Bozen, Göttingen, 20. Mai 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Dienstag an die Europäische Union (EU) appelliert, sofort
Friedenstruppen für einen Einsatz von Blauhelmen im Osten
der Demokratischen Republik Kongo zur Verfügung zu stellen.
"Nach den jüngsten Kannibalismus- Vorwürfen gegen im
Osten des Kongo operierende Milizen muss die EU endlich mit Taten
reagieren", forderte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
"Worte der Verurteilung des Mordens genügen nicht mehr, weil
sie von den Kriegführenden und ihren Hintermännern in
Ruanda und Uganda ignoriert werden." Zwar hatten die EU-
Verteidigungsminister auf einer Sitzung in Brüssel gestern
grundsätzlich positiv auf die Bitten des
UN-Generalsekretärs Kofi Annan und des Weltsicherheitsrats
nach einer Beteiligung von Soldaten aus EU-Staaten an einem
Friedenseinsatz im Kongo reagiert, doch konkrete Beschlüsse
waren nicht gefasst worden.
An den Koordinator der EU-Außenpolitik, Javier Solana,
richtete die GfbV außerdem die nachdrückliche Bitte,
vor allem das Nachbarland Ruanda zu drängen, endlich einem
internationalen Friedenseinsatz zuzustimmen. Die UN-
Friedenstruppe müsse zudem ein klares Mandat zum Schutz der
Zivilbevölkerung bekommen.
Kirchenvertreter und ein Medizinstudent hatten aus der in der
vergangenen Woche umkämpften Stadt Bunia (Provinz Ituri)
berichtet, dass Leichen, die sie in den Straßen geborgen
hatten, Organe fehlten. Wahrscheinlich hätten die Angreifer
Sterbenden Herz oder Leber aus dem Körper gerissen.
Mindestens 160 Menschen seien den schweren Kämpfen zwischen
Angehörigen der Bevölkerungsgruppen der Hema und Lendu
in Bunia zum Opfer gefallen. Kannibalismusvorwürfe seien
bereits bei einem Massaker in Drodro erhoben worden, bei dem am
3. April 2003 mehr als 300 Menschen starben. Auch hätten
Pygmäen Ende vergangenen Jahres glaubwürdig dargelegt,
Angehörige ihres Volkes seien Opfer des Kannibalismus
bewaffneter Gruppen geworden.
"Geschickt nutzen Ruanda und Uganda ethnische Spannungen aus, um
ihren Einfluss im Osten des Kongo zu sichern", sagte Delius. Die
von den Nachbarstaaten unterstützten Milizen kämpften
um die Macht und die Kontrolle der reichen Rohstoffvorkommen im
Osten des Kongo. Massiv verletzten die bewaffneten Gruppen die
Menschenrechte der Zivilbevölkerung: Zwangsrekrutierung von
Kindersoldaten, Vertreibungen, Plünderungen, ethnische
Säuberungen und Vergewaltigungen seien alltäglich.
Angesichts der schweren Kämpfe seien allein in den letzten
Tagen 20.000 Zivilisten nach Uganda geflohen.