Bozen, Göttingen, 9. November 2004
Anlässlich des Besuches des äthiopischen
Ministerpräsidenten Meles Zenawi hat die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) auf die systematische
Verfolgung von Bürgerrechtlern der Oromo-Volksgruppe in
Äthiopien hingewiesen. An Bundeskanzler Gerhard
Schröder, Außenminister Joschka Fischer und andere
deutsche Gesprächspartner des Staatsgastes appellierte die
Menschenrechtsorganisation, sich besonders für die
Freilassung von drei inhaftierten Führern einer Kultur- und
Wohltätigkeitsorganisation der Oromo einzusetzen, Meles
Zenawi wird am Mittwoch in Deutschland erwartet.
"Journalisten, Lehrer, Schauspieler und Studenten werden
inhaftiert, weil sie sich für die kulturellen und sozialen
Rechte der Oromo eingesetzt und friedliche Proteste gegen deren
Unterdrückung protestiert haben", kritisierte der
GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen.
Dirribi Demissie, Gamachu Feyera una Sintayehu Workneh von der
Macha Tulema Entwicklungs- und Hilfsorganisation sind am 18. Mai
2004 festgenommen worden. Die Büros ihrer Organisation
wurden geschlossen und ihr Eigentum beschlagnahmt. Zwar seien die
Inhaftierten auf Anordnung des Bundesgerichts Äthiopiens am
6. August gegen Kaution freigelassen worden, doch schon eine
Woche später seien sie unter Verletzung der
äthiopischen Verfassung und des Völkerrechts erneut
verhaftet worden.
Mitarbeiter der Hilfsorganisation Oromo Relief Association (ORA)
würden seit Jahren ohne Gerichtsverfahren festgehalten,
über ihren Verbleib gäbe es keine Auskunft, sagte
Delius. So fehle von dem Entwicklungshelfer Husein Abdi seit
seiner Verhaftung am 5. November 1996 jedes Lebenszeichen. Auch
über das Schicksal des am 20 August 2000 festgenommenen
ORA-Mitarbeiters Amanti Abdisa gebe es seither keine
Informationen. Hunderte Oromo-Studenten seien seit dem Jahr 2000
von den Universitäten Addis Abeba, Mekelle, Jimrna, Debub
und Alemaya zwangsweise exmatrikuliert worden, weil sie gegen die
Diskriminierung der Oromo protestiert hätten. Im Jahr 2004
sei willkürlich mehr als 100 Oromo-Studenten die Teilnahme
an Abschlussprüfungen ihrer Studiengänge verweigert
worden, obwohl sie alle geforderten Zulassungsbedingungen
erfüllt hätten.
Die mehr als 30 Millionen Oromo bilden die größte
Bevölkerungsgruppe in dem Vielvölkerstaat. Da die
Oromo-Freiheitsbewegung Oromo Liberation Front (OLF) für
einen unabhängigen Oromo-Staat kämpft, werden pauschal
alle Oromo, die mehr kulturelle Rechte für ihre
Bevölkerungsgruppe fordern, als "Terroristen" und
OLF-Unterstützer kriminalisiert.