ungarn das seit 1955 versprochene zweisprachige Gymnasium
brachte. Weiters setzte der Verfassungsgerichtshof durch,
daß der zweisprachige Volksschulunterricht in allen vier
Schulstufen der Volksschule erteilt werden soll, und nicht - wie
von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen - nur in den
ersten drei Schulstufen.
Zuletzt erklärte der Verfassungsgerichtshof auch die
gesetzliche Beschränkung des zweisprachigen Gebietes auf
Regionen mit mindestens 25% Volksgruppenangehörigen für
verfassungswidrig. 10% müßten jedenfalls genügen,
lautet das bisher letzte Wort. Die Folge wird eine Ausweitung der
Amtssprachenrechte und der zweisprachigen Aufschriften in
Kärnten und im Burgenland sein müssen.
Bedeutsame Änderungen gab es auch in der Förderung der
kulturellen Aktivitäten der anerkannten Volksgruppen.
Während die gesetzlich vorgesehene Förderung der
Volksgruppen bis 1 988 bei 4,5 Millionen dahinvegetierte, kam es
seit 1989 zu einer sukzessiven Erhöhung auf das
Fünfzehnfache im Jahr 1999. Seit dem Koalitionswechsel ging
die Förderung der Volksgruppen von 65 auf 52 Millionen
Schilling im Jahr 2001 zurück.
Ausgeweitet wurden im letzten Jahrzehnt auch die Sendezeiten der
Minderheiten im ORF-Radio. 1989 wurden für Kroaten im
Burgenland und Slowenen in Kärnten halbstündige
Fernsehsendungen an jedem Sonntag gestartet. Nach dem Fall des
ORF-Monopols entstanden auch zwei Privatradios, die in den
Minderheitensprachen senden und die aus der
Volksgruppenförderung unterstützt wurden. Deren Zukunft
ist mittlerweile ungewiß, da die neue Bundesregierung die
Förderungen wieder eingestellt hat.
Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß im letzten
Jahrzehnt die bis dahin nicht anerkannte Volksgruppe der Roma
anerkannt wurde. Auch die Slowaken sind nun eine eigene
Volksgruppe, während sie bis zur Teilung der
Tschechoslowakischen Republik von der tschechischen Minderheit
"mitvertreten worden waren". Den Polen wurde allerdings
inzwischen die Anerkennung als Volksgruppe verweigert. Aber auch
bei den Roma hatte es dreier Anläufe bedurft, bis der
damalige Bundeskanzler Vranitzky von seiner ablehnenden Haltung
abging.
Unter der neuen Bundesregierung
Weitere bedeutende Änderungen im Minderheitenrecht
ereigneten sich zur Zeit der EU-Sanktionen gegen die
Regierungsbeteiligung der FPÖ. Der Nationalrat
beschloß auf Vorschlag der Bundesregierung eine
Staatszielbestimmung zum Minderheitenschutz, die seit Jahren von
den Grünen vorgeschlagen worden war.
Noch vor den Sanktionen hatte die Justizsprecherin der ÖVP
eine derartige Bestimmung strikt abgelehnt. Es sei ein Unding,
"die Verfassung mit Dingen zu überfrachten, für die sie
nicht geschaffen wurde". Auch Senioren, Bauern,
Kleingewerbetreibende oder Lehrlinge würden dann
berechtigterweise mit ähnlichen Forderungen wie die
Volksgruppen kommen. Der Verfassungsgerichtshof könne dann
jede politische Entscheidung mit Hinweis auf eine
Staatszielbestimmung "schmeißen" und zugunsten der
Minderheiten gegen die Politik entscheiden.
Aber angesichts des Drucks der EU wurden Meinungen rasch
geändert. Im Gegensatz zum weiter gefassten Originalantrag
der Grünen wurde der Geltungsbereich der
Staatszielbestimmung aber ausdrücklich auf die "autochthonen
Volksgruppen" begrenzt. Ebenfalls 2000 wurde von der
Bundesregierung eine alte Forderung der Burgenlandkroaten, die
die ÖVP stets mitgetragen hatte, umgesetzt. Das Burgenland
bekam zweisprachige Ortstafeln in den kroatischen und ungarischen
Gemeinden. Und das Ungarische wurde in vier Gemeinden zur zweiten
Amtssprache.
