Von Antonio Mazzucato. Übersetzung von Sara Burchia, Sabrina Bussani
INDEX
GESCHICHTE | GEOGRAFIE | WER SIND DIE PYGMÄEN | WIE
LEBEN DIE PYGMÄEN | WIRTSCHAFT | SOZIALE STRUKTUR UND AKTIVITÄTEN DER
PYGMÄEN-GEMEINSCHAFT | ALLTAG | RELIGION | NOMADENTUM
GESCHICHTE [ oben ]
Die Pygmäen sind wahrscheinlich die älteste Bevölkerung der äquatorialen und tropischen Wälder Afrikas. Von ihrer Existenz zeugen bereits Inschriften ägyptischen Denkmäler des zweiten Jahrtausendes v.Chr., in denen sie wegen ihrer großen Fähigkeiten im Tanz wurden als "Gottestänzer" bezeichnet werden. Die Bantu-Stämme, die um das Jahr 1000 n.Chr. in die tropische äquatoriale Zone siedelten, wurden von den Pygmäen immer gut aufgenommen. Zwischen Pygmäen und Bantu entwickelten sich wirtschaftliche Beziehungen, in denen die Jagdprodukte der Pygmäen gegen landwirtschaftliche Produkte der Bantu getauscht wurden. Im Gegensatz zu den Pygmäen kannten die Bantu die Kunst der Metallverarbeitung und praktizierten die Landwirtschaft. Die Bantu nutzten diese technologische Überlegenheit aus, um die Pygmäen zu unterwerfen und sogar zu versklaven. Nur in den letzten Jahrzehnten werden dank Eingriffe von Missionaren und Anthropologen die Menschenrechte der Pygmäen langsam und noch mit vielen Ausnahmen wieder respektiert.
GEOGRAFIE [ oben ]
1. Die Pygmäen-Völker sind in den Staaten der tropischen äquatorialen Zone verteilt: Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Gabun Volksrepublik Kongo (Brazzaville), Demokratische Republik Kongo (Kinshasa - ehemaliges Zaire), Ost-Uganda und Ost-Ruanda (Region des Ruwenzori Massivs und der Vulkane, die die Grenze zwischen Uganda/Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo bilden). Einige Pygmäen-Völker sind: BAKA (Kamerun), BABINGA (Gabun), BAMBUTI-BASHWA-BAEFE, BAPOO BALESE (Demokratische Republik Kongo), BATWA (Uganda-Ruanda), etc.
2. Es gibt zwei Arten des äquatorialen Walds, in dem die Pygmäen leben: a) PRIMÄRER WALD: Bäume mit hohen Stämmen (30-50 Meter) die wegen ihrer Dichte ein fast undurchdringliches Dach für die Sonnenstrahlen bilden. Die Unterholz-Zone ist weniger dicht. Die durchschnittlichen Temperaturen liegen bei Tag zwischen 25° und 32° C, bei Nacht zwischen 15° und 20° C. Die Feuchtigkeit liegt zwischen 77% und 99%. b). SEKUNDÄRER WALD: es handelt sich um den Wald, der in den einst gerodeten Zonen wieder gewachsen ist, in denen die Menschen vorher wohnten und Landwirtschaft betrieben und dann verliessen. Der sekundäre Wald besteht aus hohem Stämmen und vielen Bäumchen, Gebüschen und Gräsern: das Unterholz ist hier dichter, denn wegen der Abholzung konnten Wind und Vögel Samen vieler anderer Pflanzenarten herbeibringen.
3. In den Wäldern, die den Lebensraum der Pygmäen bilden, leben auch viele Arten von Tieren: Leoparden, Okapi Elefanten, Antilopen, Affen jeglichen Typs und Größe, Schlangen, von denen viele giftig bis sehr giftig sind (schwarze Kobra, schwarz-grüne Kobra, Vipern etc.) und zahlreiche Tierarten, die im Unterholz leben (Stachelschweine, Igel, große und kleine Schuppentiere). Man findet auch zahlreiche Ameisenfamilien, von denen die Bekanntesten sind: die Holz, Stoff oder Haut verzehrenden Termiten, die roten Ameisen, die sich von Tiere, Fische, Insekten und auch von Menschen (wenn sie nicht flüchten) nähren, die giftigen schwarzen Ameisen und die roten Ameisen, die die Einzigen sind, vor denen die fleischfressenden roten Ameisen flüchten, usw.
4. In diesen Urwäldern wachsen auch Edelholzbäume, wie z.B.: Mahagoni, Teak und Ebenholzbäume, aus denen wertvolle Möbel hergestellt werden.
WER SIND DIE PYGMÄEN [ oben ]
1. Der Name der Pygmäen kommt vom griechischem Wort "pygmmâios" = eine Elle hoch, also klein. Tatsächlich sind die Männer im Durchschnitt 140 cm und die Frauen 130 cm hoch. Sie sind nicht von schwarzer Rasse, wie allgemein vermutet wird, sondern bilden eine Rasse für sich selbst, deren Haut hellbraun ist. Es ist auf jeden Fall wichtig, daran zu denken, dass die anthropologische Kategorie der Rassen heute von der Wissenschaft abgelehnt wird und nur noch von denen Verwender wird, die noch rassistische Vorurteile haben.
