Anlässlich des
Jahrestages der kollektiven Deportation des
tschetschenischen Volkes (23. Februar 1944) hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am
Freitag vor einer schleichenden "Stalinisierung" des
heutigen Russland gewarnt. "Wir beobachten mit wachsender
Unruhe, dass ehemalige Mitarbeiter des russischen
Geheimdienstes und Angehörige des Militär in die
zivile Administration eingeschleust werden, die im
gegenwärtigen Tschetschenienkrieg Verbrechen zu
verantworten haben", sagte der GfbV- Generalsekretär
Tilman Zülch. Er fügte mit Blick auf die
freundschaftlichen Beziehungen von Bundeskanzler Gerhard
Schröder zu dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin hinzu: "Wer mit einer Regierung kollaboriert, die so
offensichtlich mutmaßliche Kriegsverbrecher
protegiert, hat aus der Vergangenheit nichts
gelernt."
Es sei eine Verhöhnung der tschetschenischen Opfer,
wenn Schröder sogar die "heuchlerischen Schritte" der
russischen Führung für eine politische
Lösung des Konfliktes in Tschetschenien lobe,
kritisierte der Menschenrechtler. Dort werde unter
Ausschluss der Öffentlichkeit noch immer gemordet,
gefoltert und vergewaltigt. Das für den 23. März
geplante Verfassungsmemorandum, das der tschetschenischen
Bevölkerung in dieser unerträglichen Situation
aufgezwungen werde, könne keinen Frieden
bringen.
Am 23. Februar 1944 hatte auf Befehl des Sowjetdiktators
Josef Stalin die kollektive Deportation des
tschetschenischen Volkes begonnen. Mehrere Zehntausend
Tschetschenen - verschiedenen Schätzungen zufolge rund
ein Fünftel dieses kleinen Volkes - starben
während des Transports nach Zentralasien oder im Exil
an Hunger, Kälte und Krankheiten. Erst nach zehn
Jahren durften die Überlebenden zurückkehren.
Heute begeht die russische Armee in Tschetschenien noch
immer schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seit
dem Beginn des Krieges 1994 sind von den etwa eine Million
Tschetschenen mindestens 160.000 umgekommen.