Seit Ende der EU-Sanktionen deuteten sich erste Rückschritte
an. Ob damit das "Jahrzehnt der Volksgruppen" abgeschlossen ist
und wieder magere Zeiten ins Haus stehen, wird sich zeigen.
Siehe: www.hravtskicentar.at, volksgruppen.orf.at
Österreich ist eine Demokratie. Die Menschenrechte sind
in der Verfassung verankert. Die Gesetze werden demokratisch
beschlossen und gelten für alle. Ist es so?
"Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich." So steht es
im Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung. 1999
zählte die sogenannte "ausländische
Wohnbevölkerung" 756.500 Menschen. Das sind 9,3 Prozent der
Gesamtbevölkerung. Einverstanden - 102.000 von ihnen sind
EU-Bürger und daher bessergestellt. Bleiben immer noch
650.000 Menschen, die weniger gleich sind als die anderen. Sie
stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus der Türkei, aus
anderen Ländern Osteuropas und der Dritten Welt. Menschen
zweiter Klasse. Oder - "Rasse"?
650.000 Menschen, die durch ihre Arbeit, ihren Fleiß den
Reichtum dieses Landes mitgeschaffen haben, sind fast aller
politischen und sozialen Rechte beraubt. Vor allem fehlt ihnen
das zentrale Grundrecht, ohne das keine Demokratie denkbar ist:
das Wahlrecht. Auch für sie gelten die Gesetze, die das
Parlament beschließt, ein Parlament, das sie nicht
wählen dürfen, dessen Abgeordnete nicht angewiesen sind
auf ihre Stimmen; für sie gelten Gesetze, die sie
unmittelbar betreffen, die massiv eingreifen in ihr
persönliches Leben:
a) Asylgesetz,
b) Fremdengesetz,
c) Ausländerbeschäftigungsgesetz ....
Gesetze, die beschlossen wurden, ohne sie zu fragen, über
ihre Köpfe hinweg. Gesetze, unter denen sie leiden -
rassistische Gesetze, die in den vergangenen Jahren die Existenz
zehntausender Menschen zerstörten: Menschen verloren ihr
Aufenthaltsrecht, weil sie Fristen versäumten oder weil ihre
Wohnung zu wenig Quadratmeter hatte oder weil sie arbeitslos und
mittellos waren. Menschen verschwanden in der Schubhaft, weil sie
gewagt hatten, Asylanträge zu stellen. Menschen wurden zu
"Illegalen".
Nach Kärnten
Jahrelang beschränkte sich die Menschenrechtsbewegung auf
den (meist vergeblichen) Versuch, das Schlimmste zu verhindern,
die Folgen der Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts zu
lindern; ja wir waren schon zufrieden, wenn es uns gelang,
einzelnen unserer Klienten zu ihrem selbstverständlichen
Recht zu verhelfen. Wir sind allzu bescheiden geworden.
Es ist Zeit zum Gegenangriff. Die Klagenfurter Widerstandstage
der Plattform Offenes Kärnten haben Forderungen beschlossen,
die den Weg in die Zukunft weisen. Wir wollen die volle
rechtliche, politische und soziale Gleichstellung aller Menschen
in diesem Land und fordern daher eine Revision des Artikels 7 der
österreichischen Bundesverfassung wie folgt:
"Alle Menschen, die in Österreich leben, sind vor dem Gesetz
gleich."
Diese Forderung schließt viele andere mit ein. Vor allem:
das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht. Eine Parole,
für die die alte Arbeiterbewegung am Ende des 19. und am
Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Straße ging. Und die
zur Schande dieses Landes bis heute nicht verwirklicht ist. Wir
wollen uns aber nicht abspeisen lassen mit billigen kleinen
Reformen, mit Ausländerbeiräten oder dem Wahlrecht in
Bezirken und Gemeinden. Die Gesetze beschließt bekanntlich
das Parlament. Daher muß das Parlament, wenn sich
Österreich als "Demokratie" bezeichnen will, von allen
Menschen gewählt werden, die in diesem Land leben.
