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Shipibo Konibo (Peru)

Geschichte, Fortschritte und zukünftige Perspektiven für die ursprüngliche Bevölkerung der Shipibo Konibo

Iquitos (Peru), März 2002

Karte mit den Territorien der Shipibo Konibo in Peru. Quelle: Web Promperù.GESCHICHTE
Die ursprüngliche Bevölkerung der Shipibo Konibo lebt in der Senke an dem Rio Ucayali (Nebenfluss des Rio Marañon, der in den Amazonas mündet). Zurzeit gehören 30.000 Menschen dieser Bevölkerungsgruppe an, die sich auf 226 Gemeinschaften in den Departments von Ucayali, Loreto, Huanuco und Madre de Dios verteilen. Ein Teil davon lebt in den Großstädten.

Es wird erzählt, dass vom Beginn der menschlichen Geschichte an, wir Völker aus Amazonien uns in Großfamilien je nach unserer Sprache organisiert hatten; seitdem haben unsere Vorfahren unterschiedliche Theorien über unsere Herkunft entwickelt: Es gab Menschen, die von den Affen abstammten und sich Shipi (kleinwüchsige Affenart mit weißem Bart) nannten; und es gab Menschen, die von einem Fisch Namens Koni (Aalart) abstammten; man erzählt, dass die große Familie der Shipi, nach langen inneren Kämpfen um die Herrschaft des Territoriums und auf Anraten der Weisen, sich mit der Familie der Koni zusammenschloss: daraus entstand der Name Shipibo Konibo, wobei die Endung "bo" den Plural in der Sprache des Shipibos kennzeichnet.

Hütte, in der Produkte aus Keramik hergestellt werden.Wir zählen zu den ältesten Bevölkerungsgruppen Amazoniens in Peru. Bis zum Einfall der Kolonialmächte in unser Territorium hatten wir Jahrtausende lang ein traditionell organisiertes System, aber mit der Ankunft der Missionare wurde unsere Lebensweise und unsere Unabhängigkeit vernichtet. Unsere ursprüngliche Kultur bestand in der Anwendung der Lehren, der Ideologien und der Philosophien, die über Generationen in Form von Lebensregeln und traditionellen Kenntnissen zusammen mit einer strengen Disziplin für alle Großfamilien überliefert worden sind.

Das traditionelle Erziehungssystem wurde von den älteren Mitgliedern jeder Familie mündlich weitergegeben: Sie hatten keine Schulbildung, beherrschten und behielten aber Kenntnisse und Informationen über Astrologie, Geographie, Kunst, Architektur, Fischerei, Medizin und Kriegstechniken. Denn es gab natürlich auch Konflikte zwischen den Naturvölkern Amazoniens, die sich hauptsächlich um die fürs Überleben notwendigen natürlichen Ressourcen und die damit verbundenen Territorien drehten.

Das Bild zeigt die Straße in einem Dorf der Shipibo Konibo.Das Eindringen der Kolonialherren in unser Gebiet führte zu einer Veränderung unseres Lebensstils und unserer Existenz: Wir erfuhren die blinde Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen, wir selbst wurden zu Sklaven. Nur dank der alten gesellschaftlichen Regeln, solidarischem Verhalten, Verteilung der Güter und kollektivem Besitz an Grundstücken haben wir es geschafft, als Volk zu überleben.

Unsere Vorfahren fingen an, während der Zeit des Kolonialismus und später während des Prozesses der nationalen Entwicklung der Republik einen freien Raum zu suchen, um unsere Organisationsform und unsere Identität als ursprüngliche Bevölkerungsgruppe aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund führen wir heute noch unseren Widerstandskampf durch.

Frauen bereiten das Mittagessen für die Gemeinschaft.HEUTIGE SITUATION
Heutzutage leidet unsere Kultur unter der Abwesenheit der alten Weisen, der spirituellen Führer unseres Volkes: Sie gelten bei uns als lebendige Enzyklopädien, die das traditionelle Wissen umfassen. Ein Teil dieser Kenntnisse wird den Jugendlichen nicht mehr vermittelt und somit von den neuen Generationen weder praktiziert noch aufgenommen. Wir wollen jetzt einige Aspekte unserer Lebensart betrachten.

POLITISCHE ASPEKTE
Die Bewegung der ursprünglichen Bevölkerungsgruppen hat es mit den neuen nationalen und weltweiten Ideologien immer schwerer. Daher wollen wir unsere Strukturen verstärken: Wir denken, dass man unsere politische Unabhängigkeit und den Schutz der traditionellen Territorien ausbauen sollte.

Während der Regierung Fujimori musste sich die Bewegung dem sogenannten "Neoliberalismus", der zur Veränderung der politischen Staatsverfassung führte, stellen: Die freie Marktwirtschaft und die Teilung der gemeinschaftlichen Grundstücke wurden eingeführt. Tatsächlich war das ein Versuch, die Organisationen der ursprünglichen Gruppen aufzulösen und zu vernichten. Die Strategie der Regierung war es, die Abhängigkeit und die Manipulation der Gemeinschaften der Ureinwohner zu fördern. Wir ließen uns aber nicht von dieser Drohung einschüchtern und verkauften unsere Grundstücke nicht.

