Von Sabrina Bussani. Übersetzung von Stefan Pollinger
Bozen, August 2007
Honduras: Die Bagger von Astaldi in Bahia de Tela.
Der 17. August 2007 ist ein bedeutender Tag für die
Bewohner der karibischen Küste von Bahía de Tela: der
Präsident der Republik Honduras machte den ersten
Spatenstich für das touristische Mega-Projekt "Los Micos
Beach Resort", besser bekannt als Projekt Bahía de Tela.
Seit dreißig Jahren schon, kommt jede Regierung von
Honduras nach Tela um das Projekt ein zu weihen. Die Arbeiten
haben bis jetzt aber noch nie begonnen. Dieses Mal aber ist alles
anders. Dieses Mal stehen 18 Millionen Dollar Finanzierungshilfe
von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) zur
Verfügung.
In seiner Rede betonte der Präsident Zelaya Rosales die
Wichtigkeit des Projekts für den Tourismus. Außerdem
verspricht man sich davon ein Plus an ausländischen Devisen
für das hochverschuldete Land und einen wirtschaftlichen
Aufschwung für die gesamte Nation. Das Projekt sieht den Bau
von vier Hotels mit vier und fünf Sternen, 256 Ferienvillen,
einem 18-Loch Golfplatz, einem exklusiven Ferienclub mit
Reitstall und einem Einkaufszentrum im Wert von insgesamt 43
Millionen Dollar vor. Was für so manchen Edeltouristen das
Paradies auf Erden wäre, ist für das lokale
Ökosystem und für die afroindigene Gemeinschaft der
Garífuna, welche seit Jahrhunderten auf diesem Land leben,
schlimmer als ein zerstörerischer Orkan. Der
Tourismuskomplex wird sich über hunderte von Hektar
erstrecken und in verschiedene Schutzgebiete eindringen, unter
anderem in den Jeannette Kawas Naturpark (PNJK), der zu den
wichtigsten Schutzgebieten ganz Zentralamerikas gehört. Im
Park befindet sich die Lagune von Micos, ein Sumpfgebiet, welches
von der Internationalen Konvention zum Erhalt der Sumpfgebiete
(RAMSAR) unter Schutz gestellt und zu einem Gebiet von
internationaler Wichtigkeit erklärt wurde. Nichts desto
trotz, soll der Sumpf fast zur Gänze trockengelegt werden
und dem Golfplatz weichen.
Die "Stiftung zum Schutz von Lancetilla, Punta Sal und Texiguat"
(Prolansate), eine NGO, die sich für den Erhalt des Parks
einsetzt, legte 2005 eine Studie vor, in der die verheerende
Umweltverschmutzung durch das Projekt, sowie zahlreiche
Verletzungen internationaler Abkommen, wie des Abkommens zur
Artenvielfalt, aufgezeigt werden. Die wichtigsten Einsprüche
der Studie sind sowohl ökologischer als auch sozialer
Art:
Das Projekt grenzt an die zentrale Zone des Parks. Es handelt
sich dabei um eine Schutzzone höchster Stufe, in der
jeglicher Eingriff ins Ökosystem verboten ist. Mit so einem
riesigem Tourismuskomplex in nächster Nähe ist es
unmöglich, diesen Schutz zu garantieren. Das Sumpfgebiet
Laguna de Micos besitzt die Nummer 722 in der Liste der RAMSAR.
Um die 87,5 Hektar Land für den Bau des Golfplatzes zu
gewinnen, ist es notwendig, fast den gesamten Sumpf trocken zu
legen. Dies würde eine Veränderung der komplexen
Wasserflüsse im Sumpf mit sich bringen und somit auch die
Funktion des Restsumpfes empfindlich stören. Damit
würde man den Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten
zerstören. Zum guten Erhalt des Golfplatzes ist zudem der
massive Einsatz von chemischen Substanzen wie Brommethan
notwendig. Diese Substanz wurde von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO - World Health Organisation)
also hoch toxisch eingestuft. Es wäre wohl unvermeidbar,
dass man damit Boden sowie Wasser vergiftet.
Zu diesen Kosten für die Umwelt käme noch der enorme
Verbrauch an Trinkwasser, welcher für den Erhalt des
Golfrasens notwendig ist. Für ein Projekt diesen
Ausmaßes beläuft sich dieser, bei voller Nutzung, auf
3 Millionen Liter täglich. Die Sümpfe regeln den
Wasserhaushalt der gesamten Zone, und sind für die
Verfügbarkeit des Trinkwassers, das die Bevölkerung aus
Brunnen bezieht von entscheidender Bedeutung. Ihre Trockenlegung
birgt, neben dem hohen Wasserverbrauch des Golfplatzes, die
Gefahr, dass die Bevölkerung von jeglicher
Trinkwasserversorgung abgeschnitten wird. Die weitreichenden
sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die lokale
Bevölkerung, die hauptsächlich von Fischfang,
Landwirtschaft und Ökotourismus lebt, sind leicht
auszumalen. Auch das Risiko von schweren Überschwemmungen
würde dadurch, in der Stadt Tela und den angrenzenden
Gebieten, in der niederschlagsreichen Zeit und bei Orkanen, stark
ansteigen. Das wiederum würde zum Verlust von sehr viel
Ackerboden bedeuten.