Natürlich bedeutet Gleichheit auch, daß die Menschen,
die in Österreich leben, auch hier arbeiten dürfen.
Also: Abschaffung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.
Dieses Gesetz hat jahrzehntelang die Arbeiter in zwei Klassen,
Inländer und Fremde, geteilt. Es gehört ersatzlos weg.
Gleichheit bedeutet auch gleichen Zugang zu den Sozialleistungen.
Und natürlich auch gleichen Zugang zu
Gemeindewohnungen.
Reform der Verfassung
Um die Gleichheit zu verteidigen, brauchen wir auch ein
Antidiskriminierungsgesetz, das diesen Namen verdient, verbunden
mit einem Paket begleitender Maßnahmen. Das heißt
insbesondere: strafrechtliche Konsequenzen. Das heißt aber
auch, und das haben wir gerade auf den Kärntner
Widerstandstagen, gerade in Klagenfurt mit aller Deutlichkeit
gesagt: Verlust des politischen Mandats, wenn sich Politiker
rassistisch verhalten.
Soll Gleichheit Bestand haben, bedarf sie auch der Sicherheit.
Zugleich mit dem Kampf um Gleichheit treten wir daher für
das Menschenrecht auf Existenzsicherung für alle -
sogenannte Inländer und sogenannte Fremde - ein.
Organisationen aus den Bereichen Asyl und Migration wie auch
soziale Netzwerke und Arbeitsloseninitiativen verbünden sich
hier zur gemeinsamen Aktion.
Wir legen uns die Latte hoch: Wir wollen eine Reform der
Verfassung, einen grundlegenden Neubeginn. Es muß anders
werden in diesem Land.
Von Michael Genner - Asyl in Not. Aus: STIMME
VON UND FÜR MINDERHEITEN.
Das österreichische "Ludwig-Boltzmann-Institut für
Menschenrechte" und die Arbeitsgemeinschaft österreichischer
NGO und Minderheitenorganisationen haben einen Entwurf für
ein österreichisches Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt.
Daraus einige Abschnitte:
Der Nationalrat möge beschließen:
1. Hauptstück/Allgemeine
Bestimmungen/Anwendungsbereich
§1
(1) In diesem Bundesgesetz gilt bei allen personenbezogenen
Bezeichnungen (z. B. Kollegin, Arbeitnehmerin, Bedienstete ...)
die gewählte Form für beide Geschlechter.
(2) Dieses Bundesgesetz läßt Bestimmungen
unberührt, die für die Betroffenen weitergehende Rechte
vorsehen. Insbesondere bleiben bestehende Gesetze über die
Gleichbehandlung von Mann und Frau unberührt.
Begriffsbestimmungen
§2
Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
(1) Diskriminierung:
1. eine Schlechterstellung von Personen, die unmittelbar an
tatsächlichen oder vermeintlichen Unterscheidungen des
Geschlechts, der Hautfarbe, der Sprache, der sexuellen
Orientierung, der geschlechtlichen Identität, des Alters,
der Behinderung oder der Abstammung, Herkunft, "Rasse",
ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeit,
Nationalität, religiösen Überzeugung oder
politischen Anschauung anknüpft (unmittelbare
Diskriminierung); oder
2. wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder
Verfahren eine Person oder Personengruppe aufgrund eines der in Z
1 genannten Gründe benachteiligen können, (mittelbare
Diskriminierung); es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist durch
ein legitimes Ziel objektiv gerechtfertigt und die Mittel zur
Erreichung dieses Ziels sind geeignet und erforderlich.
Besondere Maßnahmen
§3
Private oder hoheitliche Maßnahmen zur Verhinderung oder
zum Ausgleich von Benachteiligungen von Menschen, die von einem
in § 2 Abs. 1 genannten Diskriminierungsgrund betroffen
sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses
Bundesgesetzes, sofern sie nicht aufrechterhalten werden, nachdem
die Ziele, derentwegen sie getroffen wurden, erreicht worden
sind.
