Bozen, Göttingen, 23. Februar 2004
Angesichts der anhaltenden Politik der Verfolgung der 15 - 20
Millionen Kurden und der fortdauernden Unterdrückung ihrer
Sprache und Kultur sowie der ungebrochenen Diskriminierung
christlicher Minderheiten appelliert die Gesellschaft für
bedrohte Völker an den Bundeskanzler, die Aufnahme der
Türkei in die Europäische Union derzeit nicht zu
unterstützen. Der Generalsekretär der Gesellschaft
für bedrohte Völker erklärte am Sonntag in
Göttingen: "Die nach 15 Jahren türkisch-kurdischem
Bürgerkrieg (1984 bis 1999) verkündeten Reformen
für die größte nationale Minderheit eines
europäischen Landes existieren nur auf dem Papier. Die
Zulassung der kurdischen Sprache in Medien und im
Schulunterricht, die Amnestie für die 6500 politischen
Gefangenen, die Rückkehr der 2,5 Millionen aus ihren
Dörfern vertriebenen Bauern wurden nicht einmal im Ansatz
verwirklicht. Eine chauvinistische Kampagne des türkischen
Erziehungsministeriums gegen christliche Minderheiten
widerspricht der offiziell verlautbarten Toleranz gegen
religiöse Minderheiten."
Die Gesellschaft für bedrohte Völker verurteilt im
Einzelnen, dass
- 2003 die Menschenrechtsverletzungen in Ostanatolien mit
unverminderter Härte von türkischen
Sicherheitskräften fortgesetzt wurden (105 Tote bei
bewaffneten Auseinandersetzungen, 84 Opfer extralegaler
Hinrichtungen, 502 Fälle von Folter etc.);
- die versprochenen Radio- und Fernsehprogramme in kurdischer
Sprache ebenso wenig umgesetzt wurden wie die zugesagten Angebote
von Sprachkursen, geschweige denn die Aufnahme des Kurdischen in
den Schulunterricht;
- nach wie vor 6500 kurdische politische Gefangene wegen
wirklichen oder angeblichen Engagements für "separatistische
Ziele" bis heute inhaftiert und nicht in die Amnestie einbezogen
sind, unter ihnen die kurdische Sacharow-Preisträgerin Leyla
Zana mit drei ihrer Parlamentskollegen, deren Freilassung nach
10jähriger Haft auch am Freitag, drei Tage vor dem Besuch
des Bundeskanzlers erneut von einem türkischen
Staatssicherheitsgerichtshof abgelehnt wurde;
- die Türkei nicht einmal in Ansätzen die Rückkehr
von 2,5 Millionen völlig verarmten, medizinisch und
schulisch kaum betreuten, von türkischen
Sicherheitskräften vertriebenen Bauern in ihre 3.428
zerstörten Dörfer realisiert hat;
- das türkische Erziehungsministerium bei Neuauflagen
türkischer Schulbücher im Jahre 2003 christliche
Minderheiten wie Armenier, Assyrer/Aramäer oder
Pontos-Griechen als Spione, Verräter und Barbaren diffamiert
und den Aramäischunterricht und den Minderheitenstatus der
Aramäer nicht offiziell anerkennt.
Siehe letztes Dossier der GfbV "Türkei: Kein Ende der Kurdenverfolgung"