An den Vorsitzenden des Österreich-Konvents Franz Fiedler
Bozen, 10. November 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker-Südtirol
(GfbV) appelliert an Sie, bei der sogenannten Harmonisierung der
österreichischen Verfassung nicht die Anliegen der sechs
Sprachminderheiten zu vergessen. Österreich ist säumig
bei der Umsetzung der verschiedenen Verpflichtungen des Artikels
7 des Staatsvertrages von 1955. Das bestätigten auch
verschiedene Urteile des Verfassungsgerichts. Tatsächlich
kümmern sich beispielsweise bei den zweisprachigen Ortsnamen
darum weder die Republik noch das betroffene Bundesland
Kärnten.
Die bisher verfassungsmäßig gewährleisteten
Rechte werden den Sprachminderheiten vorenthalten. Damit wird der
tägliche Verfassungsbruch geduldet. Auch über diese
Frage muß im Konvent diskutiert werden. Der
Österreich-Konvent muß in seiner Arbeit deshalb einige
richtungsweisende Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes
berücksichtigen. Handlungsbedarf ist auch deshalb gegeben,
weil das derzeitige österreichische Minderheitenrecht aus
der Monarchie und aus dem Völkerrecht herrührt.
Für die Südtiroler Sektion der GfbV ist es
unverständlich, wenn die Volksgruppensprecherin der
ÖVP, Silvia Fuhrmann, die Anliegen der Sprachminderheiten in
der angelaufenen Verfassungsreform als "klitzekleine Kleinigkeit"
abqualifiziert. Sind die Angehörigen der Minderheiten,
Bürger zweiter Klasse?
Die GfbV-Südtirol unterstützt deshalb die Forderungen
des Volksgruppenzentrums, den Minderheitenschutz gesetzlich neu
zu ordnen und eine Reihe von Schutzmaßnahmen gesetzlich zu
verankern. Mit einem neuen Minderheitenschutzgesetz soll den
Sprachminderheiten die Chance auf eine Zukunft und Perspektive
gegeben werden. Mit dem Verfassungsgesetz soll endlich die
mediale Versorgung in den Minderheitensprachen, muttersprachliche
Kindergärten und die gezielte Förderung "faktisch
benachteiligter Gruppen" garantieren. Das notwendig gewordene
Verfassungsgesetz soll den Sprachen der Minderheiten einen
gesicherten Platz im öffentlichen Leben
eingeräumen.