Der technische Bericht von Prolansate zeigt sehr gut den
Zusammenhang zwischen Naturzerstörung und
sozio-ökonomischen Folgen für die lokale
Urbevölkerung der Garífunas, deren Lebensgrundlage
nur durch eine eine intakte Natur gesichert ist. Weder die
Anerkennung der Garífunas durch die UNESCO (siehe Kasten),
noch internationale Abkommen wie die ILO Konvention 169 (laut der
darf jedes Projekt, das auf traditionell von Indigenen bewohnten
Land durchgeführt werden will, nur mit deren Erlaubnis und
in Absprache geplant und realisiert werden), konnten die
Garífunas vor einem Entwicklungskonzept schützen,
welches vor allem auf den Profit durch globalisierten
Massentourismus abzielt.
Um das notwendige Land für das Megaprojekt zu enteignen,
änderte die Regierung mit Unterstützung der Weltbank
einige Gesetzte. Zum einen wurde es möglich Strände
auch an Private zu verkaufen. Weiters wurde das Gesetz zum
Eigentum so geändert, dass es nun möglich ist, die
Rechte zur gemeinschaftlichen Nutzung von Land durch die indigene
Bevölkerung, zu missachten, ihr Land in Gemeindebesitz
übergehen zu lassen und an Drittpersonen zu
veräußern.
Die Privatisierung der Strände trifft nicht nur die Region
um das "Los Micos Beach Resort". Cayos Cochinos, ein Archipel
wenige Kilometer vor der Küste, wurde schon vor Jahren
illegal an europäische Investoren verkauft. Die dem
italienischen Fernsehpublikum wohl bekannteste Insel dürfte
Cayo Paloma sein. Dort findet eine bekannte Realityshow statt.
Die Insel wurde 1992 zusammen mit Cayo Menor vom Schweizer
Unternehmer Stefan Schmidheiny gekauft. Schmidheiny ist
Aktionär von Nestlé und Swatch und Erbe der Eternit
Gruppe. 1994 gründet er die Organisation "Fundación
Cayos Cochinos". Finanziert durch hondurenische und
ausländische Unternehmer, hat die Fundación zusammen
mit dem WWF die Verwaltung über das Gebiet erhalten. Seit
200 Jahren ist das traditionelles Fischfanggebiet einiger
Garífuna-Gemeinschaften, die hauptsächlich an der
Ostküste Cayo Mayors und auf Cayo Chachahuate leben. Die
Organisation verhängte scharfe Fischfangbegrenzungen,
wodurch sich viele Garífunas gewungen sahen, ihr Land zu
verlassen. Sehr bald wurden sie Opfer von Drohungen,
Zwangsräumungen und Gewalt.
1996 verschwand der Fischer Domitilio Calix Arzu auf
mysteriöse Weise. 2001 wurde der Taucher Jesus Flores
Paredes von einer Feuerwaffe an der Hand verletzt. Mit der
italienischen Fernsehshow verschlechterte sich die Situation
weiter. Seit einem Jahr überwacht eine Streife der Regierung
Cayo Chachahuate und verbreitet Angst unter der Bevölkerung.
Die Fundación Cayos Cochinos gab der Bevölkerung das
ausdrückliche Verbot, sich Cayo Paloma zu nähern: die
Produzenten der Show haben Angst, ein Fischer könnte auf den
TV Bildschirmen aufflackern und so die Illusion vom Schiffsbruch
auf einer einsamen Insel zerstören. Für die
Garífunas bedeutete dies der Verzicht auf
Fischgründe, welche die Gemeinschaft versorgten.
Während also einige Prominente und weniger Prominente
"Überleben in der Wildnis" spielen, ist für die
Garífunas der Cayos die Nahrungsknappheit zur ernsten
Bedrohung wurde.
Die Show war und ist auch ein enormer Werbespot für den
zukünftigen Tourismus auf Cayos Cochinos und vor allem
für die Tourismuskomplexe, die gerade an der Nordküste
Honduras gebaut werden. Die Maschinen des Unternehmens Astaldi
Colombus laufen bereits auf Hochtouren, dem Widerstand der
Garífunas und der 1995 von Honduras ratifizierten ILO
Konvention 169. Das italienische Unternehmen hat sich die
Aufträge zum Bau der Infrastrukturen gesichert: eine
Wasserentsalzungsanlage zum Gewinn von Trinkwasser,
Wasserleitungen zur Verteilung, eine Anlage zur Behandlung und
Entsorgung von Abfällen und die Asphaltierung der
Zufahrtsstraßen nach Tela.