2. Im Endeffekt können wir sagen, dass die Pygmäen eine Gesamtheit von Völkern sind, die physisch von kleiner Statur und hellbrauner Hautfarbe sind und in den tropischen äquatorialen Wäldern leben, die von Kamerun bis nach Osten zu den Gebirgsketten und Vulkanen gehen.
WIE LEBEN DIE PYGMÄEN [ oben ]
1. DER WOHNORT
Die Pygmäen leben in zwei verschieden Arten von Dörfern
bzw. Lagern:
- DAS DORF befindet sich in der Nähe eines
Bauerndorfs (Bantu), mit dem sie die eigenen Produkte (Jagd,
Fischerei und Waldfrüchte) gegen landwirtschaftliche
Produkten, Textilien und andere Manufakturrate der Bantu
tauschen.
- DAS JAGDLAGER besteht aus Hütten aus
Zweigen und Blättern und befindet sich in der Jagdzone. Ein
Jagdlager ist vom anderen etwa 1 Stunde Fußmarsch entfernt,
je nach den Bedürfnissen der Jagd.
Jede Pygmäen-Gemeinschaft besteht aus etwa 60-80
Personen, das bedeutet 10-15 Familien (jede Familie zählt
ca. 6 Personen: Vater, Mutter und mindestens 4 lebende Kinder.
Auf Grund der hohen Kindersterblichkeit und der harten
Lebensbedingungen im Wald bringt eine Frau 7-8 Kinder auf die
Welt, von denen 4-5 erwachsen werden.). Das Dorf besteht aus
ungefähr 15-20 Hütten, von denen 10-15 von den
einzelnen Familien bewohnt sind und die übrigen für den
gesellschaftlichen Gebrauch dienen: eine für die Jungen,
eine für die Mädchen, ein offenes Wetterdach dient dem
alltäglichen Gemeinschaftsleben (Schule, Gericht, Gesang,
abendliche Unterhaltungen am Feuer, usw.) und manchmal gibt es
eine Hütte fùr durchreisende Gäste. Die
Hütten des Dorfes oder des Lagers sind im Kreis aufgebaut,
so bleibt in der Mitte eine grosse runde Tanzfläche.
Die Hütten des Jagdlagers sind rund mit einem Durchmesser
von etwa 3-4 Meter und ungefähr 1,5-2 Meter hoch. Der
Eingang jeder Hütte schaut zur Mitte des Lagers, aber falls
eine Familie eine schwerwiegende Auseinandersetzung mit der
Gemeinschaft hat, kann der Eingang ihrer Hütte schnell
geschlossen werden und ein neuer wird auf der Hinterseite der
Hütte geöffnet. Sobald die wieder Frieden geschlossen
wurde, wird der ursprüngliche Eingang wieder hergestellt.
Zum Bau dieser Hütten werden Äste und kleine Bäume
(FITU) in den Boden gerammt und dann zusammen geflochten. Auf
diese erste Struktur werden weitere fitu aufgeflochten, in die
dann Mangungu-Blätter, die ca. 1 Meter lang und 50-60 cm
breit sind, eingeflochten werden. Die Blätter werden von
unten nach oben eingeflochten (in etwa wie Fischschuppen), damit
die fertige Hütte wasserfest ist. Diese Hütten, die ein
bis zwei Monate bewohnbar sind, werden normalerweise nur begrenzt
bewohnt und dienen hauptsächlich zur Nachtruhe, denn die
Pygmäen wie auch die Bantu auf dem Land leben vor allem im
Offenen. Regenfälle, die normalerweise heftige Gewitter
sind, die nie länger als zwei Stunden dauern, werden als
angenehme Duschmöglichkeiten gesehen. Nach dem Gewitter
trocknet alles schnell in der äquatoriale Sonne.
Die Dorfhütten sind hingegen rechteckig, 5-6 Meter lang,
etwa 3-4 Meter lang und 2-2,5 Meter hoch. Der Bau beginnt damit,
dass Pfähle in einer Reihe zu 20cm aufgestellt werden. Diese
Pfähle (NGUZU) sind aus breiten Bäumen (die auch
widerstandsfähig vor den Termiten sind). Die Pfähle
werden horizontal mit Lianen (es gibt hunderte von Lianenarten)
gebunden, sowohl Innen als auch Aussen. Es entsteht so eine
käfigartige Struktur, die von der ganzen Gemeinschaft in
einem einzigen Tag mit Schlamm gefüllt wird, der trocknet
und die Mauern der Hütte bildet. Das Dach ist besteht aus
leichten Pfählen (MAKOMBOMOJA) und wird mit Lianen in der
Mitte auf der MWAMBA (Futtermauer) und an Mauerpfählen
befestigt. Dann werden horizontal "fitu" angebunden, etwa 10-15
cm voneinander entfernt, die dann, wie schon beschrieben, mit den
Mangungu-Blättern" bedeckt werden. (Zur Zeit werden die
Hütten der Dörfer, die beschliessen, am Projekt
"Pygmäen" von P. Antonio Mazzucato teilzunehmen, mit einem 3
Meter langen und 90 cm breiten Wellblech (das sich dort Manjanja
nennt) bedeckt.
