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Menschenrechte in der Türkei

Kein Ende der ethnischen und religiösen Verfolgungen

Tilman Zülch, Sarah Reinke und Haydar Karaboya

Bozen, Göttingen, 25 Februar 2004

Inhaltsverzeichnis
1. Die Minderheiten: Kurden und Christen | 2. Erlassene Reformen | 3. Reformen nur auf dem Papier
a) Die Kurden - Verfolgungsbilanz 2003 | b) Die Kurden - ungebrochene Unterdrückung von Sprache und Kultur | c) Die Kurden - keine Amnestie für politische gefangene | d) Keine Rückkehr in die zerstörten Dörfer | e) Christendiskriminierung nicht beendet

1. Die Minderheiten: Kurden und Christen .:: oben ::.

Der Nationalitätenstaat Türkei strebt in die Europäische Union. Sie würde ca. 70 Millionen neue Bürger in die Gemeinschaft einbringen. Unter ihnen sind nach Schätzungen der Gesellschaft für bedrohte Völker allein 15-20 Millionen Kurden, d.h. jeder vierte türkischer Bürger spricht Kurdisch oder ist kurdischer Abstammung. Ohne eine grundsätzliche Lösung dieses dann größten und schwierigsten Nationalitätenproblems der EU würde Europa mit möglicher Fortsetzung des türkisch-kurdischen Bürgerkrieges konfrontiert, mindestens aber mit ständigen Unruhen, die sich auch in anderen Ländern Europas mit Einwanderergruppen aus der Türkei niederschlagen würde.

Aus Sicht zahlreicher europäischer Institutionen und Regierungen ist ferner die bis vor kurzem noch alarmierende Situation der christlichen Minderheiten relevant, obwohl diese "dank" der jungtürkischen Bewegung (1914/15), der Herrschaft Atatürks (vor allem in den 20'er Jahren) sowie während der Zypern-Krisen durch ethnische Säuberung und genozidale Aktionen von 25% auf etwa zwischen 0,1 und 0,15 % der türkischen Bevölkerung reduziert wurde. Die EKD (Evangelische Kirche Deutschlands) geht von "etwa 150.000 Christen armenischer, syrischorthodoxer und griechisch-orthodoxer Herkunft" aus, während das Katholische Missionswerk Missio jedoch die Zahl der Christen mit nur ca. 100.000 Christen angibt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker geht davon aus, daß die Zahl etwa in der Mitte liegen könnte.

arabisch-orth. Christen 10.000 95% Provinzen Hatay und Mersin
armenisch-kath. Christen 2.000 95% Istanbul
armenisch-orth. Christen 60.000 95% Istanbul
chaldäische Christen 300 95% Istanbul
griech-orth. Christen 2.-3.000 95% Istanbul
röm-kath. Christen 15.000 -
syrisch-kath. Christen 1.250 95% Istanbul
syrisch-orth. Christen 10.000 Istanbul/Tur Abdin
Andere 10.-15.000 -

Die Gesellschaft für bedrohte Völker erinnert daran, daß der kurdisch-türkische Krieg (1984- 1999) 40.000 Opfer gefordert hat, unter ihnen fast 90 Prozent Angehörige der kurdischsprachigen Volksgruppe. Über 3.428 Dörfer wurden während der Kämpfe zerstört, fast zweieinhalb Millionen Menschen flüchteten oder wurden von der türkischen Armee vertrieben. Sie leben im Elened am Rande der Großstädte. 6.5000 Kurden sind bis heute politische Gefangene, die wegen "separatistischer Tätigkeiten" inhaftiert sind. Unter ihnen sind Menschen, die an Demonstrationen teilgenommen haben, Flugblätter und anderes Propagandamaterial verteilten, bei Razzien festgenommen und willkürlich beschuldigt wurden, oder Gewalt gegen Sicherheitskräfte anwandten.

2. Erlassene Reformen .:: oben ::.

Die Türkei war und ist noch kein demokratischer Rechtsstaat im westlichen Sinne. Aber sie hat erste Reformen erlassen und ist so EU-Richtlinien gefolgt. Bisher war der Nationale Sicherheitsrat die höchste politische Instanz. Er hat Regierungen abgesetzt, Ausnahmezustandesgesetze erlassen und den Justizapparat instrumentalisiert. Die Zuständigkeit des Nationalen Sicherheitsrates wurde beschnitten, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte der Weg geebnet, das Verbot von Parteien gesetzlich erschwert, harte Maßnahmen gegen Folterer angedroht, die Todesstrafe zu Friedenszeiten abgeschafft.

