In: Home > DOSSIER > Die Ureinwohner im Norden Australiens sehen den naturnahen Tourismus als Chance, ihre Kultur zu schützen
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Thomas Ducks
Bozen, Göttingen, 5. Mai 2009
Die Geschichte der Aborigines ist gekennzeichnet von uralten Traditionen, Diskriminierung und Landrechtskonfikten.
Der Kakadu-Nationalpark und das östlich angrenzende
Arnhemland im Norden Australiens beeindrucken durch grandiose
Landschafen. Wer auf den Fels Ubirr steigt und seine Augen
über ausgedehnte Feuchtgebiete schweifen lässt,
versteht, warum die Ureinwohner keine Kirchen bauten - weil
manche Orte selbst "Kirchen" sind. Felsmalereien am Berg zeugen
von mehreren zehntausend Jahren der Besiedlung durch die
Stämme der Bininj oder Mungguy. Auch die weißen
Neuankömmlinge wurden hier bildlich festgehalten: Pfeife
rauchend und mit den Händen in den Hosentaschen kopierten
die Ureinwohner ihr Abbild.
Die Herren aus Europa ließen gern andere - in diesem Fall
die Aborigines - für sich arbeiten. Damit einher ging
für sie die erzwungene Anpassung an die Kultur der
Weißen. Dies beraubte viele Ureinwohner nicht nur ihrer
kulturellen Identität, sondern auch ihrer traditionellen,
zum Überleben im Busch notwendigen Fertigkeiten. Doch auch
ihre Assimilierung schützte sie nicht vor dem Rassismus der
Weißen. Stets wurden den Aborigines ihre Herkunft und ihre
vermeintliche Kulturlosigkeit vorgehalten. Willkommen waren sie
nur als billige Arbeitskräfte.
Unzählige Aborigines können von Verwandten berichten,
die an ihrer kulturellen Entwurzelung zerbrachen. Der Staat tat
ein Übriges: Zehntausenden Familien wurden noch bis in die
frühen 1970er Jahre die Kinder entzogen, um sie ihrer
eigenen Kultur zu ent- fremden. Als "Gestohlene Generation"
werden diese Menschen in Australien bezeichnet. Obwohl dies
für weite Teile der australischen Öffentlichkeit schon
lange überfällig war, rang sich erst die 2008
gewählte Labour-Regierung dazu durch, sich offiziell
für die Verbrechen an den Aborigines zu entschuldigen. Auch
sonst stehen die Dinge nicht zum Besten: In Bezug auf Gesundheit,
Kindersterblichkeit, Beschäftigung, Bildung und Wohnen geht
es den rund 450.0000 Aborigines deutlich schlechter als dem Rest
der Bevölkerung. Während die Lebenserwartung eines
weißen Australiers bei 79,7 Jahren liegt, beträgt sie
für einen Ureinwohner nur 62,1 Jahre. Der derzeitige
Premierminister Kevin Rudd kündigte an, innerhalb einer
Dekade die Kluft zwischen Schwarz und Weiß halbieren zu
wollen.
Erst seit dem 1992er "Mabo-Urteil" des obersten australischen
Gerichts sind die Landrechte der Aborigines zumindest prinzipiell
anerkannt. Die- se geltend zu machen, ist ein schwieriges
Unterfangen, da sie, die sich nicht als Herren sondern als Teil
des Landes verstehen, keine Dinge wie schriftliche Rechtstitel
haben. Den Ureinwohnern ist das Land heilig und nach wie vor ein
wesentlicher Teil ihres Lebens. Die Einrichtung von Nationalparks
kommt ihren Werten daher entgegen. Viele Aborigine-Gruppen im
Nor- den haben das ihnen zurückgegebene Land an den Staat
verpachtet und verwalten es nun gemeinsam mit den Mitarbeitern
der "Nature Conservation Agency". Immer mehr Aborigines lassen
sich zu Rangern ausbilden. Es geht ihnen darum, die Hoheit
über ihr Stammesland zu behalten, das Basis ihrer
kulturellen Selbstbestimmung ist. Ein wichtiger Baustein
dafür ist für viele Aborigines naturnaher Tourismus.
Die eigene Kultur mit Fremden zu teilen, kann eine gute
ökonomische Basis für zukünftige Generationen
sein.
Jobs und Einkommen für Aborigines - noch dazu in
Schlüsselpositionen - hat es bis vor kurzem kaum gegeben.
