Bozen, 20. Juni 2003
An den italienischen Küsten stranden täglich
Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten, vor ethnischen
Säuberungen, vor Krieg, aber auch vor Armut. Der
italienische "Reform"-Minister Umberto Bossi plädierte
dafür, gegen diese Flüchtlinge Armee und Polizei
einzusetzen. Flüchtlinge stranden aber auch in
Südtirol. Die meisten davon versuchen zu Verwandten nach
Deutschland zu gelangen. Einige bleiben im Land. Im
Ausländer-Dokument der SVP werden diese Flüchtlinge
wegen ihrer Illegalität als Problem bezeichnet. Hier ist ein
Umdenken unbedingt notwendig.
Der vor Jahren angekündigte und beschlossene
Flüchtlingsplan von Landesrat Otto Saurer ist noch immer
nicht vollständig umgesetzt. Zwar ist die finanzielle
Unterstützung von Flüchtlingen durch das Land laut
Caritas vorbildlich, auch die Zusammenarbeit zwischen Caritas und
Land kommt den Flüchtlingen zugute. Ausständig sind
aber Unterkünfte für Flüchtlinge an den ehemaligen
Grenzübergängen, für die sich der Dreier-Landtag
ausgesprochen hat.
Wo bleibt die oft versprochene Solidarität mit den
Flüchtlingen, mit Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben
werden? Das reiche Südtirol duldet es, dass im Bahnhofspark
in Bozen wieder Kurden im Freien übernachten mussten. In den
Sommermonaten wird die Zahl der Transit-Flüchtlinge wieder
anwachsen. Es kann nicht sein, dass diese Menschen sich selbst
überlassen werden. Sie brauchen die Hilfe des Landes und
seines Flüchtlingsplanes samt eines
Flüchtlingsbeauftragten.
Hilflose Flüchtlinge finden anders als hilflose Hundewelpen
keine hilfsbereiten Politiker mit lockerer Brieftasche, sondern
Politiker, die sich ungeniert über Zuwanderer und
Flüchtlinge äußern. Einmal wollte der
SVP-Landtagsabgeordnete Roland Atz islamische Zuwanderer wegen
angeblicher Terrorgefahr aus Südtirol auszusperren; und auch
der Landtagsabgeordnete von Unitalia, Donato Seppi, forderte zur
Ausgrenzung der Moslems auf. Alleanza Nazionale verlangte die
Ausweisung von Afghanen aus den Arbeiterwohnheimen. Die
Freiheitlichen entdeckten ebenfalls die Moslems als eine Gefahr
für die öffentliche Sicherheit; in ihren
Wahlkampfspotts werden Moslems als soziale Schmarotzer abgetan,
die in Südtirol ungerechtfertigt zu sozialen Leistungen
gelangen.
Sie vergessen dabei, dass viele Zuwanderer aus islamischen
Ländern Flüchtlinge sind. Viele dieser Menschen
flüchteten vor den eigenen diktatorischen Machthabern, vor
islamistischen Regimes. In Südtirol fanden bosnische
Muslime, die vor massakrierenden katholischen Kroaten und
orthodoxen Serben flüchteten, Unterkunft. Im Namen ihrer
christlichen Nation ermordeten 1995 serbische Soldaten in
Srebrenica mehr als 8.000 männliche Kinder, Jugendliche und
Erwachsene. Moslemische Kurden aus der Türkei und dem Irak
sowie moslemische Berber aus Algerien sind unter den islamischen
Zuwanderern zu finden, wie auch afghanische Flüchtlinge.
Mehr als 20 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht.
Einige von ihnen kommen dabei auch nach Südtirol. Sie kommen
und einige bleiben, auch wenn sie hier unwürdig und
unmenschlich empfangen werden. Der Internationale Tag des
Flüchtlings soll zum Anlass genommen werden, den
Flüchtlingsplan endlich umzusetzen.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) dankt den
vielen Bürgern und der Caritas, die sich für
Flüchtlinge engagieren, und auch den zuständigen
Landesämtern, die trotz fehlender Kompetenz
Flüchtlingen helfen.