Es gibt keine Einrichtungsgegenstände und auch das Bett
besteht aus einem oder zwei grossen Bananenbaumblättern, die
in unmittelbarer Nähe der offenen Feuerstelle in der Mitte
der Hütte ausgebreitet werden. Nachts schlafen dann alle
Bewohner der Hütte sehr leicht oder gar nicht bekleide in
einem Halbkreis um die Glut der Feuerstelle. Die Kleider werden
an Seilen aus Lianen, die auf den Pfählen festgemacht
werden, aufgehängt.(Die Dörfer, die am Projekt
teilnehmen, haben auch Decken oder schwere Kleidung für die
Nacht und es ist vorgesehen, dass sie bald Betten bekommen, die
von den Tischlerlehrlingen in den Werkstätten des Projekts
hergestellt werden). Töpfe und verschiedene Pfannen werden
in einer Ecke auf dem Boden abgestellt, wenn sie nicht
draußen sind, wo normalerweise jeden Tag gekocht wird.
2. DIE GESELLSCHAFT DER PYGMÄEN
- Die Gesellschaftsstruktur der Pygmäen basiert allein auf
der Familie, zunächst auf den engeren Familienkreis (Vater,
Mutter, Kinder) und dann auf die erweiterte Familie
(Großvater und -mutter, Onkeln/Tanten, Vettern/Cousinen),
die jedoch eine weniger wichtige Rolle spielt. In der sozialen
Kultur der Pygmäen hält die INDIVIDUELLE PERSON die
höchste Wertstellung ein, zu deren Wohl und Entwicklung die
Kernfamilie beitragen muss. Die erweiterte Familie trägt
wiederum zum Wohl der Kernfamilie bei. (Im Gegensatz dazu, steht
in der Bantu-Gesellschaft das Individuum im Dienst der Familie,
die wiederum im Dienst der Großfamilie steht, die
ihrerseits zum Wohl des Clans beiträgt. Bei den Pygmäen
hat der "Clan" keine Wichtigkeit).
- In der Pygmäen- Familie gelten gleiche Rechte für
Mann und Frau, die sich nur in ihren alltäglichen Funktionen
voneinander unterscheiden. Der Mann hat genauso wenig das Recht,
zu entscheiden und zu befehlen wie die Frau. Entscheidungen
müssen vereinbart werden und wenn es keine Vereinbarungen
gibt, entscheidet ein jeder nach eigenem Gutdüngen, ohne
allerdings dem anderen seinen Beschluss aufzuzwingen.
Der Bau der traditionellen kreisförmigen Hütten ist
Aufgabe und vor allem Recht einzig und allein der Frau, die auch
den Standort für die Hütte entscheidet. Gekocht wird
sowohl von der Frau als auch vom Mann, je nach Bedarf und
Augenblick.
- Die Kinder werden von beiden erzogen, wobei die Beziehung
Mutter/Tochter und Vater/Sohn nach dem 5. Lebensjahr dominant
wird.
- Pubertierende Mädchen und Jungen wachsen in getrennten
Hütten unter Aufsicht eines älteren Erwachsenen auf, um
frühreife voreheliche und innerfamiliäre sexuelle
Kontakte zu vermeiden. Wenn ein Mädchen geschlechtsreif ist,
das bedeutet bei der ersten Menstruation, wird ein
nächtlicher Tanz der ganzen Gemeinschaft organisiert, bei
dem sich Jungen und Mädchen unter dem wohlwollenden Blick
der Erwachsenen gegenseitig umwerben. Eine besondere
Tätowierung auf der Brust des Mädchens signalisiert
nun, dass es geschlechtsreif und somit heiratsfähig ist.
DIE EHE
- In der afrikanischen Gesellschaft wie auch bei den Pygmäen
sucht der Mann nach einer Frau. So sagt auch ein afrikanischer
Aphorismus: "Es ist die Antilope, die zum Wasser geht, und nicht
umgekehrt!"
- Der Junge muss ein Mädchen suchen, das nicht näher
mit ihm verwandt ist (wenigstens nicht bis zum 5. Grad), da die
Risiken für eine Fehlgeburt oder Kinder mit physischen und
psychischen Behinderungen zu groß sind. Nachdem beide
"Verlobten" eine Vereinbarung getroffen haben, informiert der
Junge seine Familie über seine Heiratsabsichten. Nachdem
beide Familien auf diskrete Weise Informationen über die
Moralität der anderen Familie eingeholt haben, informiert
die Familie des Jungen den erweiterten Familienkreis und das Dorf
der Braut, dass es ein Mädchen zu verheiraten gäbe,
wenn sie es wünschen. Das bedeutet, dass es bei den
Pygmäen keine Brautsteuer wie bei den Bantu gibt, sondern
einen Personentausch, der dazu dient, die Bewohneranzahl eines
jeden Dorfs aufrecht zu erhalten. Die Bewohneranzahl eines Dorfs
wird von seinem Lebensraum bestimmt: Jedes Dorf hat eine
bestimmte Fläche Wald zur Verfügung, die für die
Nahrung und die gemeinsame fruchtbare Jagd von 60-80 Personen
reichen muss.
Sobald auch die Familien der Bräute und Bräutigame
eine Vereinbarung getroffen haben, machen sich alle Mädchen
und Jungen aus einem Dorf tanzend und singend auf den Weg zum
anderen, wo sie bis zur Hochzeit bleiben. Am Tag der Hochzeit
sind alle Verwandten und Freunde der Brautleute anwesend, es
erfolgt der öffentliche Austausch der zwei Mädchen,
dann wird ein Tag und eine Nacht lang getanzt. Mit den
Abschlussworten "Sie sollen glücklich und froh leben..."
endet das Hochzeitsfest.
