Bozen, 16. März 2005
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Vorwort [ oben ]
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) schlägt zwei Förderprojekte vor, eines zugunsten der Seenomaden in Thailand "Menschen der Meere" und eines zugunsten der "Foundation of Wanniyala-aetto" auf Sri Lanka.
Mehr als 300.000 Menschen starben bei der Flutkatastrophe in
Südasien. Die wundersame Rettung der Ureinwohner im
Süden Thailands und auf den Andamanen Inseln machte
Schlagzeilen in aller Welt. Fast alle Ureinwohner überlebten
die Katastrophe, weil sie das Meer seit Generationen kennen und
die Warnzeichen der Natur richtig deuteten. So brachten sie sich
rechtzeitig auf Anhöhen in Sicherheit. Auf den Surin-Inseln
in Thailand retteten Ureinwohner sogar von ihren Langbooten aus
viele Touristen vor dem Ertrinken.
Zwar überlebten die meisten Ureinwohner die Flutkatastrophe,
doch ihnen droht heute der Untergang. Denn vielerorts haben die
Flutwellen ihre Boote zerstört, auf denen diese "Menschen
der Meere" traditionell einige Monate des Jahres leben und
fischen. Mit der Zerstörung ihrer Boote verlieren sie nicht
nur ihre Einkommensquelle, sondern auch ihre Identität. Denn
das Meer steht traditionell im Zentrum ihres Lebens. Rund 5.000
"Menschen der Meere" leben entlang der Küsten Burmas,
Thailands, Indonesiens und der Philippinen.
Besonders hart getroffen hat es eine Gruppe von 70 "Menschen der
Meere" auf der Insel Ko Phi Phi nahe dem thailändischen
Urlaubsort Phuket. Diese 27 Familien, die sich als
Großfamilie der "Seeelefanten" bezeichnet, haben alle ihre
Boote und ihre am Strand errichteten Pfahlhäuser in der
Naturkatastrophe verloren. Die Überlebenden sind noch immer
traumatisiert. Jeden Abend ziehen sie sich auf Anhöhen im
Landesinnern zurück, da sie Angst haben, die Küste
könnte erneut von einer Flutwelle heimgesucht werden.
Tatsächlich hat es seit dem Seebeben mehr als 400 Nachbeben
gegeben.
Doch wenn diese Ureinwohner nicht auf das Meer zurückkehren
können, droht ihnen die Zerstörung ihrer Kultur und
Identität. Denn traditionell leben die "Seeelefanten" und
andere Großfamilien der Seenomaden nicht nur vom Fischfang
und dem Tauchen nach Muscheln, sondern das Meer steht auch im
Zentrum ihrer Kultur. Das Meer ist für sie Nahrung, Medizin,
Haus, Freund und Heimat des Gottes ihrer Ahnen. Wenn ein Kind
geboren wird, werfen sie die Nabelschnur ins Wasser und vergraben
die Plazenta am Strand, damit ihre Ahnen das Neugeborene sein
ganzes Leben lang beschützen.
Auf Hilfe von den thailändischen Behörden brauchen die
"Menschen der Meere" nicht zu hoffen. Denn Thailand interessiert
sich nicht für ihr Schicksal, da die Seenomaden als
"rückständig" angesehen werden. Die Flutkatastrophe
zeigte jedoch, dass diese "Menschen der Meere" ein Wissen des
Meeres haben, das einzigartig ist. Ihr Leben mit dem Meer ist so
außergewöhnlich, dass sie Teil des Weltkulturerbes
sind, das unbedingt bewahrt werden sollte.
Die "Menschen der Meere" brauchen unbedingt neue Boote, um zu
überleben. Die Langboote messen rund acht Meter Länge,
haben aus Stroh geflochtene Aufbauten und sind mit
Außenbordmotoren ausgestattet. Bitte unterstützen Sie
den Bau neuer Boote mit Ihrer Spende auf das Humanitäre
Konto der Gesellschaft für bedrohte Völker, Stichwort:
Menschen der Meere, Kontonr. 7400 201, Postbank Hamburg, BLZ 200
100 20. Auch kleine Spenden können bereits helfen. Die
Spenden sind steuerlich absetzbar und werden nur für den Bau
der neuen Boote verwandt.
Von Jenny Bentley
Die "Menschen des Waldes': wie sich die Wanniyala-aetto selbst bezeichnen, kämpfen um ein wenig Anerkennung und Autonomie. Doch in einem land zerrüttet von Bürgerkrieg und interessiert an wirtschaftlichem Fortschritt stehen die Interessen der Indigenen nicht nur hinten an, sondern auch im Weg.
