In: Home > DOSSIER > Tourismus und Menschenrechte in Sri Lanka. Schatten im Sonnenparadies
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Bozen, 23. April 2015
Sri Lanka. Foto: © Walter Keller, third-eye-photography.
Sri Lanka ist eine boomende Tourismusdestination. 2014
besuchten über 1,5 Millionen Menschen die Ferieninsel im
indischen Ozean. Mit 102.977 Besuchern bildet Deutschland die
zweitgrösste, die Schweiz mit 20.097 die
fünftgrösste Tourismusgruppe aus Westeuropa. Sri Lanka
ist jedoch nicht nur eine idyllische Feriendestination für
Sonnenhungrige. Es ist auch ein Land voller Schattenseiten: einem
26-jährigen Bürgerkrieg mit nicht aufgearbeiteten
Kriegsverbrechen und einer besorgniserregenden
Menschenrechtsbilanz. Die Unterdrückung der ethnischen und
religiösen Minderheiten ist auch nach Kriegsende weit
verbreitet. Bei ihrem Besuch Ende August 2013 bezeichnete die
damalige UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay das Land als
zunehmend autokratisch.
Im Januar 2015 kam es zu einem überraschenden Machtwechsel.
In den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen unterlag Mahinda
Rajapaksa seinem ehemaligen Vertrauten Maithripala Sirisena mit
47,58 % zu 51,28 % der Stimmen. In seinem Wahlmanifest versprach
Sirisena, die Korruption zu bekämpfen, die Menschenrechte zu
achten und den Rechtsstaat sowie die demokratischen Prinzipien
wiederherzustellen. Auch soll die Macht des Präsidenten
eingeschränkt werden. Basierend auf seinem Wahlmanifest
veröffentlichte Sirisena nach der Wahl ein konkretes
Programm für die ersten 100 Tage.
Trotz dieser hoffnungsvollen Ausgangslage fällt auf, dass
eine internationale, unabhängige Aufarbeitung der
Kriegsverbrechen aller Kriegsparteien und die konkrete
Verbesserung der Minderheitenrechte in diesem Programm nicht
prioritär gewichtet werden. Die beiden Themen fehlen in
seinem Manifest gänzlich. Dies kommt auch nicht
überraschend. Unter seinem Vorgänger Mahinda Rajapaksa
nahm Sirisena wichtige Ministerposten wahr. Auch übte er
während des Bürgerkrieges mehrmals die Position des
Verteidigungsministers ad interim aus.
Den grossen menschenrechtlichen Defiziten zum Trotz verbreitet
die sri-lankische Regierung nach aussen hin ein Bild von einem
scheinbar zur Normalität zurückgekehrten Land. Das
Image einer friedlichen und prosperierenden Feriendestination
wird in Westeuropa offensiv vermarktet. Der vorliegende Bericht
zeigt jedoch in aller Deutlichkeit die ernüchternde
Realität hinter dem Hochglanzprospekt.
MINIMALE MENSCHENRECHTSSTANDARDS FALLEN DER
TOURISTISCHEN ENTWICKLUNG ZUM OPFER
Die Regierung Sri Lankas hat den Tourismussektor als
Schlüsselindustrie definiert, um die Wirtschaft nach dem
Ende des Bürgerkrieges anzukurbeln. Dabei soll der Gewinn
aus der touristischen Entwicklung des Landes in erster Linie der
Bevölkerung zukommen. Um die touristische Erschliessung
neuer Gebiete möglichst sozial- und umweltverträglich
zu gestalten, hat die Regierungsbehörde "Sri Lanka Tourism
Development Authority" (SLTDA) minimale Entwicklungsstandards
eingeführt, welche von allen Beteiligten eingehalten werden
müssen. So muss vor der Realisierung grösserer
Tourismusprojekte eine Umwelt- und
Sozialverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Auch ist es verboten, die Küstenzonen dauerhaft zu
überbauen.
Diese Minimalstandards werden in der Realität von der
Regierung, den Investoren und vom Militär in vielen
Fällen nur unzureichend respektiert. Dieser Mangel gilt auch
für die in der Verfassung verbrieften Menschenrechte.
EINFLUSS DES MILITÄRS IM
TOURISMUSSEKTOR
Trotz Ende des Bürgerkrieges wurden die Ausgaben für
das Militär in den letzten Jahren kontinuierlich
erhöht. Während im 2009, dem letzten Kriegsjahr, EUR
1,1 Milliarden (EUR 1 = Rs. 152,3) für Militärausgaben
reserviert waren, soll der reservierte Betrag für das Jahr
2015 bereits bei knapp EUR 1,9 Mia. liegen - das sind 16,6
Prozent der prognostizierten Haushaltsausgaben. Dabei fokussiert
sich das Militär verstärkt auf den Tourismus. Armee,
Marine und Luftwaffe haben im ganzen Land Hotels eröffnet
und bieten Touristen zunehmend Aktivitäten an.
Die touristischen Angebote durch das Militär sind deshalb
problematisch, weil der Lokalbevölkerung dadurch eine
wichtige Einkommensquelle entzogen wird. Die
Militärangehörigen, die im Tourismus arbeiten, beziehen
ihren Lohn direkt vom Militärdepartement. Im Gegenzug
sichert sich das Militär ein lukratives Zusatzeinkommen im
Tourismussektor und kann Angebote zu tieferen Preisen anbieten
als privatwirtschaftliche Unternehmen. Die Angestellten geben
sich relativ offen als Militärangehörige zu erkennen,
einige tragen sogar Uniformen. Es stellt sich auch die Frage, was
mit dem erwirtschafteten Gewinn dieser touristischen Angebote
geschieht. Hier herrscht keine Transparenz.