Mit der neuen Regierung Toledo wurde die Nationale Kommission für ursprüngliche Bevölkerungen aus Amazonien und den Anden gegründet, nachdem zuvor bereits das Technische Sekretariat für die Fragen der ursprünglichen und afroamerikanischen Gruppen (SETAI) eingerichtet worden war. Damit könnten wir eigentlich positiv in die Zukunft blicken, doch bislang ist noch kein Ergebnis zu sehen.

Es ist eine Tatsache, dass sich in der Geschichte Perus kein Präsident um die Fragen der Gemeinschaften der Ureinwohner gekümmert hat. Ohne eine nachhaltige Entwicklung politisch zu fördern, haben die verschiedenen Regierungen wirtschaftliche Abkommen mit großen multinationalen Unternehmen abgeschlossen. Dadurch erhielten sie billig unser Land, das sie noch immer rücksichtslos ausbeuten. Negative soziale Auswirkungen sind die Folge.

Ein Beispiel dafür: Am 30. Dezember 2001 wurden in der Tageszeitung "El Peruano" die Resolutionen 1349-2001-AG und 1351-2001-AG, vom 27. Dezember 2001, veröffentlicht. Mit diesen Resolutionen wollte man nach der Forstmappierung des Nationalinstituts für die natürlichen Ressourcen (INRENA) Gebiete wieder aufforsten und Wälder für die industrielle Nutzung schaffen. Mit diesen Resolutionen und den Abkommen mit den wirtschaftlich interessierten Gruppen (multinationale Konzerne) sollten für diese Grundstücke 40-jährige Konzessionen erteilt werden. Wir wurden nicht gefragt. Gleichzeitig verkündet Präsident Toledo bei jeder Gelegenheit, dass er sich stets für die Grundrechte der ursprünglichen Bevölkerungen einsetzen würde.

Es ist uns schon bewusst, dass wir von den großen Parteien, von den politischen Bewegungen und von den verschiedenen Regierungen je nach ihren Interessen manipuliert wurden und immer noch werden: Ihre Ziele stehen unserer Realität diametral gegenüber, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Mangel an einer starken politischen Kultur. Trotzdem haben wir uns politische Räume geschaffen, in denen wir unsere elementaren Rechte einfordern können.

In unseren Gemeinschaften nehmen Diskussionen über die neuen organisatorischen Muster immer größeren Raum ein: Daraus ist die Zentrale Kommission für die Politische und Wirtschaftliche Unabhängigkeit der Shipibo Konibo entstanden, das größte Ziel unserer Generation. Wir glauben, dass unser politischer Kampf sich auf zwei verschiedenen Ebenen abspielen soll. Erstens müssen wir uns als Organisation vollständig in das nationale peruanische Projekt einbringen, das die Veränderung und den Wechsel will; zweitens müssen wir darum kämpfen, um in den höchsten staatlichen Institutionen - in den Gemeinden und im Parlament - Entscheidungsmacht zu erlangen. Damit könnte die kritische Lage unserer Gemeinschaften verbessert werden.

Eine Frau fertigt einen Keramikkrug.WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE
Unsere Wirtschaft war für lange Zeit eine Lebensunterhaltswirtschaft: Wir haben die natürlichen Ressourcen ausgenutzt, ohne dass der Handelswert, die Kosten, die Verdienste, die Steuer, die Ersparnisse und die Anlagen wichtig waren. Heutzutage müssen wir aber mit den Tücken der Marktwirtschaft fertig werden, die uns zur Suche nach neuen Entwicklungsformen und -modellen drängt. Nur so ist die Kontinuität in unserer Kultur und in unserer Organisation möglich. Von daher sind wir dazu gezwungen, uns in unterschiedlichen Bereichen ausbilden zu lassen, z.B. in Unternehmensführung und -verwaltung. Nur so können wir mit der Mehrheitsgesellschaft auf dem großen Markt konkurrenzfähig werden.

Mit der Globalisierung schließen sich die mächtigen Länder in große wirtschaftliche Blöcke zusammen. Sie bilden große Konzerne mit dem Ziel, unsere natürlichen Ressourcen auszubeuten. Unsere Regierungen nutzen die politischen Konjunkturen des Landes aus, um die Wälder Amazoniens zu privatisieren. Wirtschaftliche Krisen und Arbeitslosigkeit dienen immer wieder dazu, um ausländische Investoren aufzufordern, wirtschaftliche Abkommen zur Ausbeutung der knappen Ressourcen zu schließen. Sie werden legitimiert, "gesetzmäßig" zu handeln, ohne zu beachten, dass wir diese Wälder bewohnen. Unser Einverständnis bzw. unsere Ablehnung wird überhaupt nicht berücksichtigt.