Die Situation der Minderheiten wurde wenigstens formal durch Erlasse erleichtert, der Straftatbestand "Propaganda zur Zerstörung der territorialen Einheit des Staates" wurde aufgehoben. Es wurden gesetzliche Grundlagen für den Gebrauch der kurdischen Sprache in Privatsendern, den Kurdischunterricht und den Gebrauch nicht-türkischer Vornamen geschaffen, eine Amnestie für PKK-Angehörige verkündet und die Rückkehr der vertriebenen kurdischen Bauern zugesagt. Schließlich wurden Bestimmungen, die vor allem religiösen nicht muslimischen Minderheiten, d.h. vor allem christlichen Minderheiten den Erwerb von Immobilien erschwerten, aufgehoben. Die Situation der Kurden wie der christlichen Volksgruppen in der Türkei bietet sich deshalb als Prüfstein für die Umsetzung der Reformen an. In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich bestürzend, dass der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) für das Jahr 2003 eine niederdrückende Bilanz von Menschenrechtsverletzungen vorliegt.

3. Reformen nur auf dem Papier .:: oben ::.

a) Die Kurden-Verfolgungsbilanz 2003 .:: oben ::.

Obwohl die militärischen Auseinandersetzungen im kurdischsprachigen Südost-Anatolien weitgehend eingeschlafen sind, müssen wir für das vergangene Jahr eine erschreckende Anzahl von Menschenrechtsverletzungen vor allem an Angehörigen des kurdischen Bevölkerungsviertels zur Kenntnis nehmen. Die folgenden Zahlen gehen unter anderem auf den türkischen Menschenrechtsverein (IHD/ Insan Haklari Dernegi), Sektion Diyarbakir zurück. Sie werden im Wesentlichen von anderen Institutionen, Gruppen bestätigt:

Tote bei militärischen Gefechten: 105 Tote
Extralegale Hinrichtungen: 84 Tote
Vorwurf der Folter: 502 Fälle
Folter in Gefängnissen: 26 Fälle
Verschwindenlassen: 7 Fälle
Widerrechtliche Verhaftungen: 574 Fälle
Verletzungen des Eigentumsrechts: 3.096 Fälle
Schließung von Radiostationen: 1 Fall
Schließung von zivilgesellschaftlichen Einrichtungen: 2 Fälle
Verbote von kulturellen Aktivitäten: 36 Fälle
Konfiszierte Publikationen: 42 Fälle

Der Justizminister Cemil Cicek hat auf eine Anfrage des CHP Abgeordneten für Ankara, Yakup Kepenek, zugegeben, daß die Türkei in den 392 Verfahren, die bislang mit dem Vorwurf der Folter vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gebracht wurden, eine Summe von Entschädigungen in Höhe von 4,3 Millionen Euro an die Opfer zahlen mußte. Weiter 149 Klagen sind zurzeit vor dem Gerichtshof noch anhängig. Die Menschenrechtsorganisation TIHV meldet, daß bis Ende November 2003 866 Personen um Hilfe wegen erlittener Folter gebeten hatten. Unter diesen Opfern waren 32 Kinder.

b) Die Kurden - ungebrochene Unterdrückung von Sprache und Kultur .:: oben ::.

Schon die konkreten Bestimmungen der Umsetzung dieser Gesetze demonstriert ihre Halbherzigkeit. Der sogenannte Hohe Rat für Radio- und Fernsehstationen (RTÜK) hat eine neue Fassung der Verordnung "Sendungen in Sprachen und Dialekten, die türkische Bürger im alltäglichen Leben benutzen" verfasst. Nach der neuen Verordnung dürfen nur landesweite Sender in anderen Sprachen als Türkisch Sendungen ausstrahlen. Die Radioprogramme dürfen am Tag nicht länger als 45 Minuten und in der Woche nicht länger als vier Stunden dauern. Für Fernsehsender wurden die Programme auf täglich 30 Minuten und wöchentlich drei Stunden begrenzt. Es dürfen zudem keine Programme zur Sprachvermittlung gesendet werden. Seit der Verabschiedung der Reformen ist ein halbes Jahr vergangen und es gibt noch keine Radio- oder Fernsehprogramme in anderen Sprachen oder Dialekten, keine Angebote von Sprachkursen. Im Gegenteil kommt es nach wie vor zu Schikanen beim Gebrauch des Kurdischen.