DAS EHELICHE FAMILIENLEBEN
Wie bereits erwähnt, haben Mann und Frau in der Ehe die
gleichen Rechte, gehen jedoch verschiedenen Tätigkeiten
nach. Zum Beispiel: die Frauen sind für den Bau der
traditionellen runden Hütte zuständig und suchen auch
den Platz aus, an dem sie gebaut wird. Der Mann kann hier
mithelfen, aber der Frau nicht seine Ansichten aufzwingen. Beim
Bau der rechteckigen Hütte mit den Schlammmauern ist es
Aufgabe der Männer, die notwendigen Pfähle zu schneiden
und in den Boden zu rammen. In ihren Aufgabenbereich fallen auch
der Bau der Mauern und des Dachs, das Sammeln der notwendigen
Lianen und der Schnitt der "fitu". Der Schnitt der Blätter,
die das Dach abdecken, gehört zu den Aufgaben der Frauen,
aber die Befestigung der Blätter auf dem Dach wird von den
Männern erledigt. Die Frauen holen vom Fluss oder von der
Quelle das Wasser, das die Männer mit Erde zu Schlamm
für die Mauern vermischen. Zusammen werden sie dann den
Schlamm in die käfigartige Mauerstruktur
einfügen.
Die Beziehungen zwischen Ehemann und Ehefrau haben folgen
strengen gesellschaftlichen Regeln:
- I. strenge Heterogamie: innerfamiliäre Beziehungen und
Heirat sind bis zum 5. Verwandtschaftsgrad streng verboten;
- II. Die Anzahl erlaubten Kinder wird auf Grund der
Einwohnerzahl des Dorfes berechnet, die zum Überleben der
Gemeinschaft konstant 60 und 80 Personen bleiben muss. Die
Einwohnerzahl wird durch verschiedene Faktoren gedrosselt:
a.. das harte Leben im Wald bringt eine hohe Kindersterblichkeit
(40%) im Alter zwischen 0 und 5 Jahren mit sich. Um also 4
erwachsenen Kinder zu haben, muss ein Paar mindestens 7-8 Kinder
in die Welt setzten.
b.. Ein angemessener Zeitabstand von einer Geburt bis zur
nächsten wird entweder durch sexuelle Abstinenz (von der
Schwangerschaft bis zum 2-3 Lebensjahr des Kindes) eingehalten,
oder durch traditionelle Verhütungsmittel, die die
Fruchtbarkeit der Frau und in einigen Fällen auch des Mannes
einschränken.
III. Erziehung und Ausbildung der Kinder:
a.. Im Alter von 0 bis 4/6 Jahren ist die Erziehung Aufgabe
beider Elternteile
b.. Später beschäftigen sich die Mütter mehr mit
den Mädchen und die Väter mehr mit den Jungen, ohne
aber das Interesse an den anderen Kindern zu verlieren.
Die Erziehung und Ausbildung folgt drei Prinzipien:
1.. FREIHEIT: Kinder sind frei, eigene Erfahrungen zu machen und
von der anderen Menschen und der Umwelt zu lernen: sie werden
niemals von den Aktivitäten der Erwachsenen ausgeschlossen,
weder im Dorf noch nicht bei der Jagd. Es wird ihnen nichts
verboten, sondern es wird ihnen der korrekte Umgang mit
gefährlichen Dingen, Bogen, Lanze, Küchengeräte
(Messer und Pfannen) und Feuer beigebracht. So kann man z.B. ein
nur 2-jähriges Kind mit einem Machete in den Händen
sehen, ohne dass die Mutter angelaufen kommt, um es ihm
schimpfend weg zu nehmen.
2.. INITIATIVE: die Kinder werden angespornt, beim Erlernen der
verschiedenen Aktivitäten, sowohl individuelle
(Geschlechtserziehung) als auch soziale (Jagd), selbst Initiative
zu ergreifen. Alles wird vor allem SPIELEND erlernt, ob es nun
das Spiel zwischen Kindern oder mit Erwachsenen ist. Erwachsene
nehmen das Spielen mit Kindern sehr ernst: es wird nicht
gespielt, nur um den Kindern eine Freude zu machen, die Kinder
werden nicht nachgeahmt noch spricht man sie mit den bei uns
üblichen "Kleinkinderworten" an. SPIELEN UND LACHEN SIND
ERNST ZU NEHMENDE SACHEN! 3.. VERANTWORTUNG: die Kinder lernen
schnell, dass im Wald jeder Fehler unweigerlichen Folgen hat und
bestraft wird: wenn man z. B. nicht acht gibt, wo man hintritt,
kann man eine auf eine Schlange treten und von ihr gebissen
werden, und wenn man nicht aufpasst, wo man sich festhält,
könnte man eine dornige oder giftige Liane packen, die
schmerzhaft bis tödlich sein könnte. DER WALD KENNT
KEINE VERZEIHUNG, MAN MUSS SEINE GESETZE KENNEN UND SICH NACH
IHNEN RICHTEN. Die Pygmäen haben grossen Respekt vor dem
Wald und seinen Gesetzen und sind sich bewußt, dass sie vom
Wald alles bekommen was sie zum Überleben brauchen.
