Bozen, Göttingen, 7. Januar 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) hat die Bundesregierung am Mittwoch aufgefordert, sich bei
den Herero in Namibia für den vor 100 Jahren von der
damaligen deutschen Schutztruppe begangenen Völkermord in
der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika zu
entschuldigen. Berlin dürfe die in den USA anhängigen
Schadensersatzklagen der Herero, denen Juristen kaum Chancen auf
Erfolg einräumten, nicht länger als billige
Entschuldigung benutzen, um sich einer Aufarbeitung dieses
Verbrechens zu entziehen, heißt es in den Schreiben der
GfbV an Bundeskanzler Gerhard Schröder und
Außenminister Joschka Fischer. Gerade in diesem Jahr, in
dem sich der Völkermord zum 100. Mal jährt, solle die
Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass die besonders
benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie die Herero, Nama und
San (Buschleute) von der Landreform in Namibia mehr
profitieren.
Die GfbV veröffentlichte anlässlich des Gedenkjahres
einen neuen mehr als 30seitigen Menschenrechsreport über den
Völkermord an den Herero und Nama. In der damaligen Kolonie
Deutsch-Südwestafrika hatte der Aufstand der Herero am 12.
Januar 1904 begonnen. Dieser Überlebenskampf der Nomaden,
die sich gegen ihre Entrechtung und den fortschreitenden Verlust
ihres Landes an deutsche Siedler wehrten, wurde zum Auslöser
für den ersten von Deutschen verübten Völkermord.
Rund 65.000 Herero und 10.000 Nama fielen ihm zum Opfer.
Den Tatbestand des Völkermordes
sieht die GfbV als erfüllt an, denn die Deutsche
Schutztruppe folgte damals dem Vernichtungsbefehl ihres
kommandierenden Generalleutnants Lothar von Trotha, trieb die
Herero nach der Niederschlagung des Aufstandes in die wasserlose
Omaheke- Wüste und riegelte sie von der Außenwelt ab.
Tausende von Männern, Frauen und Kinder verdursteten oder
wurden von den Soldaten "von ihren Leiden erlöst". Nachdem
deutsche Siedler gefordert hatten, mit den Herero auch gleich die
Nama auszurotten, erhoben sich auch diese und wurden Opfer einer
Politik der "verbrannten Erde" der Kolonialregierung.
"Im Gegensatz zu den Kirchen, die einen wichtigen Beitrag zur
Aufarbeitung ihrer Verstrickung in die deutsche Kolonialpolitik
und in den Genozid leisten, wird die Bundesregierung ihrer
Verantwortung trotz mehrfacher Appelle auch unserer
Menschenrechtsorganisation nicht gerecht", kritisiert die GfbV
und warnte vor einer möglichen Eskalation von Landkonflikten
in Namibia nach dem Muster von Zimbabwe. Deutschland sei zwar
wichtigstes Geberland Namibias. Doch bei den Herero und Nama, die
heute mit 122.000 und rund 61.000 Menschen zusammen etwa 10,6
Prozent der dortigen Gesamtbevölkerung ausmachen, warteten
Tausende von Landlosen noch immer auf Unterstützung. Deshalb
sei es besonders wichtig, dass Berlin die Landreform besonders
unterstütze.