DIE LOKALE BEVÖLKERUNG PROFITIERT
KAUM
Um die touristische Entwicklung der Insel einigermassen
kontrolliert voranzutreiben, hat die Regierung vier Gebiete
ausgewählt, in denen der Tourismus speziell gefördert
werden soll: Kuchchaveli, Passikudah, Kalpitiya und Dedduwa. In
unserer Recherche haben wir uns auf die drei Regionen
Kuchchaveli, Passikudah und Kalpitiyakonzentriert. Diese Gebiete
sind ethnisch sehr durchmischt und wurden während dem
Bürgerkrieg von Touristen kaum frequentiert. Inzwischen sind
dort zahlreiche Hotelanlagen gebaut worden, die sich auch im
Angebot von Reiseanbietern in Deutschland und der Schweiz
finden.
Für unsere Recherche interessierte uns in erster Linie, ob
es Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit
Tourismusprojekten gibt und in welchem Masse die lokale
Bevölkerung tatsächlich vom Tourismusboom profitiert:
Wie wird sie in die Entwicklung vor Ort miteinbezogen? Welche
Auswirkung hat der Tourismus auf ihren Alltag? Wie steht es um
die Respektierung ihrer Landrechte? Wie sehen die
Arbeitsbedingungen in den Hotels und Resorts aus?
Die Bilanz ist ernüchternd: In allen drei Regionen werden
die minimalen Entwicklungsstandards der Regierung nur teilweise
eingehalten. Umwelt- und
Sozialverträglichkeitsprüfungen finden nur sporadisch
statt und über deren Ergebnisse herrscht wenig Transparenz.
Die lokale Bevölkerung wird zu geplanten Tourismusprojekten
nicht konsultiert. Hotels und Resorts versperren den Zugang zum
Meer, was die wirtschaftliche Existenz der lokalen Fischer massiv
gefährdet. Weiter kommt es zu Landenteignungen. Nur ein
kleiner Teil der lokalen Bevölkerung findet im Tourismus ein
Auskommen, die meisten Angestellten in den Hotels stammen aus
weiter entfernten Regionen Sri Lankas.
Ausbildungsmöglichkeiten für die Bevölkerung vor
Ort, welche den Anforderungen der Hotels gerecht werden, fehlen.
Öffentliche Einrichtungen mussten Tourismusprojekten
weichen.
DEUTSCHE UND SCHWEIZER REISEANBIETER STEHEN IN DER
VERANTWORTUNG
Trotz beunruhigender Menschenrechtsbilanz bieten mindestens 49
Deutsche und 21 Schweizer Reiseanbieter Hotels in den drei
untersuchten Tourismusregionen an (Stand Dezember 2014). Wir
fordern alle Reiseanbieter auf, dazu beizutragen, dass die
touristische Entwicklung in Post-Konfliktgebieten
menschenrechtliche Prinzipien einhält. Es liegt in der
Unternehmensverantwortung und der Sorgfaltspflicht der
Reiseanbieter, diese Prinzipien bei ihren lokalen Partnern
konsequent einzufordern und deren Einhaltung regelmässig zu
überprüfen. Eine wichtige Orientierung für die
Tourismusbranche bilden dabei die "UNO-Leitprinzipien zu
Wirtschaft und Menschenrechte".
Gemäss diesen Leitprinzipien sollten Unternehmen negative
Auswirkungen ihres Handelns auf Menschenrechte vorbeugen und
allfällige Menschenrechtsverstösse wiedergutmachen.
Diese Verantwortung bezieht sich nicht nur auf ihre eigenen
Tätigkeiten, sondern ebenso auf menschenrechtliche
Auswirkungen, die direkt mit Operationen, Gütern und
Dienstleistungen in ihren Geschäftsbeziehungen zu tun haben.
Die Achtung der Menschenrechte ist keine passive Verantwortung.
Sie sollte systematisch in alle unternehmerischen Prozesse
integriert werden. Die gegenwärtigen, freiwilligen
Bemühungen einzelner Reiseanbieter, Menschenrechte in ihre
Arbeit aufzunehmen, nimmt die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) zur Kenntnis.
Doch zeigen die vorliegenden Ergebnisse deutlich, dass diese
Bemühungen in Sri Lanka noch ungenügend sind, um
fehlende Konsultationsverfahren, Landenteignungen, Umsiedelungen,
Beschränkungen der Meereszugänge sowie den mangelnden
wirtschaftlichen und sozialen Einbezug der Lokalbevölkerung
im Zusammenhang mit der touristischen Entwicklung wirksam zu
verhindern.
Der kompletter Report: http://assets.gfbv.ch/downloads/pdf_d_langversion.pdf
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2015/150430de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2014/140616de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2013/131113de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2010/101215ade.html
| www.gfbv.it/3dossier/asia/srilanka/srilanka.html
in www: www.peace-srilanka.org |
www.hrw.org/en/asia/sri-lanka
| http://en.wikipedia.org/wiki/Bodu_Bala_Sena