THEMEN DER ERZIEHUNG UND AUSBILDUNG
a.. das Familienleben und Geschlechtserziehung. Letztere wird
insbesondere während der INITIATION behandelt. Es handelt
sich um einen Zeitraum von einem Monat, in dem die Jungen unter
der Führung eines älteren Erwachsenen in den Wald
gehen, wo ihnen das Wissen um die Traditionen des Clans und des
Stamms vermittelt werden. Hierbei ist zu bemerken, dass die
Initiation nicht von einem älteren Pygmäen, sondern von
einem Bantu-Älteren geleitet werden. Das beweist, dass es
sich um eine von den Bantu angenommene Tradition handelt, denn
eigentlich hätte nur ein Clan- oder Stamm-Angehöriger
das Recht, bei der Initiation teil zu nehmen.
b.. Jagd-, Fisch- und Sammeltechniken von spontanen
Waldprodukten (Honig, Pilze, Insekten, Gräser, Wurzeln und
essbaren Früchten)
c.. Gruppenspiele
d.. Bautechniken der Hütten, wobei die Techniken zum Bau
der runden Hütte nur den Mädchen beigebracht
werden
e.. Tänze, Gesang und Trommelspiel
DAUER DER ERZIEHUNG UND AUSBILDUNG: von der
Geburt bis zur Ehe
WIRTSCHAFT [ oben ]
a. Die Pygmäen ernähren sich von der Jagd, dem
Fischfang und dem Sammeln der Produkte des Walds.
b. Die Pygmäen stellen alle Geräte, die sie zur Jagd,
dem Fischen und dem Alltagsleben (Haus, Kleidung, verschiedene
Aktivitäten) brauchen aus Waldprodukten (Holz, Leder,
Knochen, Erde, Lianen, usw.) her. Das heisst, dass die
Pygmäen voll und ganz vom Wald leben.
c. Die Pygmäen sammeln, jagen oder fischen immer nur soviel
Nahrung, wie sie für einen Tag brauchen, denn sie kennen
keine Konservierungstechniken, treiben mit ihren Produkten keinen
Handel sondern brauchen diese "nur" zum Überleben und
letztendlich aus einem kulturellen Entschluss.
d. ARBEIT DIENT NUR DEM ÜBERLEBEN ( man arbeitet, um zu
leben und man lebt nicht, um zu arbeiten!) UND DEM TÄGLICHEN
LEBEN, aber nicht, um Konsumprodukte herzustellen, aus denen man
wirtschaftliche und soziale Profite schlagen könnte.
Privater und öffentlicher Eigentum sind unbekannt, man hat
einfach das Recht, die Produkte der eigenen Arbeit verbrauchen
bzw. verwenden zu können.
e. DIE JAGD: es gibt zwei verschiedene Jagdtechniken, je nachdem
ob es man individuelle oder gemeinsame Jagd betreibt.
Die INDIVIDUELLE JAGD wird von einer einzelnen Person mit einer
Lanze und/oder Pfeil und Bogen und einem Jagdhund betrieben, der
kleinere Jagdbeuten im Unterholz aufspürt. Die Hunde der
Pygmäen sind klein und kurzhaarig, wahrscheinlich stammen
sie von arabischen Windhunden ab, oft aber auch von den Hunden
der europäischen Kolonialherren. Die Jagdbeute gehört
in diesem Fall allein dem Jäger und sener Familie.
Die GEMEINSCHAFTSJAGD wird von allen Dorfeinwohnern gemeinsam
betrieben, auch von den Neugeborenen, die von den Müttern
auf dem Rücken mitgetragen werden. Diese Jagd kann auch ein,
zwei oder mehr Monate dauern. Dazu wird das Dorf in der Nähe
einer Bantu-Siedlung verlassen und die ganze Gemeinschaft begibt
sich in ihr Jagdrevier, in dem keine andere
Pygmäen-Gemeinschaft ohne Erlaubnis jagen darf. Es handelt
sich hierbei nicht um eine Art von Besitz, sondern ganz einfach
um "Existenzfläche". Den Pygmäen nach kann der Mensch
kein Stück Natur besitzen. In einer Jagdzone werden immer
mehrere Jagdlager (kreisförmige Hütten) eingerichtet
aufgebaut, die ungefähr eine Stunde Fußmarsch
voneinander entfernt sind.
f. Sobald die Gemeinschaft auf ihr Jagdgrund ankommt, versammelt
sie sich um einen kleinen Baum, zu dessen Füssen jeder einen
Stein legt. Dann singen alle zusammen ein Lied für die
Ahnen: "Seht, dass unsere Kinder euch nicht vergessen haben. Auf
der Suche nach Nahrung sind sie dorthin zurück gekommen, wo
ihr begraben liegt. Bittet Gott darum, dass wir genügend
Wildfleisch finden, zum Essen und um es mit anderen Sachen, die
wir benötigen, zu tauschen. Finden." Wenn es in der
Gemeinschaft eine schwangere Frau gibt, dann dreht sich diese auf
die Aussenseite des Kreises und fängt an, mit dem Ton eines
Schlaflieds ein Lied zu singen: "Ihr, unsere Ahnen, seht uns hier
zusammen mit euch und seht, wie ihr niemals aufgehört haben,
das Leben, das wir von euch bekommen haben, weiter zu
führen. Sagt Gott, dass wir es auch weiterhin so pflegen
werden, so wie die Blumen, von denen die Bienen den Honig
nehmen."
