Bozen, Göttingen, 3. März 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der
Regierung Äthiopiens am Mittwoch vorgeworfen, mit der
geplanten Umsiedlung von einer Million Menschen in
unverantwortlicher Weise ethnische Konflikte anzuheizen. "Eine
Katastrophe ist vorprogrammiert", warnte der GfbV-Afrikareferent
Ulrich Delius. Äthiopiens Führung habe aus den
katastrophalen Folgen der Zwangsumsiedlungen vor zwanzig Jahren
nichts gelernt, bei denen Tausende Menschen zu Tode kamen und
ethnische Konflikte in den neuen Siedlungsgebieten eskalierten.
"Es ist menschenverachtend, neue Umsiedlungen zu planen,
während in einem der neuen Siedlungsgebiete, in Gambella im
Südwesten Äthiopiens, seit dem 13. Dezember 2003 mehr
als 600 Anuak-Ureinwohner bei bewaffneten Auseinandersetzungen
mit neuen Siedlern getötet wurden", kritisierte
Delius.
Die äthiopische Regierung plant Massenumsiedlungen innerhalb
der kommenden drei Monate aus Dürregebieten im Norden des
Landes in fruchtbarere Regionen im Süden und Westen
Äthiopiens. Im Jahr 1984 hatte der damalige Diktator
Mengistu Haile Mariam ein ähnlich ehrgeiziges Programm
angekündigt und 660.000 Hungernde in den Südwesten des
Landes umgesiedelt. Das Pogramm endete in einem Desaster.
Aufgrund mangelhafter Planung und unzähliger
Menschenrechtsverletzungen kamen Tausende bei den Transporten zu
Tode. In den neuen Siedlungsgebieten setzten sogleich
Verteilungskämpfe zwischen alten und neuen Siedlern ein.
Außerdem waren die früheren Hochland-Bewohner auf die
Malaria-verseuchten Tieflandregionen mit ihren anderen
Anbaubedingungen nicht vorbereitet, so dass auch die erhoffte
Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ausblieb. Viele
der Neusiedler kehrten nach dem Zusammenbruch der
Mengistu-Diktatur enttäuscht in ihre Heimat im Hochland
zurück.
"Die Fehler von 1984 werden heute wiederholt. Das neue Programm
ist weder ausreichend vorbereitet, noch gibt es einen
angemessenen Interessenausgleich zwischen alten und neuen
Siedlern", kritisierte Delius. In Gambella hielten die
Verteilungskämpfe um die Kontrolle von Land, öl- und
Goldvorkommen bis heute an. Die äthiopische Regierung heize
die Konflikte weiter an, in dem sie unter den Neusiedlern Milizen
bewaffne. Bei Übergriffen dieser Milizen und der
äthiopischen Armee sind 424 Anuak-Ureinwohner zwischen dem
13. und 16. Dezember 2003 ums Leben gekommen. Weitere 196
Menschen waren am 30. Januar einem Massaker zum Opfer
gefallen."