Die folgenden Fälle sollen das verdeutlichen:

Am "Tag der Menschenrechte", dem 10. 12. 2003 organisierte die Menschenrechtsorganisation IHD eine Veranstaltung, auf der Flyer mit der Aufschrift "Der Frieden wird siegen, jeder ist anders, jeder ist gleich(berechtigt)" in Türkisch und Kurdisch verteilt wurden. In Siirt wurde in drei Sprachen eine Presseerklärung veröffentlicht, in Mersin wurde der Flyer in 11 Sprachen verteilt. Daraufhin beschloß das Strafgericht von Van die Flyer zu konfiszieren, so auch das Strafgericht in Hakkari. Am nächsten Tag wurden auch in Adiyaman, aufgrund des Beschlusses in Van, die Flyer konfisziert, danach auch in Mardin und in Bursa. In Ankara sollte der IHD Generalsekretär Hüsnü Öndül vor einer Grundschulklasse eine Konferenz über die Reformen zu halten. Die Sicherheitsbehörden zwangen den Schuldirektor die Veranstaltung abzusagen.

Der IHD gibt bekannt, nach übereinstimmenden berichten aus Türkisch-Kurdistan wurde bis Ende Dezember noch kein einziger Kurdisch-Kurs eingerichtet. Als Grund hierfür wurde angegeben, dem Erziehungsministerium sei es nicht gelungen, auch nur ein kurdisches Curriculum übersetzen zu lassen. Einer Sprachschule in Südanatolien verweigerten die Behörden jedoch auch die Genehmigung für einen Kurdischkurs mit der Begründung, die Klassentüren seien fünf Zentimeter schmaler waren als vorgeschrieben (Frankfurter Rundschau, 19.11.2003).

Im Rahmen des Reformpaketes sechs wurde das Recht eingeräumt, auch Kurdische Namen zu gebrauchen. Mitglieder der Partei DEHAP und Angehörige von Nichtregierungsorganisationen sind immer wieder an die Gerichte herangetreten, mit der Intention, ihre türkischen Namen durch kurdische zu ersetzen und die Buchstaben -w, -q, -x, die im Türkischen nicht existieren anzuwenden. In den meisten Fällen erklärten die Gerichte, sie seien nicht zuständig für Namensänderungen. Unter dem Titel "Kurden: Freiheit mit beschränkter Nutzung", erschien in der österreichischen Zeitung Die Presse am 31.12.2003 ein Bericht über die Umsetzung der Sprachenrecht der Kurden in der Türkei. Darin heißt es, "die Angehörigen der Minderheit sollen von den ihnen gewährten Freiheiten möglichst keinen Gebrauch machen. Andernfalls setzen sie sich dem Verdacht des Separatismus aus." So hat der türkische Major der Gendarmen von Diyabarkir, Hizir Keskin, Auskunft über Personen verlangt, die ihre türkischen Namen in Kurdische ändern oder Sprachkurse für Kurdisch abhalten wollen. Die Folge dieses Vorgehens könnte sein, dass die Gefahr, als Terrorist verdächtigt zu werden, nicht wenige davon abschreckt, ihre Rechte wahrzunehmen. Der Major, fasst die Tageszeitung zusammen, sei kein Einzelfall: "Land auf, Land ab tun sich die türkischen Staatsorgane schwer damit, das kleine Quantum an Freiheit, das den Minderheitensprachen gewährt wurde, auch wirklich zuzulassen.

Die Zeitung Hürriyet vom 13.01.2004 meldet, der Vorsitzende der HAK-PAR, Abdulmelik Firat, sei zu sechs Monaten Haftstrafe verurteilt worden, weil er bei einer Pressekonferenz Kurdisch gesprochen habe. Die Haftstrafe wurde dann in eine Geldstrafe umgewandelt. Bereits einmal war sein Stellvertreter, Ibrahim Güclü, aus diesem Grunde verurteilt worden. Eine positive Nachricht vermeldet der Menschenrechtsverein TIHD Ende Januar 2004: Am 19. Januar wurde vom Bildungsministerium das Programm für den kurdischen Sprachunterricht vervollständigt. Ein Kurs soll zehn Wochen dauern und 18 Stunden die Woche umfassen. Im Unterricht sollen keine dem Grundgesetz zuwider laufenden, oder separatistische Inhalte vermittelt werden.

Die Studenten, die im Januar 2002 in Malatya eine Anfrage bezüglich kurdischen Sprachunterrichts an der Universität gestellt hatten, von denen 20 die Universität daraufhin wieder verlassen mussten und 14 eine einjährige Pause einlegen mussten, wurden rehabilitiert. Der damalige Beschluss wurde aufgrund der Gesetzesänderungen aufgehoben.

c) Die Kurden - keine Amnestie für politische gefangene .:: oben ::.