g. Die Jagd findet in dem unmittelbar an das Lager grenzende
Gebiet an. Das Gebiet wird in ein oder zwei Wochen durchstreift,
dann macht man in einem anderen Gebiet weiter, bis das ganze
Jagdrevier der Pygmäen-Gemeinschaft durchstreift ist. Bei
einem Jagdzug flüchten die Tiere zwar, verlassen aber nicht
ihr Revier, das mehr oder weniger dem Jagdrevier einer
Gemeinschaft entspricht. Die Pygmäen jagen mit Pfeil und
Bogen, einer Lanze und einem Netz pro Familie und natürlich
den Hunden. Die Pfeilspitzen werden in ein natürliches Gift
getaucht, das in ungefähr einer halben Stunde tödlich
wirkt.
Wie ist die Gemeinschaftsjagd
organisiert:
a. Die Jagd wird von einem Jagdführer geleitet. Der
Jagdführer ist nicht unbedingt das Oberhaupt der
Gemeinschaft, sondern ein Mann, der wegen seiner
Jagdfähigkeiten besonders geschätzt wird. Der
Jagdführer entscheidet, wo die Netzte gespannt werden.
b. Die Netzte werden im an Büschen oder Ästen
befestigt und im Halbkreis gespannt. Die Männer, mit ihren
Lanzen bewaffnet, lauern hinter Bäumen, die in der Nähe
der Netzte, aber ausserhalb des Halbkreises sind. Die Frauen,
Kinder und Hunde schliessen den Halbkreis und auf eine Zeichen
des Jagdführers hin fangen sie, laut zu schreien und mit
Zweigen um sich zu schlagen. Auf diese Weise werden die Tiere in
die Netze gedrängt, von dort etwas auf die Seite geschleppt
und dann getötet. Es ist wichtig, das die Netze nicht mit
Tierblut beschmutzt werden, denn der Geruch würde andere
Tiere fern halten und die Netze unbrauchbar machen.
c. Sobald ein Tier getötet wird, wird es in die Höhe
gehoben, um sich so bei den Ahnen und Gott für das
Jagdglück zu bedanken.
d. Da Pfeil und Bogen den Männern vorbehalten sind,
können die Frauen und die Kinder, die wie die Erwachsenen
bei der Jagd mitmachen, mit Stöcken oder Machete bewaffnet
sein. Die Kleinkinder, die noch nicht selbstständig sind
bleiben entweder im Lager unter der Aufsicht der Älteren
oder nehmen am Geschehen bequem auf den Rücken der
Mütter gebunden teil. So lernen sie von klein auf, wie man
auf Jagd geht.
e. Die Beute wird in gleiche Teile auf alle Teilnehmer
aufgeteilt, aber der Besitzer des Netzes hat Recht auf ein ganzes
Bein und derjenige, der das Tier getötet hat, behält
den Hals.
f. Am ersten Jagdtag wird normalerweise die ganze Beute
aufgegessen, damit allen gleich die Lust auf Fleisch vergeht. Die
Beute der darauf folgenden Tage wird teilweise gegessen (die
Innereien und die Haut) und teilweise geräuchert, um das
Fleisch auf dem Markt des Bantu-Dorfs mit landwirtschaftlichen
Produkten wie Manioca, Reis, Bananen, Palmenöl, Zwiebeln und
Bohnen zu tauschen.
Der Fischfang
- Die Pygmäen betreiben als Nebenbeschäftigung auch den
Fischfang, aber die Jagd bleibt ihre Haupttätigkeit.
a. Auch der Fischfang wird individuell oder gemeinschaftlich
betrieben.
b. Der individuelle Fischfang wird unterschiedslos von allen,
auch von den Kindern ab 3-4 Jahren, betrieben.
c. Zum Fischen werden traditionsgemäss Lanzen mit
Holzspitzen verwendet (die Metallspitzen stammen von den Bantu).
Man geht nachts fischen, wenn die Fische "schlafen". Heutzutage
werden auch Angelhaken aus Metall verwendet, die von den Bantu
gekauft werden, und mit denen man sowohl nachts als auch
tagsüber fischen kann. Als Köder werden kleine
Würmer oder verschiedene Insekten verwendet, "wenn wir sie
nicht gerade lieber selbst essen", erklären die Pygmäen
lächelnd.
d. Der gemeinsame Fischfang wird vor allem von den Frauen
betrieben und besteht darin, dass man kleine Fische in
künstliche Tümpel scheucht und dann mit einem Korb oder
mit den Händen aus dem wasser nimmt.
e. Nur die Fische des individuellen Fischfangs gehören
allein dem Fischer, die Fische des gemeinsamen Fischfangs werden
unter allen Fischer/innen gleich aufgeteilt.
Das Sammeln der Waldprodukte
a. tägliches Sammeln: individuell sammeln Frauen, aber auch
Männer oder Kinder Waldfrüchte für die
tägliche Nahrung. Es werden Pilze, Wurzeln, wilde
Früchte, kleine Tiere und essbare Insekten (Ameisen)
gesammelt. Um giftige Schlangenbisse zu vermeiden, inokulieren
sich die Pygmäen ein schwarzes Pulver unter die Haut, das
mit ungefähr zehn verschiedenen Gräsern, Wurzeln und
Köpfen von giftigen Schlangen in heimlichen Riten
hergestellt wird. Diese "Medizin" wird vor dem Sammeln gehen
unter die Haut inokuliert und wirkt dann für ein bis zwei
Monate.
b. Das sammeln von wildem Honig ist jahreszeitlich bedingt.