Die seit 1979 in der Basisorganisation OFRANEH
(Organización Fraternal Negra de Honduras) organisierten
Garífunas verurteilen die Methoden, mit denen
unschlüssige Bewohner dazu gebracht werden, ihr Land zu
verlassen. Die Behörden unterstreichen den angeblichen
sozialen Aspekt des Projekts, sie versprechen sich davon
Arbeitsplätze und glauben, dass dadurch die Wirtschaft in
Schwung käme. Außerdem schlugen sie den Gemeinschaften
vor, sich zusammenzuschließen um zu 7% Eigentümer am
Projekt zu werden. Der Präsident der
Arbeitnehmerorganisation der Garífunas in San Juan Tela,
Jésica García ist entrüstet über den
Versuch des Staats, Landraub und Zerstörung des Lebensraums
der Garífunas mit Almosen zu begleichen.
Auch das Versprechen von neuen Arbeitsplätzen ist nicht sehr
glaubwürdig: der traditionellen Lebensgrundklage enteignet,
würden für die Garífunas vielleicht gerade
einmal einige Anstellungen als Kofferträger, Portier,
Tellerwäscher oder als ungelernte Arbeiter bekommen. Die
Durchschnittsgehälter dieser Anstellungen garantieren aber
nicht das Lebensminimum.
Die Kehrseite der Überzeugungsstrategien ist die
systematische Repression der Führungskräfte und
Akltivisten von OFRANEH und die zunehmende Präsenz von
Streitkräften in der Regione. Die Mitglieder von OFRANEH
sind Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Übergriffen
auf ihre Familienangehörigen und Brandanschlägen. So
wurde etwa Alfredo López, Mitglied der Gemeinschaft
Triunfo de la Cruz und Leiter des Komitees zur Verteidigung des
Landes von Triunfo de la Cruz (CODETT) wegen vermutetem
Drogenbesitz sieben Jahre lang im Gefängnis festgehalten
ohne je verurteilt worden zu sein. Die Anklage gegen ihn wurde
bereits ein Jahr nach seiner Verhaftung fallen gelassen. Er wurde
nur nach direkter Intervention der Interamerikanischen Kommission
für Menschenrechte (CIDH) freigelassen. Den Gipfel erreichte
die Einschüchterungsstrategie am 26 Februar 2006.
Andrés Castillo und Yinio Eligio López, zwei junge
Mitglieder der Gemeinschaft in La Ensada wurden verhaftet und
dann ermordet aufgefunden. Für das Verbrechen wurden 4
Soldaten verantwortlich gemacht, die aber ungestraft davon
kamen.
Eine beunruhigende Situation und ein weiteres Stücks
Paradieses, das unter unseren Augen zu verschwinden droht: Auch
Bahía de Tela und die Garífunas bekommen nach und
nach den bitteren Preis der Globalisierung zu spären.
Garífuna
Geschichte eines weitgereisten Volkes
Das afro-indigene Volk der Garífuna lebt seit 200 Jahren
in der Region um die Stadt Tela. Die Ursprünge dieses Volkes
reichen bis in das Jahr 1635 zurück, als zwei spanische
Schiffe, beladen mit afrikanischen Sklaven vor der Insel St.
Vincent Schiffsbruch erlitten. Die überlebenden Sklaven
töteten ihre Peiniger und flüchteten auf die Insel, wo
sie sich nach einigen anfänglichen Konflikten mit den
Einheimischen niederließen und schließlich
vermischten. Von nun an nannten sie sich Garinagu oder Garrifuna.
Im 17. Jh. wollten die Engländer die Herrschaft über
die Insel erlangen. Die Gaífuna leisteten jedoch mit
Unterstützung der Franzosen erbitterten Widerstand und
konnten die Invasion der Engländer bis 1796 verhindern. Die
Anwesenheit einer freien Schwarzen Gemeinschaft war den
Engländern ein Dorn im Auge. Sie befürchteten weitere
Rebellionen von Sklaven, was sie dazu veranlasste die
Garífuna zu deportieren.
Es kam zu einer verbitterten Menschenjagd. Viele Garífuna
wurden getötet oder starben an Hunger und Krankheiten. Die
überlebenden wurden mit zwei Schiffen auf die nahe Insel
Balliceaux gebracht wo wiederum die Hälfte an Gelbfieber
starb. 1707 schließlich brachte man die restlichen
Überlebenden an die Küste Honduras. Von da an
bevölkern die Garífuna die Inseln von Bahía,
die Cayos Cochiunos und die gesamte Nordküste Honduras. Dank
ihrer eigentümlichen Geschichte besitzen die Garífuna
eine einzigartige Kultur, Sprache und Tradition, die sie
über Jahrhunderte erhalten konnten. %%% Laut UNESCO vereinen
die Gesänge der Garífuna afrikanische und
indoamerikanische Rhythmen und die Texte können als
historische Schätze angesehen werden. Aus diesem Grund
erklärte die UNESCO 2001 die Garífuna zu einem
"Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbe der
Menschheit".