Wie können wir ein Lebensminimum für die lokale Bevölkerung schaffen? Das ist eine wesentliche Frage, die nie beantwortet wurde und die sich für die Zukunft stellt. Es ist sicher, dass die Plünderung der Wälder, die Okkupation der Territorien sowie die Auswanderung von Männern und Frauen in die Großstädte weiter gehen werden. Dort müssen die Männer oft wie Sklaven arbeiten, die Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Wir gelten nur als Wächter von Ressourcen, die wir schützen müssen, um zu überleben; das wird diplomatisch ausgedrückt, indem Worte wie "nachhaltige Entwicklung" erfunden werden. Aber die einzige für die ursprüngliche Bevölkerung gangbare Alternative ist das "Schützen um zu überleben". Die Themen, an die man herangehen soll, werden für uns immer komplizierter und die Experimente für eine wirtschaftliche Entwicklung der lokalen Bevölkerungen haben bis jetzt zu keinem positiven Ergebnis geführt: Es handelt sich sehr oft um Versuche, die nur zum Erlangen eines akademischen Studientitels gut sind.

Es ist für uns sehr wichtig:
- über unsere gesamten Territorien zu verfügen;
- eine zweisprachige Erziehung zu erwirken;
- unser kulturelles Vermögen mit Bezug auf die Biovielfältigkeit zu schützen;
- die Beziehung Mensch-Natur muss ernst genommen werden.
Wir verfügen über eine Menge natürlicher Ressourcen, die wir mit mehr Kompetenzen ausnutzen wollen: Beispielsweise könnten wir durch konkrete Analysen wirtschaftlich einträgliche Alternativen finden und unsere Untehrnehmensfähigkeiten verbessern, um die jetztige Situation zu verändern. Wir müssen diese Ressourcen ausgeglichen nutzen und eine Wirtschaft schaffen, die Zugang zum Markt hat.

Das Bild zeigt eine Versammlung der Shipibo Konibo.ERZIEHRISCHE UND KULTURELLE ASPEKTE
Die Erziehung ist durch das neue Schulprogramm der Zweisprachigen Interkulturellen Erziehung (EBI) zu einem der wichtigsten Elemente in unseren Gemeinschaften geworden. Durch die permanente Ausbildung der zweisprachigen Lehrer garantieren wir unseren Kindern eine gute Bildung, indem wir ihnen die ursprüngliche Kultur, aber auch die kulturelle Vielfältigkeit unserer Umgebung vermitteln. Dabei werden auch die Vorteile der modernen Technologie nicht außer Acht gelassen.

Die Interkulturalität ist für uns ein neues Thema. Aber wir sind davon überzeugt, dass sie ein notwendiger Prozess ist, um eine Gesellschaft aufzubauen, die die Toleranz und den Respekt der Unterschiede als Grundsätze ausgewählt hat. Heutzutage besitzen vor allem Jugendliche eine hochstehende Bildung, aber nur wenige von ihnen erkennen ihre eigene kulturelle Identität an - eine Folge der offiziellen Kultur.

Gewinnung von Katzenkralle (Uncaria tomentosa) im Regenwald. Die Shipibo Konibo verwenden die Wirkstoffe der Pflanze gegen Krankheiten aller Art, z. B. gegen Rheumatismus, Infektionen sowie gegen Tumore und allergische Erkrankungen.DAS TERRITORIUM
Das Territorium, worüber wir heute verfügen, ist sehr klein: Wir arbeiten mit der Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung des Peruanischen Urwaldes (AIDESEP) zusammen, um ein größeres Territorium für die ursprünglichen Bevölkerungen zu erhalten. Das Risiko besteht darin, dass wir keine Anerkennung für diese Territorien bekommen, die vom Staat noch nicht anerkannt worden sind. Wir verfügen bis jetzt über einige wenige vom Staat anerkannte Gebiete und Reservate, in denen es oft Führungsprobleme gibt. Es ist daher notwendig, einen Gebietsanspruch als ursprüngliche Bevölkerung zu fordern und nicht nur als Gemeinschaften. Dafür müsste aber eine unabhängige Regierung der ursprünglichen Bevölkerungen gründet werden. Das heißt nicht, dass wir uns von der offiziellen peruanischen Regierung trennen würden, sondern wir sicherten lediglich unsere Existenz als Volk mit einer eigenen Kultur. So könnte man die gemeinschaftliche Kenntnis über die Biovielfältigkeit und ihre Nutzung garantieren und jene Elemente unserer Kultur bewahren (Schamanismus, Heilpflanzen usw.), die für uns und die kommenden Generationen unverzichtbar sind.

Der Schutz der traditionellen Kultur hat den Schutz der Vielfältigkeit der natürlichen Ressourcen und ihre nachhaltige Nutzung zum Ziel. Die daraus erwirtschafteten Verdienste müssen gerecht verteilt werden. Diese Ziele möchten wir als junge Vertreter der Gemeinschaften der Ureinwohner erreichen. Möglich ist das aber nur, wenn uns Freunde und Institutionen, die sich mit unserer Sache identifizieren, dabei helfen.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/19-7-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/seattle.html | www.gfbv.it/3dossier/diritto/ilo169-conv-dt.html
* www: elies.rediris.es/elies13/valenzuela.htm | www.redindigena.net/organinteg/coppip.html | webserver.rcp.net.pe/ashaninka/

Letzte Aktual.: 1.3.2003 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/konibo-de.html | XHTML 1.0 | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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