Ausser dem Honig der Waldbienen gibt es auch den Honig anderer
Insekten, unter anderem der "schwarzen Bienen", die ihren Stock
in der Erde bauen und deren Honig leicht giftig wenn auch sehr
süß ist.
Wie wird der Honig gesammelt?
- Man verwendet dazu eine Liane, die um den Baumstamm und um die
Hüfte eines Mannes gebunden wird, eine kleine Axt, eine
handvoll grüner Blätter und etwas Glut und eine
Stofftasche, um die Bienenstockteile zu tragen. Dank der Liane
klettert ein Mann auf einen Baum bis zur Höhe des Lochs, in
dem der Bienenstock ist, dann erweitert er mit der Axt das Loch,
schwingt die Blätter mit der Glut, damit der Rauch die
Bienen fort hält (trotzdem bekommt man immer einige Stiche
ab). Sobald das Loch gross genug ist, um mit einer Hand hinein zu
fahre und mit einem Stück Bienenstock wieder herausfahren zu
können, wird das erste Stück Bienenstock, vor Honig
triefend, in den Wald geworfen, um sich bei den Ahnen und bei
Gott dafür zu bedanken. Die restlichen Stücke des
ganzen Bienenstocks werden in die Stofftasche gegeben, ein
Stück steckt sich der Sammler gleich in den Mund, sozusagen
als Entschädigung für den ertragenen Schmerz der
Stiche. Honig kann von Juni bis Ende August gesammelt werden.
Wenn sich die Pygmäen zum Honig sammeln in den Wald begeben,
sammeln sie auch andere Waldfrüchte und manchmal nutzen sie
die Gelegenheit auch zum Jagen aus, genauso wie sie das Jagen
auch zum Sammeln verschiedener Waldfrüchte nutzen.
Ursprünglich jagten die Pygmäen keine Elefanten, denn
die grosse Quantität an Fleisch war mehr, als die Gruppe
(60-70 Personen) verzehren konnte bevor es schlecht wurde. Eine
solche Verschwendung an Nahrung ist für die Pygmäen
unvorstellbar, genauso wenig wie es das Töten eines anderen
Menschen ist. Mord und Nahrungsverschwendung haben für die
Pygmäen den gleichen Stellenwert!
Die Jagdgegenstände wie Lanzen bzw. Bögen mit
Metallspitzen, Machete und Netze stammen ursprünglich nicht
von den Pygmäen, sondern von den Bantu. Eben diese
technische Überlegenheit hat es den Bantu möglich
gemacht, die Pygmäen zu versklaven.
SOZIALE STRUKTUR UND TÄTIGKEIT IN EINEM PYGMÄEN-DORF [ oben ]
a. Wie schon gesagt, kreist die Pygmäen-Gesellschaft
hauptsächlich um die Kernfamilie und nicht um die
Grossfamilie. Ein Dorf besteht aus ungefähr 10-15 Familien,
die eigentlich zusammen eine Grosfamilie bilden, da mehr oder
weniger alle Familienoberhäupter untereinander direkt oder
indirekt verwandt sind.
b. Das Dorfoberhaupt hat keine AUTORITÄT, um Entscheidungen
über das Dorfleben oder über Streitfragen zu treffen.
Entscheidungen werden von der Dorfversammlung getroffen, bei der
alle mitreden, Männer, Frauen und Kinder, und bei der die
Familienoberhäupter nur "moralischen" Vorrang haben.
c. Das Dorfoberhaupt ist eine Person, die sich durch besondere
Lebensweisheit hervorhebt und einzig und allein moralische
Autorität über die anderen hat. Da das Dorfoberhaupt
von den anderen Dorfbewohnern hoch geschätzt wird, gilt
seine Lebensweise als Beispiel für alle. Das Dorfoberhaupt
kann allerdings nur Ratschläge geben (die meist befolgt
werden), aber keine Befehle austeilen.
d. GERICHTSWESEN: auch in Streitfällen liegt jede
Entscheidung bei der Dorfversammlung, in der alle, auch die
Kinder, ihre Meinung geben können. Das Urteil wird von allen
zusammen, unter der moralischen Leitung der
Familienoberhäupter, gefällt.
e. Nach dem Prinzip, dass in Streitfällen meist jeder ein
bisschen Recht und ein bisschen Unrecht hat, hat das Urteil das
Ziel, Frieden unter den Streitenden zu stiften. So hat der
Geschädigte zwar Recht auf eine Entschädigung, muss
aber seinerseits zur Wiederversöhnung beitragen. Konkret
bedeutet das, dass die Wiederversöhnung mit einem Festessen
gefeiert wird, zu dem auch der Geschädigte (derjenige, der
Recht bekommen hat) mit einem Teil der Nahrung beitragen
muss.