Entscheidend für den Wandel waren der mittlerweile hohe
Organisations- grad und die Erfahrungen und Fähigkeiten, die
die Aborigines im langen Kampf um ihre Landrechte erworben haben.
Die Ureinwohner-Vereinigungen ermutigen ihre Mitglieder nun
deshalb, verstärkt Verantwortung zu übernehmen - auch,
um ein Zeichen gegen die in den Outback-Zentren
unübersehbaren Probleme mit Alkohol und Arbeitslosigkeit zu
setzen.
Doch obwohl die Region im Norden Australiens eine enorme
Anziehungskraft auf Touristen ausübt, haben die meisten
Ureinwohner kein Interesse daran, ihre Traditionen als
Vergnügungs-Kitsch á la Disneyland zu vermarkten.
Ihnen geht es darum, aufgeschlossene Menschen an ihre
einzigartige Denk- und Lebensweise heranzuführen. Gäbe
es diese nicht, würde die grandiose Landschaf wohl kaum noch
in ihrer heutigen Form existieren. Das Wunder des australischen
Nordens besteht darin, dass die Natur trotz der Nutzung durch den
Menschen erhalten geblieben ist. Diese Erfolgsgeschichte wollen
die Ureinwohner interessierten Menschen vermitteln. Sie hoffen
auch, ihre Kultur so vor möglichen neuen Zugriffen des
Staates zu schützen.
Im Zentrum ihrer Kultur steht die tief im Seelenleben und
kollektiven Gedächtnis der Ureinwohner verankerte
Schöpfungsgeschichte, die so genannte "Traumzeit". Dieser
Schöpfungsgeschichte nach schufen in dieser Zeit Wesen mit
besonderen Kräften die Welt - samt Menschen, Tieren und
Pflanzen. Sie gaben jedem einen Platz zum Leben, bevor sie selbst
beseelte Bestandteile der Landschaf wurden. Die Traumzeitwesen
schufen überdies Regeln: verschiedene Sprachen,
Verwandtschafssysteme, Heiratsgebote und Verhaltensregeln. Diesen
"Gesetzen" fühlen sich die Ureinwohner auch heute noch
verpflichtet.
"Unser traditioneller Lebensstil mag sich geändert haben",
sagen die Jawoyn, "aber unsere Verpflichtungen und unsere
Beziehung zum Land bleiben dieselben." Auch wenn sie in- zwischen
Geländewagen fahren und Mobiltelefone benutzen, wollen die
Aborigines immer noch selber ent- scheiden, was es heißt,
ein Ureinwohner im 21. Jahrhundert zu sein. Vor nicht einmal zwei
Jahrzehnten konnten sich nur wenige in Australien vorstellen,
dass ihre kulturellen Traditionen zur Touristenattraktion werden
würden. Mittlerweile operieren landesweit gut 300
Ureinwohner-Unternehmen auf diesem Gebiet. Was einmal als
Tanzfolklore begann, ist heute weitaus vielschichtiger und
tiefgründiger.
Mit neuem Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigenen Wurzeln kam
auch die Idee auf, Besuchern mehr "authentische Erfahrungen" zu
bieten. Dazu möchte die seit 20 Jahren im
Tourismusgeschäfttätige Unternehmerin Mandy Muir auch
andere Aborigines ermutigen, für die die
Assimilationspolitik des Staates häufig genug ein
"Fortschritt" ins Nichts war. Der Tourismus müsse allerdings
Rücksicht nehmen auf die Kultur der Aborigines. Der Respekt
gegenüber deren Erbe ist der Maßstab für alles,
auch für Art und Umfang des Fremdenverkehrs. Nicht an jedem
Ort sind Besucher willkommen. "Der Markt ist wichtig, er ist aber
nicht alles", zieht Muir die Grenze. Zum "Herrscher über das
Land" dürfe der Tourismus sich nicht aufschwingen.
Aus pogrom-bedrohte Völker 252 (1/2009).
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/3dossier/austral/burrup.html |
www.gfbv.it/3dossier/austral/aborig.html |
www.gfbv.it/3dossier/austral/abor-land.html
| www.gfbv.it/3dossier/austral/australdt.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080213de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/29-8-dt.html
in www: www.standupfortheburrup.de |
http://de.wikipedia.org/wiki/Aborigines
| www.eniar.org | www.creativespirits.info |
www.getup.org.au