2. Hauptstück
I. Abschnitt
Diskriminierungsverbot im rechtsgeschäftlichen Verkehr
§4
Eine Diskriminierung im rechtsgeschäftlichen Verkehr ist
verboten bei:
1. der Gestaltung, dem Abschluß, der Aufrechterhaltung, der
Fortsetzung oder der Beendigung eines Rechtsgeschäftes,
dessen der andere Teil zur Gestaltung seiner
Lebensverhältnisse bedarf. Hiezu zählen insbesondere
Miet- und Pachtverträge, Verträge über die
Einräumung von Wohnungseigentum, Versicherungsverträge,
Kreditvereinbarungen und Verträge über Konsumgüter
oder Dienstleistungen des täglichen Lebens.
2. dem Abschluß, der Aufrechterhaltung, der Fortsetzung
oder der Beendigung eines Rechtsgeschäftes, das
öffentlich oder einem unbestimmten Personenkreis angeboten
wird oder wurde.
II. Abschnitt
Gleichbehandlungsgebot bei der Stellenbewerbung und am
Arbeitsplatz
§9
Bei der Behandlung von Stellenbewerbungen und im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses ist jede Diskriminierung verboten.
Insbesonders trifft dies zu auf:
1. den Abschluß, die Aufrechterhaltung, die Fortsetzung
oder die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
2. Vergünstigungen oder freiwillige Leistungen,
Beförderungen, Schulungen, Maßnahmen zur betrieblichen
Weiterbildung oder Disziplinarmaßnahmen.
3. die Stellenausschreibung, die Zulassung zu
Vorstellungsgesprächen und Auswahlverfahren.
§10
1) § 9 ist nicht anwendbar bei:
3. der Begründung von sonstigen Arbeitsverhältnissen,
wenn die Ungleichbehandlung ein Merkmal betrifft, das aufgrund
der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der
Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und
entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es
sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene
Anforderung handelt.
III. Abschnitt
Gleichbehandlungsgebot für den öffentlichen
Dienst
§12
In Ausübung ihres Amtes darf eine Bedienstete des Bundes
niemanden diskriminieren.
§13
Bedienstete des Bundes haben bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Eindruck von
Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung empfunden
zu werden.
§14 (Verfassungsbestimmung)
(1) ist durch eine dem Bund zurechenbare Diskriminierung der
Betroffenen ein Schaden entstanden, so hat der Bund diesen mit
der Maßgabe zu ersetzen, daß auch Schäden, die
nicht schuldhaft verursacht wurden oder immaterieller Natur sind,
zu ersetzen sind.
(2) Wer von einer Diskriminierung gemäß § 12
betroffen ist, kann vom Bund die Unterlassung begehren.
V. Abschnitt
Gleichbehandlungsgebot im öffentlichen Dienst §18 Bei
der Stellenbewerbung und innerhalb eines Dienstverhältnisses
zum Bund ist jede Diskriminierung verboten. Insbesondere trifft
dies zu auf: (3) den Abschluß, die Aufrechterhaltung oder
die Fortsetzung eines Dienstverhältnisses. (4)
Vergünstigungen oder freiwillige Leistungen,
Beförderungen, Schulungen, Weiterbildungsmaßnahmen,
Versetzung oder Disziplinarmaßnahmen (5) die
Stellenausschreibung, die Zulassung zu
Vorstellungsgesprächen und Auswahlverfahren.
3. Hauptstück
I. Abschnitt
Ombudsperson gegen Diskriminierung
§ 20 (Verfassungsbestimmung)
(1) Der Nationalrat wählt aufgrund eines Vorschlages des
Hauptausschusses eine Ombudsperson gegen Diskriminierung
(Ombudsperson).
(2) Die Ombudsperson wird für eine Funktionsperiode von
sechs Jahren bestellt.
(5) Der Nationalrat stellt die zur Bewältigung der Aufgaben
der Ombudsperson notwendigen Mittel zur Verfügung.
2. Abschnitt
Schlichtungsstellen
§ 25 (Verfassungsbestimmung)
Bei den Oberlandesgerichten werden Schlichtungsstellen
eingerichtet Diese Schlichtungsstellen bestehen aus der
erforderlichen Anzahl von Mitgliedern, die rechtskundig sein und
über eine abgeschlossene Ausbildung auf dem Gebiet der
außergerichtlichen Streitschlichtung verfügen
müssen. Diese Mitglieder der Schlichtungsstellen sind in
Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei.