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Bozen, Göttingen, Berlin, Wien, Bern, Sarajevo, Arbil, 20. Februar 2009
Verlassenes Dorf in Kurdistan.
Für viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen ist der
Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EMGR) die letzte
Hoffnung und Anlaufstelle, wenn alle inländischen Gerichte
schon versagt haben. Dies gilt besonders für
unterdrückte Minderheiten wie die Kurden der Türkei
oder die Tschetschenen, die innerhalb der russischen Justiz keine
Chance auf Gerechtigkeit haben. "Die Arbeit des EMGR zur
Türkei und Russland ist auch deshalb wichtig, weil sie
maßgeblich zur Dokumentation und Veröffentlichung der
Menschenrechtsverletzungen beiträgt und den Ländern
Standards unabhängiger Gerichtsverfahren vorführt",
lobt der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch
in Göttingen.
Mit 257 Verurteilungen im Jahr 2008 ist die Türkei
Spitzenreiter in Sachen Menschenrechtsverletzungen in Europa.
Dicht gefolgt von Russland mit insgesamt 233 Verurteilungen,
davon mehr als 60 Urteile zu Verbrechen in Tschetschenien.
Hierbei handelt es sich fast ausnahmslos um Verurteilungen wegen
Mordes, Folter oder des "Verschwindenlassens" von Tschetschenen.
Zusammen mit Rumänien und der Ukraine machen Russland und
die Türkei 57% aller Verfahren gegen die Verletzung von
Menschenrechten aus, die an den EGMR herangetragen werden. Die
verbleibenden 43% verteilen sich auf die übrigen 43
Unterzeichnerstaaten.
"Der EMGR darf nicht gezwungen werden, die unabhängige
Justiz in Ländern wie der Türkei und Russland zu
ersetzen. Diese Länder müssen sich internationalen
Standards beugen und die Konventionen, die sie ratifiziert haben,
endlich umsetzen", fordert die GfbV.
Tschetschenienkrieg. Foto: Musa Sadullajew.
Ein äußerst schockierendes Bild, der z. T. zutiefst
den Menschenrechtskonventionen zuwiderlaufenden Verhältnisse
in der Türkei, zeigt sich am Beispiel des nicht einmal
15-jährigen Kurden, Oktay Güveç, der wegen
angeblicher Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen
Arbeiterpartei (PKK) im September 1995 inhaftiert wurde. Oktay
Güveç wurde beschuldigt für die PKK Gelder
eingetrieben und in diesem Zusammenhang ein Auto in Brand gesetzt
zu haben. Güveç gesteht die Tat, sagt jedoch
später aus, dass er von der Polizei gefoltert und zu einem
Geständnis gezwungen worden sei. Auch die
Augenzeugenberichte wurden im Nachhinein zurückgezogen. Bei
der Anhörung, als auch in den ersten Monaten seines
Prozesses hatte der Fünfzehnjährige keinen Anwalt. Auch
wurde es seiner Familie nicht gestattet Güveç im
Gefängnis zu besuchen. 18 Monate lebte Güveç in
der Angst mit der Todesstrafe bestraft zu werden. Obwohl im Fall
Oktay Güveç der zur Zeit der Anhörung gerade
einmal fünfzehn Jahre alt war, eindeutig das Kinder und
Jugendstrafrecht hätte angewandt werden müssen, wurde
Güveç nach Erwachsenem Strafrecht verurteilt. Zudem
verbrachte er fünf Jahre in einem Gefängnis für
ebenfalls erwachsene Straftäter.
Oben genannte Geschehnisse sind nicht spurlos an Oktay
Güveç vorbeigegangen. Psychisch wird der
Fünfzehnjährige, der zwei Selbstmordversuche hinter
sich hat, noch lange Zeit brauchen das Erlebte zu verarbeiten.
Heute lebt er in Belgien, wo ihm Asyl gewährt wurde. Leider
ist Oktay Güveç kein Einzelfall in der Türkei.
Immer wieder werden die Menschenrechte in der Türkei, auch
die von Kindern missachtet. Immer wieder wird die Türkei vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen
Nichteinhaltung der Menschenrechtskonventionen verurteilt. Im
Fall Oktay Güveç hat der EGMR die Türkei wegen
Folter und der Nichtgewährung vom Recht auf Freiheit und
Sicherheit und dem Recht auf einen Fairen Prozess zu einer
Geldstrafe von ca. 50 000 € verurteilt, die zu einem
Großteil als Kompensationsleistung an Oktay
Güveç geht.
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090219de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090119ade.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2008/081017de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/081007de.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurtur-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/cecenia/cec-rep40-de.html
in www: www.chechnya-mfa.info |
www.memo.ru | http://de.wikipedia.org/wiki/Kurdistan
| www.ihd.org.tr/eindex.html