Bozen, Göttingen, 4. Februar 2008
Anlässlich der Feiern zum 60. Jahrestag der
Unabhängigkeit Sri Lankas hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) am Montag vor einem "totalen Krieg"
in dem Inselstaat gewarnt. "Terroranschläge,
willkürliche Verhaftungen aufgrund ethnischer Abstammung,
Entführungen, Zwangsrekrutierungen von Kindern, Bedrohung
von Journalisten, Zensur, Morde an Menschenrechtlern,
Vertreibung, Straflosigkeit und Blockaden von Hilfslieferungen
schüren Misstrauen und Hass zwischen den
Bevölkerungsgruppen", erklärte der GfbV-Asienreferent
Ulrich Delius. Sri Lanka werde in Chaos und Gewalt versinken,
wenn die Regierung weiterhin nur auf eine militärische
Zerschlagung der tamilischen Freiheitsbewegung Liberation Tigers
of Tamil Eelam (LTTE) setze und Verhandlungen ablehne. Schon
jetzt werde im Inselstaat das humanitäre Völkerrecht
systematisch verletzt. Der Schutz der Zivilbevölkerung werde
von allen Konfliktparteien missachtet.
"Mit militärischen Mitteln lässt sich dieser seit 25
Jahren anhaltende Bürgerkrieg nicht lösen", mahnte
Delius, "daran ändern auch die jüngsten Erfolge der
Sicherheitskräfte in der Bekämpfung der LTTE nichts. Je
mehr die Freiheitsbewegung in die Enge getrieben wird, desto mehr
wird sie ihre Schlagkraft mit spektakulären
Terroranschlägen unterstreichen." Dutzende Menschen seien
bei Bombenschlägen seit der Aufhebung der Waffenruhe am 2.
Januar 2008 getötet worden. Diese Terrorakte heizten die
Spannungen zwischen der Mehrheitsbevölkerung der Singhalesen
und der tamilischen sowie muslimischen Minderheit weiter
an.
"Nach dem Ende der Waffenruhe mussten die neutralen
Waffenstillstandsbeobachter aus Norwegen abrücken. Dringend
werden nun Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen
benötigt, um wenigstens die schlimmsten Willkürakte zu
verhindern", forderte Delius. Doch die Behörden Sri Lankas
verweigerten jede Kooperation in dieser Frage. Um die UN als
glaubwürdigen Partner zu diskreditieren, habe die Regierung
zum Jahresbeginn in den staatlich kontrollierten Medien eine
Hetzkampagne gegen die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte
begonnen. Louise Arbour werde Einseitigkeit vorgeworfen, weil sie
alle Konfliktparteien gleichermaßen aufgerufen hatte, das
Völkerrecht zu respektieren.
Unter der Verletzung des Völkerrechts leidet vor allem die
Zivilbevölkerung. Mehr als 300.000 Menschen,
überwiegend Tamilen, sind bereits vertrieben worden und
leben bis heute in Lagern. Die Behörden verstießen
gegen UN- Konventionen, als sie 90.000 Binnenflüchtlinge im
Distrikt Batticaloa im Mai 2007 zwangsweise
zurückführen ließen, obwohl deren Sicherheit und
Versorgung nicht garantiert war. Die Tamilen stellen rund 20
Prozent der 20 Millionen Einwohner Sri Lankas. Sie fordern seit
Jahrzehnten ein Ende der Diskriminierung ihrer Minderheit. Die
LTTE kämpft für die Gründung eines eigenen
Tamilen-Staates.