Bei den 6.500 kurdischen-politischen Gefangenen in der Türkei, unter ihnen die kurdischtürkische Parlamentarierin Leyla Zana und drei Kollegen handelt es sich im Wesentlichen um Verurteilte oder Untersuchungshäftlinge, die wegen Delikten wie öffentliche Meinungsäußerung, Verteilen von kritischen Flugblättern, Teilnahme an Demonstrationen, Veröffentlichung von kritischen Artikeln in Zeitungen oder auch nur dem Gebrauch der kurdischen Sprache inhaftiert wurden. All diese Delikte sind in keinem anderen Staat Europas strafbar und Rechte wie freie Meinungsäußerung oder Versammlungsfreiheit sind durch die Verfassung geschützt und werden nicht wie in der Türkei als terroristische Aktivitäten verfolgt. Provokativ hat am Freitag, drei Tage vor der Ankunft des Bundeskanzlers in der Türkei das zuständige Gericht in Ankara bei einer Revisionsverhandlung die Freilassung der vier kurdischen Parlamentarier abgelehnt.

Die wegen des sogenannten "Terrorparagraphen" inhaftierten 6.500 kurdischen-politischen Gefangenen wurden entgegen internationalen Erwartungen nicht in die im August 2003 von der türkischen Regierung erlassene Teil-Amnestie einbezogen. Diese hatte die Freilassung von mehreren tausend politischen Gefangenen vorgesehen. Viele der Betroffenen sitzen seit vielen Jahren in türkischen Gefängnissen und hoffen nun auf ihre baldige Freilassung. Die PKK fordert auch eine Amnestie für die Spitzenkader der Organisation, was von der türkischen Regierung aber abgelehnt wird.

d) Keine Rückkehr in die zerstörten Dörfer .:: oben ::.

2, 5 Millionen der etwa 15 Millionen Kurden in der Türkei wurden im Zuge des Krieges zwischen der Türkei und der Radikalen Kurdischen Arbeiterpartei PKK systematisch aus ihren Dörfern vertrieben. Insbesondere "wegen der geographischen Lage der Region", gemeint ist der mehrheitlich von Kurden bewohnte Osten und Südosten der Türkei, "sowie der landschaftlichen Unebenheiten und der verstreut liegenden Siedlungen" habe der Staat die Sicherheit der Bewohner dieser Siedlungen nicht ausreichend gewährleisten können, lautet die offizielle Begründung für die Vertreibungen. Daher hätten die Sicherheitsbehörden vor Ort die Bewohner dazu bewegt, diese Siedlungen aufzugeben. Die Zahl der Vertriebenen beläuft sich nach Angaben der 1998 einberufenen parlamentarischen Untersuchungskommission unter Vorsitz des ehemaligen Abgeordneten von Diyarbarkir Hasim Hasemi ungefähr auf 2,5 Millionen Menschen aus 3.428 Dörfern.

Renommierte Menschenrechtsorganisationen, wie der IHD (Menschenrechtsverein der Türkei), Göc-Der (Vereinigung für Rückkehr der Flüchtlinge), TIHV (Türkische Menschenrechtsstiftung) schätzen diese Zahlen allerdings weit höher ein. Die kurdischen Opfer wurden ihrer Lebensgrundlage und ihre soziale Umwelt beraubt. Sie fristen am Rande der Großstädte in bitterster Armut unter zumeist menschenunwürdigen und erbärmlichen Verhältnissen ihr Dasein. Sie warten ohne jegliche Perspektive noch immer darauf, in ihre Siedlungsgebiete zurückkehren zu können. Trotz der von Seiten des Staates vollmundig als "umfassendes Aufbauprogramm des Ostens und Südostens" angekündigten Projektes, sind in Sachen der vertriebenen Flüchtlinge, des Wiederaufbaus ihrer zerstörten Siedlungsgebiete und schließlich ihrer Rückkehr, bislang keinerlei konkrete Fortschritte erzielt worden.

Eigeninitiativen weniger Menschen, mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen in ihre nach der Zerstörung von offiziellen Seiten zu "verbotenen Zonen" erklärten Dörfer zurück zu kehren, stehen oftmals konträr zum staatlichen Interesse am Wiederaufbau. Als Probleme kommen die mangelnder Bereitschaft der Behörden zur Zusammenarbeit, bürokratischen Schikanen sowie Übergriffe der so genannten einst vom Staat aufgebauten, mit Waffen versehenen "Dorfschützer" erschwerend hinzu. Angesichts der hoffnungslosen Lage der Flüchtlinge, sind in erster Linie die gesellschaftlichen Kräfte in der Türkei, die EU und die deutsche Bundesregierung wegen ihrer Mitverantwortung aufgerufen, sich endlich und ernsthaft des Schicksals der 2,5 Millionen kurdischen Binnenflüchtlinge anzunehmen. Konkrete Wiederaufbauprojekte sind notwendig, um die Stagnation in der Kurdenregion zu durchbrechen und auf diese Weise den Wiederaufbau sowie die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat nach und nach zu ermöglichen.