Im Waldgebiet in der Provinz Uva leben die Indigenen, die in
Sri Lanka "Veddah" oder Rückständige genannt werden,
leben in verstreuten Ansammlungen von Lehmhütten. Seit mehr
als zwanzig Jahren versuchen sie sich in der Regierung Sri Lankas
Gehör zu verschaffen und sich gegen ein Gesetz zu wehren,
das ihnen die Lebensgrundlage, den Wald, nimmt.
1983 wurde das Gebiet des damaligen "Veddalands" in das
Mahaweli-Entwicklungsprojekt integriert und zum Maduru
Ova-Nationalpark erklärt. Laut Gesetz darf niemand in einem
Nationalpark jagen oder sammeln. Da die Regierung von Sri Lanka
keine speziellen Minderheitenrechte kennt, wurde die Lebensweise
der Wanniyala-aetto von einem Tag auf den anderen illegal. Die
Wanniyala-aetto wurden verfolgt und als Wilderer verhaftet, in
einzelnen Fällen gar getötet. Viele Familien sind bis
heute noch hoch verschuldet wegen Gerichtsverfahren und
Bußen - Schulden, die sie niemals bezahlen können. Der
Plan der Regierung war es, die Indigenen umzusiedeln und ihnen
bebaubares Land, SchuIen und weitere Infrastruktur zur
Verfügung zu stellen; dies in der Hoffnung, sie zu
"zivilisieren" und der Mehrheitsbevölkerung Sri Lankas
anzupassen.
Tissahamy, der damalige Chief des Uruwarige-Klans der
Wanniyala-aetto, weigerte sich, sein Land zu verlassen. Nach
langem Hin und Her überließ die Regierung ihm das Land
um sein Dorf Kotabakine herum und zog die Grenzen des
Nationalparks daran vorbei. Nach seinem Tod 1998 übernahm
sein Sohn, Wanniya, die schwierige Aufgabe, sein Volk
zusammenzuhalten. Er versucht den Kampf seines Vaters für
Selbstbestimmung weiterzuführen, doch steht er vermehrt
neuen Problemen gegenüber. Durch die strukturelle
Veränderung der Landschaft im Mahaweli-Projekt, aber vor
allem durch illegales Jagen und Abholzen bietet der Wald den
Wanniyala-aetto nicht mehr dieselbe Lebensgrundlage wie
früher. Es ist kaum noch Wild zu finden. Ironischerweise hat
die Regierung den Indigenen nun Identitätskarten
zugestanden, mit welchen sie problemlos jagen können. Doch
lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen.
Die Wanniyala-aetto sehen es als oberste Priorität, ihren
Wald zu schützen, weshalb Wanniya die Anzahl der Jäger
auf lediglich 50 Männer beschränkt hat. Der Chief und
die von den Indigenen gegründete Organisation "Foundation of
Wanniyala-aetto" versuchen mit kreativen Ideen, eine autonome
Existenz zu ermöglichen - in und mit dem Wald. Sie wollen
beispielsweise, dass die jungen Indigenen zu Parkwächtern
ausgebildet werden und ihnen, deren Herz und Leben am Wald
hängen, die Verantwortung für den Schutz
übertragen wird. Ein weiterer Vorschlag ist der Anbau von
medizinischen Kräutern, die zu Heilmittel verarbeitet werden
können. Den Tourismus versuchen sie als Mittel zu verwenden,
um an die Öffentlichkeit zu gelangen. Die Einbindung der
Wanniyala-aetto in die Tourismusindustrie ist umstritten und
zieht auch negative Konsequenzen mit sich, wie der vermehrte
Kontakt mit Alkohol.
Die Wanniyala-aetto haben Hoffnung und wollen für die
Zukunft nur eines: das Recht, über ihr eigenes Leben und
ihre Lebensweise zu entscheiden und so selbst ihre Kultur
für die kommenden Generationen aufrecht zu erhalten.
Jenny Bentley ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz und hat kürzlich Sri Lanka bereist.
Siehe auch: www.global-vision.org/srilanka/request1997.html | www.global-vision.org/srilanka/ | vedda.org/index.htm | vedda.org/wanniyalaeto-un.htm | www.cwis.org/wwwvl/indig-vl.html | www.ipsnews.net/focus/tv_abuja/05122003/page_4.asp