Bozen, Göttingen, 16. Mai 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Freitag den Vereinten Nationen vorgeworfen, beim Schutz der
Zivilbevölkerung im Osten des Kongo zu versagen. "Die
Vereinten Nationen haben aus dem Desaster in Srebrenica und dem
Völkermord in Ruanda nichts gelernt", warnte der
GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Sehenden Auges gehen sie im
Osten des Kongo in eine neue Katastrophe." Der Weltsicherheitsrat
habe der UN- Beobachtertruppe (MONUC) im Kongo ein deutliches
Mandat erteilt, "Zivilisten zu schützen, die unmittelbar von
physischer Gewalt bedroht sind". Die 625 uruguayischen Soldaten,
die für ihren schwierigen Einsatz in der Stadt Bunia im
Osten des Kongo unzureichend vorbereitet wurden, seien jedoch
vollkommen überfordert, wenn sie nun mehreren zehntausend
Zivilisten Schutz bieten sollten.
In den vergangenen Tagen hatten 5.000 Zivilisten im
MONUC-Stützpunkt in Bunia und weitere 6.000 Personen bei dem
von UN-Truppen gesicherten Flugplatz der Stadt Zuflucht vor
völkermordartigen Übergriffen von Milizen auf
Angehörige der Bevölkerungsgruppen der Hema und Lendu
gesucht. Mehr als 30.000 Menschen sollen in einem großen
Flüchtlingstreck in den letzten Stunden vor den Kämpfen
aus Bunia geflohen sein, um im 160 Kilometer südwestlich
gelegenen Beni Schutz zu suchen, berichteten Mitarbeiter von
Hilfsorganisationen, die die Region überflogen.
Schon vor Monaten hätten Menschenrechtsorganisationen an den
Weltsicherheitsrat appelliert, mehr Friedenstruppen im Osten des
Kongo zu stationieren und das Mandat der MONUC zu erweitern, um
einen wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen.
Zwar habe der Weltsicherheitsrat am 4. Dezember 2002 die
zahlenmäßige Vergrößerung des
MONUC-Kontingents und die Finanzierung von insgesamt 8.700
Blauhelmen im Kongo beschlossen, doch bislang seien nur 4.314
Soldaten in dem afrikanischen Staat im Einsatz. Erst im Juli
sollten Blauhelmtruppen aus Bangladesch in Bunia zur
Verstärkung eintreffen.
Bei den Kämpfen in Bunia, die nach dem Abzug der ugandischen
Truppen aus dem Osten des Kongo am 7. Mai ausbrachen, starben
bislang mindestens 160 Menschen, unter ihnen auch zwei
katholische Priester und zahlreiche Kleinkinder. Nach
Plünderungen durch Milizen fehle es in der Stadt an
Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Vereinten Nationen
warnten vor einer humanitären Katastrophe. Seit Ausbruch des
Krieges im Kongo im Jahr 1998 fielen mindestens 3,3 Millionen
Menschen Krieg, Krankheiten und Hunger zum Opfer. Der Krieg im
Kongo ist der mörderischste bewaffnete Konflikt seit dem
Zweiten Weltkrieg. Trotz einer am 16. Dezember 2002 in Lusaka
unterzeichneten Friedensvereinbarung halten die Kämpfe
zwischen Milizen im Osten des Kongo unvermindert an.