Die Einwohner der zerstörten Dörfer wurden ins Ungewisse vertrieben und siedelten sich in neu entstehenden Elendsquartieren der Großstädte der Türkei, vor allem in deren kurdischen Sprachgebiet ein. Die 2,5 Millionen Flüchtlinge sind weitgehend verelendet, leben ohne sanitäre Einrichtungen, ohne sauberes Trinkwasser und ohne medizinische Versorgung. Etwa Dreiviertel dieser Flüchtlinge sind arbeitslos. Gut die Hälfte der Kinder besucht entweder keine Schule oder hat nach kurzer Zeit die Schulausbildung beenden müssen. Die Familien leben überwiegend in Zelten, Baracken und anderen Notunterkünften. Die Flüchtlinge im Westen der Türkei erleiden oftmals verschiedene Formen der offenen Diskriminierung und werden Opfer polizeilicher Razzien.

Bettelnde Flüchtlingskinder in bestimmten Vierteln der Großstädte wie Istanbul gehören inzwischen zum gewohnten Alltag. Weit verbreitet ist die Kinderarbeit bis hinunter zu Vier- und Fünfjährigen. Obwohl keine genauen Statistiken vorliegen, berichten Ärzte über eine unter den Flüchtlingen stark angestiegene Kindersterblichkeit. Die Selbstmordrate vor allem der Frauen liegt in den Elendsquartieren des türkischen Kurdistan zehnmal so hoch wie in der Westtürkei. Krankheiten wie Anämie und Rachitis grassieren. Notwendige Impfungen von Kindern werden kaum durchgeführt. Neunzig Prozent der Flüchtlinge möchte nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Göc- Der wieder in ihre Dörfer zurückkehren.

e) Christendiskriminierung nicht beendet .:: oben ::.

Beobachter der Situation der assyro-aramäischen Christen vor allem in Tur Abdin berichten von vielen Erleichterungen ihrer Situation. Flüchtlingen und Vertriebene sogar aus Westeuropa konnten in einige Dörfer zurückgehen. Der Unterricht in aramäischer Sprache wird nicht mehr behindert. Allerdings beklagt man, daß dieser Unterricht ebenso wenig offiziell anerkannt ist, wie die Volksgruppe insgesamt. Die Behörden machen Rücksiedlern Versprechungen, verzögern aber vielfach Baugenehmigungen, die Rückgabe von Grundstücken sowie den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur.

Außerordentlich bedenklich erscheint der Gesellschaft für bedrohte Völker eine neue rassistische Kampagne des türkischen Erziehungsministeriums unter Führung des Ministers Dr. Hüseyin Celik. Die neuen Dekrete des Ministeriums werden von der türkischen Lehrerunion ebenfalls als rassistisch und chauvinistisch bezeichnet. Danach werden in Neuauflagen türkischer Schulbüchern die Volksgruppen der Armenier, der Pontosgriechen und der Syrisch- Orthodoxen Christen (Assyrer-Aramäer) als Spione, Verräter und Barbaren bezeichnet, während man Synagogen, Kirchen und Minderheitenschulen als schädliche Einrichtungen darstellt. Ebenfalls provozierend ist die Kampagne eines Essay Wettbewerbs der in allen Schulen der Türkei auch, ebenfalls erzwungen in den Schulen der griechischen und armenischen Minderheiten durchgesetzt wurde. Das Thema "der Aufstand und die Aktivitäten der Armenier im Ersten Weltkrieg". Der Wettbewerb endete am 1. September 2003 unter anderem mit der Auszeichnung des Türkeiweit besten Aufsatzes.

Aus pogrom-bedrohte Völker 226 (4/2004)


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040223de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020823de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020611de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/01-3/011116de.html | www.gfbv.it/3dossier/armeni/010720armeni.html | www.gfbv.it/3dossier/kurdi/orianikur.html

* www: www.yezidi.net | www.unhcr.ch | www.un.org | www.iccnow.org | www.kurden.de | www.komkar.org | www.ihd.org.tr/eindex.html

Letzte aktual.: 28.12.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurtur-de.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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