ALLTAG [ oben ]
a. Beim ersten Hahnenkrähen (gegen 5.30: am Äquator
geht die Sonne gegen 6.00 Uhr auf und geht gegen 18.00 Uhr unter)
steht das Dorfoberhaupt auf und zündet mit der Glut des
Vorabends das Feuer in der "barza" an, mit dem dann alle anderen
das Feuer in der eigenen Hütte anzünden. Dann spaziert
das Dorfoberhaupt durch das ganze Dorf und teilt Mitteilungen und
Ratschläge aus. Dabei entsteht oftmals ein lustiger Dialog
zwischen ihm und den anderen Dorfbewohnern, die noch in den
eigenen Hütten sind. Manchmal wird bei diesen
Gesprächen auch Gott miteinbezogen, der für die
Pygmäen nicht "irgendwo dort oben" weilt, sondern unsichtbar
zwischen den Menschen wandelt.
b. Sobald alle (o beinahe alle) aufgestanden wird, wird mit den
Essensresten des Vorabends (wenn etwas übrig geblieben ist,
gefrühstückt, dann geht jeder den eigenen
Tätigkeiten nach. Die Frauen gehen in den Wald Früchte
oder anderes sammeln, die Männer gehen jagen oder fischen
oder ihr Feld bebauen (wer ein Feld hat, denn in den letzten
Jahren haben einige Pygmäen angefangen, Landwirtschaft zu
betreiben) oder aber sie hegen zusammen mit dem Dorfoberhaupt den
Tätigkeiten nach, zu denen er am Morgen geraten hatte.
Andere bleiben im Dorf, um die Jagdnetze zu flicken oder neue
Bogen, Pfeile und Lanzen herzustellen. Ab und zu wird etwas
gegessen, wie eine Banane oder etwas Manioca, aber das wirkliche
Essen gibt es zwischen 18.00 und 19.00 Uhr.
c. Die täglichen Aktivitäten nehmen gerade zwei oder
drei Stunden in Anspruch, dann vertreiben sich die Frauen die
Zeit mit Kochen oder mit den Vorbereitungen für den
abendlichen Tanz (sie malen sich mit Farben an, die von
Fruchtsäften gewonnen werden und deren Farbe ungefähr
eine Woche hält) während die Männer mit den
Kindern Ball spielen, andere Spiele machen, von den
Jagdereignissen oder von den Dorfereignissen (auch der Bantu)
erzählen.
d. Abends wird nach dem Essen getanzt oder man setzt sich um das
Feuer der "barza" oder vor die eigene Hütte zum
plaudern.
e. Die Tänze werden sowohl zum Spaß als auch zu
besonderen Anlässen (Hochzeit, Initiationsrituale,
Elefantenjagd, Blütezeit der Pflanzen, von denen die Bienen
Honig gewinnen) organisiert.
RELIGION [ oben ]
a. Die Pygmäen haben keine Religion, im Sinn, dass sie
keine religiösen Riten oder Kultplätze haben, noch
Priester oder religiöse Einrichtungen und Strukturen. Statt
dessen haben die Pygmäen eine starke natürliche und
spontane Religiosität, die in einer persönlichen
Beziehung mit Gott ausgelebt wird. Gott ist für die
Pygmäen eine reale Anwesenheit, die sich mit dem Wald, von
dem sie stammen und der sie ernährt, ausdrückt.
b. Es gibt gemeinschaftliche "Riten" (siehe die
gemeinschaftliche Jagd), aber diese befolgen keine strikte
Prozedur noch werden sie von einer bestimmten Person in einem
bestimmten Ort geleitet. Es wird z.B. um ein Feuer, as zu
Füssen eines Baums angezündet wird, gebetet, aber es
muss kein bestimmter Baum sein, noch muss das Feuer auf eine
bestimmte Weise angezündet werden und auch die Gebete sind
keine festgelegten Formeln sondern spontane Gespräche mit
Gott und den Ahnen, denen man dankt oder die man um Hilfe bittet.
Wer diese Gebete leitet kann das Dorfoberhaupt sein oder auch der
Jagdführer, der Dorfälteste oder wer immer dazu Lust
hat. Es gibt keine heiligen Gegenstände und die, die
während des Gebets verwendet werden (Steine, Äste,
Wasser) ändern sich je nach Gegebenheit und dem, was man
gerade mit dem Gebet ausdrücken möchte.
NOMADENTUM [ oben ]
Die Pygmäen werden als Nomaden bezeichnet, allerdings ist
ihr Nomadentum anders als das der so genannten Zigeuner. Man kann
auch unter zwei verschiedenen Arten von Nomadentum
unterscheiden:
a. herumziehendes Nomadentum: ein andauerndes
Reisen, ohne irgendwo einen festen Wohnort zu haben
b. stehendes Nomadentum: diese Art von
Nomadentum trifft bei de Pygmäen zu. Innerhalb eines
festgelegten Gebiets wechseln sie von Lager zu Lager. Dieses
Gebiet wird niemals verlassen, ausser die Gruppe wird davon
gejagt, oder es wird von einem andere Volk erobert oder wegen
einer Naturkatastrophe.
Das Nomadentum der Pygmäen ist äußerlich durch
die dauernde Migration und innerlich durch ihr Zeitgefühl
charakterisiert. Das Zeitgefühl der Pygmäen
konzentriert sich mehr auf die Gegenwart als auf die Zukunft oder
Vergangenheit. Man geht jeder Aktivität mit voller mentaler
und körperlich Konzentration nach, unter anderem auch weil
das Leben in Symbiose mit der Natur (Urwald) einer ständigen
Konzentration zum Überleben bedarf.
Antonio Mazzucato, Bozen, 13.3.2002